29.07.2011

Was hängt an der Wand und röhrt? Der Hirsch bei Omma über’m Sofa. In Öl. Sicher. Aber jetzt mal im Ernst und unter Küchengesichtspunkten: Dunsthauben sind laut und eine vergleichsweise kostspielige Kochfeldbeleuchtung. Dieses Image prägte viele Jahre die Beziehung von Haube und Käufer. Und nicht wenige Geräte taten ihr Bestes, dieses Vorurteil lautstark zu bekräftigen, unterstützt von Verkäufern, die mit diesem Gerätesegment irgendwie nichts anfangen konnten. Oder wollten, denn das erklärungsbedürftige Haubenbudget ließ sich doch viel eleganter in Holzteile oder Kochgeräte umsetzen. Am Ende des traditionellen Beratungsgesprächs hatte der Kunde weder Lust noch Geld, um sich über die technischen Finessen der Luftreinhaltung Gedanken zu machen. Alle waren zufrieden. Auf niedrigem Niveau.

Dann wagten sich vereinzelt die ersten Designhauben in die Öffentlichkeit. Auf Messen und in Zeitungsinseraten. Und mit ihnen erschienen verzückte Kunden in den Läden, die so etwas auch haben wollten. Aber ein-, zwei-, drei- oder gar noch mehr -tausend Euro für ein Designschmankerl? Das will trotz aller Emotion argumentativ unterfüttert werden und nicht wenige Planer und Verkäufer gerieten in Atemnot. Die Haube – das unbekannte Wesen.
In Zeiten von Energieeinsparverordnungen, Niedrigenergiehauskonzepten und Blower-Door-Tests gewinnt der Beratungsanspruch zusätzlich an Dynamik. Kompetenz ist gefragt. Zur Belohnung winken im Segment ab obere Mittelklasse Margen, von denen andere Produktgruppen so weit entfernt sind wie Angela Merkel und Gregor Gysi.

Im Gegensatz zur schnell drehenden Großfläche wird im Einrichtungs- und Küchenstudio konzeptionell und nutzenorientiert gedacht und der Kunde bei seinen Bedürfnissen abgeholt. Wenn es um Beratungskompetenz geht, hat der Fachhandel nach wie vor einen Imagebonus. Diese Vorschusslorbeeren welken mancherorts besorgniserregend dahin. Zu groß scheint der Online-Druck auf dem stationären Handel zu lasten. Immer mehr Händler fügen sich der allumfassenden Schnäppchenjagd von Endkunden, Industrie und Handelsverbänden und gehen den Weg des geringsten Widerstandes. Beim Thema Hauben könnte der Küchenfachhandel einst sicher geglaubtes Terrain zurückerobern.

Die Industrie bietet mit atemberaubenden Modellen und innovativen technischen Funktionen Steilvorlagen wie aus dem Bilderbuch. Jetzt liegt es an Verkäufern und Planern den Küchenkunden zu verdeutlichen, dass bei Hauben die Optik wichtig – aber allenfalls die halbe Miete ist.
Eine Menge Fragen wollen im Verkaufsgespräch pro-aktiv gestellt und beantwortet werden. Welche Raumgröße muss belüftet werden? Gibt es offene Feuerstellen? Oder eine zentrale Hauslüftung? Wie ist es um eine mögliche Abluftführung bestellt? Bietet sich eine Sommer-Winter-Schaltung an, die mechanisch oder automatisch bei gekipptem Fenster zwischen Abluft und Umluft wechselt? Oder kommt aufgrund des Passivhauscharakters überhaupt nur eine Umluftlösung in Frage? Wie funktionieren eigentlich Aktivkohlefilter und warum dürfen die Partikel nicht feucht werden? Warum lohnt ein Qualitätskohlefilter so sehr? Muss ein Fettfilter eigentlich sein? Was ist geeigneter für den konkreten Küchenraum: Kochfeldlüftung oder Deckenhaube? Was bedeutet Randabsaugung? Und was Downdraft? Warum versteht man bei der einen Haube schon bei Stufe 2 sein eigenes Wort nicht mehr, während die andere bei Maximalschub allenfalls ein seriöses Rauschen von sich gibt? Welche Funktionen helfen Strom zu sparen? Ist eine LED-Beleuchtung sinnvoll – oder wird hier mit Kanonen auf Spatzen geschossen?
Wer sich auf diese Fragerei einlässt, stellt fest: Die Liste ließe sich unkompliziert fortsetzen.

Emotion trifft Logik: Die schöne Haubenoptik will im Küchenhandel gezeigt, die modernen technischen Funktionen demonstriert werden. Die altersschwachen Hirsche gehören abgehängt. Sie haben ausgeröhrt. Hoffentlich, meint

Dirk Biermann, Chefredakteur
d.biermann@kuechenplaner-magazin.de

 

PS: Unsere große Marktübersicht „Dunsthauben“ beginnt auf Seite 44. Wir haben sie mit „Die große Vielfalt“ überschrieben. Auch dort stellen wir Fragen und haben Fachleute um Antworten gebeten.