25.04.2023

Wer es ruppig auf der Front mag, muss jetzt tapfer sein. Die optische Entwicklung geht in Richtung „einfacher, gedeckter, natürlicher, streifiger“. Für noch mehr Ruhe im Raum. Ein Bericht von der Eggerzum 2023 und gleichzeitig ein Ausblick auf die interzum.

Eiche-Reproduktionen im Wandel: von markant rustikal hin zu ruhig, schlicht und somit anpassungsfähiger. Sie müssen nun auch ohne Risse und Äste auskommen und eher mit Eleganz und Oberflächencharakter überzeugen. Foto: Biermann

Fronten mit Funktion: bei matten, dunklen Oberflächen ist Antifingerprint zunehmend gesetzt. Hier präsentiert Klaus Monhoff, Leiter der Egger-Dekorentwicklung, „PerfectSense matt auf Span“. Foto: Biermann

Auch Materialien werden in der aktuellen Egger-Kollektion neu definiert. Die Steine der vergangenen Jahre zeigen eine Evolution von kühlen, markanten Optiken hin zu wärmeren, feineren und homogeneren Varianten. Ihre Wertigkeit erhalten sie durch die haptische Oberfläche. Keramik (NB) ist der neue Allrounder. Für Fronten und Platten. Marmor konnte sich als Nachfolger für die Betonoptik hingegen nicht durchsetzen. Foto: Biermann

Aus den Anfangstagen: Klaus Monhoff (Foto rechts) berät einen Kunden im alten Forum St. Johann in Tirol (AT). Foto: Egger

Schwarze Asteinschlüsse in Holznachbildungen und farbige Unis wird es natürlich weiterhin geben. Doch in Summe verzichtet das Oberflächendesign zunehmend auf markante Umsetzungen. Auch Weiß strahlt immer weniger schroff in Alpin oder Schnee. „Der Trend geht zu gebrochenen Weißtönen“, berichtet Klaus Monhoff. Wobei der Leiter Dekor- und Designmanagement in der Egger Gruppe den Begriff Trend lieber vermeidet. Es seien eher grundlegende und stabile Entwicklungen, die sich auf Fronten und Arbeitsflächen wiederfinden. In Gestalt der erwähnten gedeckten Farben von Lotus über Terrakotta bis zum heimeligen Grau. Vor allem die Grüntöne werden uns die nächsten Jahre begleiten. Ebenso wie andere natürliche Kolorierungen rund um Taupe, Sand und Creme. Oder Schwarz und ähnliches Dunkel. Schlichte Holznachbildungen, die an Furniere erinnern, bieten sich als Kombinationspartner an, gern mit einer eleganten Streifigkeit und haptisch interessanter Synchronpore. Wobei Holz weiterhin als Synonym für Eiche gilt. Ausnahmen wie der beharrliche Nussbaum oder das ein- oder andere Nadelholz bestätigen diese Regel. Die derzeitige Hinwendung zu allem Vertikalen reicht in Reinkultur bis zu gefrästen oder gepressten Lamellenfronten, die bei aller Wohnlichkeit etwas an schalldämmende Akustikpaneele aus dem Büro erinnern.

Nur mit Schutz
Das skandinavische Wohndesign hat sich also zum Bleiben entschieden und macht es sich weiter gemütlich. Mit klaren Linien und einer ruhigen Gesamtwirkung. Als träfe nordische Gemütlichkeit auf die grafische Eleganz Asiens. „Aber ohne die für den Scandi-Stil typischen Weißtöne“, erinnert Klaus Monhoff. Was uns lehrt: Hygge geht auch ohne Weiß. Dafür mit Grün, Sand, Schwarz und Anthrazit, mit feinen Steinen und dezentem metallischem Unterton. Marmor sucht man in dieser Aufzählung vergeblich. Diese Optik hat sich laut Klaus Monhoff nicht wie erwartet als Betonersatz durchsetzen können. Jedenfalls nicht auf der Front. Für die Arbeitsplatte sei Marmor weiterhin ein „Must-have“. Was im aktuellen Oberflächendesign auch für Antifingerprint gilt. Denn neben der Optik wird die Haptik inklusive Funktion immer wichtiger. Gerade auf dunklen Fronten und Platten geht kaum noch was ohne den verbrieften Fettfingerschutz.

Emotional und gemütlich
Mit den aktuellen Oberflächenneuheiten will Egger zeigen, wie die neue Einfachheit funktioniert. „Aufwertung durch Vereinfachung“ sei die Kernkompetenz. Es gehe um Farben, Formen und Oberflächen, die sich nicht in den Vordergrund spielen, sondern zusammen eine harmonische und zeitlose Einheit bilden. Auf der Hausmesse Eggerzum zeigte der Holzwerkstoffspezialist seine Ideen dazu unter dem Motto „SIMPLICITY redefined“. Mit dem Subtext: „Die neue Einfachheit – nicht kühl und unnahbar, sondern emotional und gemütlich.“

Verlässlich und wandelbar
Hinter allem steht der Blick auf die gegenwärtigen gesellschaftlichen und geopolitischen Entwicklungen. Diese mit krisenhaft zu bezeichnen hat sich etabliert. Nicht, dass es früher keine Krisen gab, aber drei Jahre Corona und der Angriffskrieg Russlands haben dieses Empfinden vertieft und das Sicherheitsbedürfnis der Menschen erhöht. Klaus Monhoff formuliert dies in einer Zusammenfassung so: „Krisen, unüberschaubare Komplexität sowie der starke Einfluss digitaler Komponenten vermitteln das Gefühl chronischer Unsicherheit und verlangen nach immer mehr Flexibilität. Megatrends heben sich schneller in ihren ‚Next Level‘. Glokalisierung, soziale Individualisierung, Nachhaltigkeit in der Praxis und Konnektivität zwischen Digitalem und Mensch sind weiterhin treibende Kräfte in der Gesellschaft. Es wird deutlich, dass all diese Strömungen zusammenhängen und sich gegenseitig beeinflussen.“ Umso mehr werde in der künftigen Zeit des Wandels eine permanente Anpassungsfähigkeit in allen Bereichen gefragt sein. „Trotzdem – oder vielleicht gerade deswegen – wächst der Wunsch nach mehr Sicherheit. Diese wird häufig in den eigenen vier Wänden gesucht, denn diese Umgebung kann man selbst am stärksten planen und beeinflussen. Produkte für die Zukunft müssen daher sowohl verlässlich als auch wandelbar sein.“ In einer beschwerlichen Welt wirke das Einfache erleichternd, resümiert Klaus Monhoff.

Vom Stil zur Einstellung
Die Sehnsucht nach einfachen und dennoch funktionalen Lösungen mit viel Wärme und Personalisierung wächst. Dies führe zu Wünschen nach einem Einrichtungsstil, der das Leben durch Vereinfachung aufwertet. Klaus Monhoff: „Oft sind es einzelne Elemente, die durch ihre Einfachheit aufgewertet werden und durch modulare Möglichkeiten flexibel für Veränderungen sind. Diese Art des Designs entwickelt sich vom reinen Stil mehr und mehr zu einer Einstellung.“

Evolution der Farben
Mit seinen aktuellen Dekorneuheiten will Egger all dies abbilden. In der konkreten Umsetzung bedeutet das: Hölzer werden zunehmend zurückhaltender und dadurch vielseitiger, verlieren aber nicht an Natürlichkeit und Wärme. Steine zeigen ebenfalls weniger ausgeprägte Muster, sondern mehr Tiefenwirkung und Authentizität in Nuancen oder auch in ihrer Haptik. Warme Metallic- und neue Textildekore sowie matt-schwarze Details sind die neuen Highlights. Auch farblich sind die Neuentwicklungen eher sanfte Mitspieler, die den gesamten Raum unterstützen. In diesem neudefinierten Rahmen lassen sich die verschiedenen Materialoptiken zeitlos kombinieren und einsetzen.
Bei den Unis hat Egger bereits im vergangenen Jahr begonnen, „eine gewisse Ruhe in ihre Farbigkeit zu bringen“, wie es Klaus Monhoff ausdrückt. 2023 geht die Evolution der neutralen Farben weiter: weg von kühlem Weiß, hin zu wärmeren Tönen. Und das auch in feineren Abstufungen: von einem neuen, gebrochenen Weiß wie eingangs erwähnt bis hin zu dunkleren, warmen Grautönen. Rötliche sowie pudrig wirkende „Nude“-Farbtöne in verschieden intensiven Abstufungen bleiben in Gestaltungen wichtig. Was auch für die Grüntöne gilt. Hier präsentierte Egger zur Hausmesse zwei weitere Umsetzungen. Nicht so offensichtlich zeichnet sich das Comeback der Gelbtöne ab. „Aber mit vielen warmen Einflüssen auf die neutralen Farben und durch das Aufkommen von wärmeren Weißtönen bis hin zu Cremefarben macht es Sinn, auch einen neuen, leichten Gelbton anzubieten“, so Klaus Monhoff.

Dirk Biermann


30 Jahre Eggerzum
Die Hausmesse Eggerzum feierte in diesem Jahr ihr 30-jähriges Jubiläum. „Alles begann mit einer kurzfristigen Lösung, um die Neugierde unserer Kunden zu stillen“, erinnert Klaus Monhoff, Leiter des Dekor- und Designmanagements. Bereits im März 1993 veranstaltete der Holzwerkstoffhersteller eine Art „Preview“ am Standort Brilon. Noch vor dem eigenen Auftritt auf der Interzum in Köln. „Die Kunden wünschten sich von den Zulieferern, bereits früher im Jahr die Neuheiten präsentiert zu bekommen. Als relativ neuer Player im deutschen Markt wollten wir damals natürlich nicht den Anschluss verlieren. Und so waren wir gefordert, innerhalb von vier Wochen eine Präsentation auf die Beine zu stellen, um schon vor der Interzum im Mai die Neuheiten zu zeigen.“ Diese Präsentationswoche setzte den Grundstein, auf dem 1994 die erste professionelle Hausmesse Eggerzum aufgebaut wurde.
Der Name für die Hausmesse entstammt einem Begriff, den Michael Egger für die letzte Stunde eines jeden Messetages auf der Interzum prägte: Er nannte diese Zeit von 17 bis 18 Uhr „die Eggerzum“. Und damit war ein idealer Name für die eigene Hausmesse gefunden. In den 30 Veranstaltungsjahren nahm die Eggerzum nicht nur an Veranstaltungswochen zu, sondern dehnte sich auch auf andere Standorte wie etwa St. Johann in Tirol (AT), Hexham (UK), Rion des Landes (FR), Dänemark, Belgien und Russland aus. Letztendlich exportierte Egger diese Erfolgsgeschichte auch über den ganzen Erdball bis nach China und in die USA.