23.02.2015

Der Grat zwischen Bescheidenheit und Prahlerei ist häufig schmaler als man denkt. Doch allzu vornehme Zurückhaltung ist jetzt mal fehl am Platz. Die LivingKitchen war ein gelungenes Fest und ein beachtlicher Auftakt fürs Möbeljahr 2015. Die Ausstellerstatements würdigen durchgehend die Qualität der Gespräche und die Zahl der Besucher – insbesondere der gestiegene Anteil der ausländischen Gäste wird wohlwollend registriert. Ein enorm wichtiger Aspekt: Schließlich prangte im Vorfeld der Messe das Stichwort „Internationalität“ ganz vorn im Aufgabenheft der Koelnmesse. Dreimal dick unterstrichen und in Rot.

Dirk Biermann, Chefredakteur.

Gefallen konnte die LivingKitchen besonders durch die Vielfalt der Sortimente und ihre lebendige Atmosphäre. Möbel, Geräte und Zubehör gleichberechtigt nebeneinander – so gehört es sich in Zeiten ganzheitlicher Wohnkonzepte. Und da sich immer mehr Küchenmöbelhersteller unter anderem über Möbeltechnik und Innenausstattung differenzieren, profitieren indirekt auch die Schrankausstatter vom Medien- und Publikumsinteresse.
In Schulnoten ausgedrückt steht eine tolle „2+“ auf dem Abschlusszeugnis der LivingKitchen 2015. Was die glatte 1 verhindert, ist allein die vollmundige Ankündigung ob der vielen Welt- und sonstigen Neuheiten, die angeblich auf die Besucher hätten warten sollen. Die LivingKitchen war hinsichtlich der gestiegenen Internationalität der Besucher gelungen und was die Sortimente angeht eine beeindruckende Leistungsschau der überwiegend deutschen Küchenmöbelindustrie – eine ausgemachte Neuheitenmesse war es aber sicher nicht. Natürlich gab es diese Premieren, als Feuerwerk der Endorphine ging es aber nicht durch. Hätten die Veranstalter vorab etwas realistischer getrommelt, wäre dies noch nicht mal weiter aufgefallen. So aber wurde die übersichtliche Premierendichte in vielen Messegesprächen immer wieder thematisiert. Ermüdend! Dabei gab es genug anzugucken, zu bestaunen, zu betasten und zu erleben. „The best of Hausmesse 2014 “ dürfte den weitgereisten Gästen im Januar 2015 gänzlich unbekannt gewesen sein. Privaten Küchenkäufern und vielen deutschen Fachhändlern auch.
Der geringfügige Punktabzug in der B-Note ist zu vernachlässigen. Diese LivingKitchen hat Maßstäbe gesetzt. Die Messe hat bewiesen, wie sich Innovationen und Ideen in verkaufbare Küchenkonzepte umsetzen lassen – erfrischend positioniert zwischen der langweiligen Ware für den Massenmarkt der Großfläche und der eierlegenden Designwollmilchsau, die im Schaufenster verstaubt. Deutlich wurde in Köln, wohin die moderne Küchenplanung steuert. Der Anspruch an Design und Materialität steigt. Naturstein und ähnliche Flächen melden sich zu Wort. Gerade in Kombination mit den geschätzten hellen Küchenfronten spielt das lebendig strukturierte Material seine Stärken aus. Hochkonjunktur haben aber auch modern inszenierte Massivholzküchen. Wobei modern nicht zwangsläufig mit puristisch-geradlinig gleichzusetzen ist. Schließlich erlebt die moderne Landhausküche gerade ihren „xten“ Frühling.
Flexibilität ist neben der allgegenwärtigen Individualität das Gebot der Stunde. Modular orientierte Konzepte wie die Stilwelt „urban“ von SieMatic oder „neo“ von Nolte Küchen spiegeln dies zeitgemäß wider. Ebenso wie die „Concept Kitchen“ von Naber, die in Reinkultur geplant werden kann, sich aber sehr gut als Ergänzung zum Einbauprogramm anbietet.
Und wo wir schon mal bei den prägenden Trends sind: Bei allem mit Stecker ist die Vernetzung in aller Munde, auch wenn es bis zur Marktdurchdringung noch dauern wird. „Drei bis vier Jahre“, so die Einschätzung eines erfahrenen Hausgerätemanagers. Im Moment geht es sehr viel ums Prestige und darum, wer in einem absehbaren Wachstumsmarkt an welcher Stelle seine Duftmarke setzt und einen konkreten Kundennutzen zu formulieren versteht. Sehr viel konkreter sind Geräte mit kombinierten Funktionen – wie vollwertiger Dampfgarer und vollwertige Mikrowelle in einem Gerät oder der Backofen mit zuschaltbarer Mikrowellenfunktion. Solche Lösungen bieten sich an, schließlich ist der Platz in den Hochschränken begrenzt und der Wettbewerb mit den Schrankausstattern groß. An der Küchenspüle – auch die sollte dringend beachtet werden – führt bei der Trendschau nichts an den extragroßen Becken vorbei.
Dass wir unsere umfangreiche Messeberichterstattung mit einer Projektstudie eines österreichischen Designbüros beginnen, mag verwundern. Doch nur auf den ersten Blick. „Vooking – Die Küche für Vegetarier“ ist ein hervorragend durchdachtes Beispiel für eine bedürfnisorientierte Küchenplanung, die erst ihre Zielgruppe und deren konkreten Wünsche und Probleme definiert – und anschließend entscheidet, mit welcher Optik das Ergebnis umgesetzt werden könnte. Auch die zur Hausmesse 2014 präsentierte Komfortküche von Ballerina geht diesen Weg. Oder das „Shop in Shop“-Konzept „nolte neo“. Das sind Themenbeispiele, mit denen sich der Fachhändler positionieren und vor allem profilieren kann – als Experte für individuelle Einrichtungswünsche, der so viel Selbstbewusstsein hat, dass er den Preis nicht gleich ungefragt nach vorne rücken muss. Lassen Sie uns öfter wieder über Küche reden, meint


Dirk Biermann, Chefredakteur
d.biermann@kuechenplaner-magazin.de

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