15.05.2019

Küchenindustrie stagniert auf hohem Niveau

Die Hitzewelle im Sommer und die Pleite von Alno, das sind die beiden Hauptgründe, warum die Küchenindustrie in 2018 leicht an Umsatz eingebüßt hat. Das Niveau ist mit mehr als 11 Mrd. Euro jedoch weiterhin hoch.

Volker Irle (AMK) und Monika Sedlmaier (GfK) präsentierten im Rahmen der AMK-Wirtschaftspressekonferenz in Köln die Zahlen der gesamten Küchenindustrie für 2018 und dokumentierten aktuelle Trends und Wachstumsfelder. Foto: Biermann

11,43 Mrd. Euro haben die Hersteller von Küchenmöbeln, Haushaltsgeräten und Zubehör im vergangenen Jahr national und international umgesetzt. Das ist im Vergleich zum Vorjahr ein Rückgang von 1,2 % oder 14 Mio. Euro. Für Volker Irle, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Die Moderne Küche e.V. (AMK), ist dieses Ergebnis dennoch ein Erfolg. „Zum vierten Mal in Folge über 11 Mrd. Euro Umsatz“, betonte er im Rahmen der jährlichen Wirtschaftspressekonferenz die Stabilität der Erlöse und verwies gleichzeitig auf komplizierte Rahmenbedingungen für die Branche im vergangenen Jahr. Diese lassen sich mit den Begriffen „Hitze“ und „Alno“ beschreiben.

Zwei Gründe für den Rückgang
Die langanhaltende Hitzeperiode im Sommer 2018 habe viele Kunden den Küchenkauf immer wieder aufschieben lassen. Bis weit in den Herbst hinein. Eingang in die Buchhaltungen der Hersteller fanden diese Umsätze oft erst im 1. Quartal 2019. Entsprechend fehlten sie 2018. Dafür lassen sie nun die aktuellen Bilanzen glänzen.
Ebenfalls mindernd auf das statistische Zahlenwerk 2018 ausgewirkt haben sich die Verwerfungen, die im Zuge der Pleite der Alno AG durch die Branche ruckelten und teils zu Lieferzeiten von 12 Wochen und länger führten. Zwar hätten die führenden Küchenmöbelhersteller den Produktionsausfall des Volumenherstellers Alno (samt Wellmann) mit einem Konzernumsatz von zuletzt rund 500 Mio. Euro gut ausgleichen können – aber eben nicht von heute auf morgen. Und da die AMK-Statistik die Industrieumsätze spiegelt, aber nicht die Auftragseingänge, ist das Jahresergebnis 2018 nun also wie es ist: Leicht unter Vorjahresniveau (vor allem im Inland) und laut AMK dennoch ein Erfolg. Denn: Innerhalb der letzten 10 Jahre konnte die Industrie ihren Umsatz um 70 % steigern.

Weitere Kapazitäten im Bau
Die aktuelle Stagnation der Umsätze liegt wohl auch daran, dass die großen Hersteller teils an ihre Kapazitätsgrenzen gelangt sind. Diese werden aktuell im großen Stil ausgebaut, unter anderem bei nobilia, Häcker und Schüller. Aber auch Hersteller wie Leicht, Rotpunkt und kuhlmann erweitern bzw. modernisieren ihre Produktion. Damit bereiten sich die Unternehmen auch auf die wachsende Bedeutung im Export vor. Mit einem Umsatz von 5 Mrd. Euro war 2018 das zweiterfolgreichste Export-Jahr überhaupt für die Branche. Bezogen auf die Umsätze der Küchenmöbelindustrie konnte der französische Markt seine Bedeutung weiter ausbauen. Die Küchenmöbel-Exporte nach Frankreich stiegen um 9,3 % auf jetzt 514 Mio. Euro. Die Niederlande, der zweitwichtigste Markt für die heimischen Küchenmöbelproduzenten legte im vergangenen Jahr ebenfalls zu: um 2,7 % auf jetzt 288 Mio. Euro. Großbritannien blieb mit 142 Mio. etwa auf Vorjahres-Niveau. China sei der wichtigste Fernabsatzmarkt außerhalb Europas, gefolgt von den USA.

Drei Gründe für den Erfolg
Die grundsätzlich positive Lage für die Industrie mit einer „Kontinuität auf hohem Niveau“ speist sich laut Volker Irle aus drei zentralen Faktoren: 1. Die Nachfrage nach Küchen „Made in Germany“ liegt auf Rekordniveau. 2. Die Endkunden nehmen die Innovationen der Branche an und sind bereit zu investieren. 3. Die grundlegende Stärke der Küchenindustrie.
Wie stark die heimische Küchenindustrie tatsächlich sei, zeige zum Beispiel die vergleichsweise rasch realisierte Kompensation der Alno-Ausfälle. Hinzu kommen die steigenden Anforderungen der Kunden an Funktionalität und Design. Diese erforderten immer individuellere und raffiniertere Lösungen. „Und das wird umgesetzt und angeboten“, betonte der AMK-Geschäftsführer und lenkte damit den Blick auf die nach wie vor kontinuierlich steigenden Kommissionswerte.

7.125 Euro pro Küche im Schnitt
Der durchschnittliche Auftragswert pro Küche liegt in Deutschland laut Martina Sedlmaier von der GfK* inzwischen bei 7.125 Euro. Das sind 228 Euro mehr als im Vorjahr. Ein genauerer Blick in die Statistik zeigt: Mehr als jede zweite Küche (52 %) lassen sich die Verbraucher mehr als 10.000 Euro kosten, jede siebte Küche wird sogar für mehr als 20.000 Euro geplant. Diese Tendenz hin zur Premiumküche sorgt im Handel zwar für eine Erhöhung der durchschnittlichen Auftragswerte, der Verkaufsumsatz in Summe sank laut GfK im Jahr 2018 jedoch um 3,8 %, die Verkaufsmenge sogar um 6,9 %.
Umsatzfördernd wirken Themen wie Energieeffizienz, ökologisches Bewusstsein, Komfort (z. B. einfache Handhabung und Zeitersparnis) und Vernetzung. Wobei Martina Sedlmaier zum Stichwort Connectivity keine absoluten Zahlen für einzelne Produktsegmente vorlegte, sondern allgemein von einer „besonderen Wachstumsdynamik mit hohen Zuwächsen“ sprach. Konkret auf Produktthemen bezogene Wachstumstreiber sind der GfK zufolge Kochfeldabzüge, großvolumige Solitär-Kühlschränke (500 Liter Volumen und mehr), XL Spülmaschinen und Backöfen sowie Öfen mit Reinigungsfunktion (Pyrolyse). Am inländischen Gesamtumsatz für Kochfelder seien die Kochfeldabzüge bereits mit einem Anteil von fast einem Viertel beteiligt. „Und das Thema greift europaweit um sich“, erläuterte die GfK-Expertin.

Es darf etwas mehr sein
Themen wie diese bieten auch die passenden Argumente, die Kunden wie erwähnt zunehmend zu qualitativ hochwertigen Lösungen greifen lassen. Martina Sedlmaier drückt es so aus: „Der Kunde von heute ist anspruchsvoll und investitionsbereit; er kauft weniger, dafür aber mehr Qualität.“ Monika Sedlmaier betonte aber auch, dass dies kein Selbstläufer für Industrie und Handel sei. „Kunden sind an hochwertigen Lösungen interessiert, sie müssen aber aktiv angesprochen und überzeugt werden.“ Die dazugehörige frohe Botschaft für die Werbeverantwortlichen der Küchenbranche hatte sie gleich mit im Gepäck: „Die Konsumlaune in Deutschland ist weiterhin groß.“ Und mit einem Bestand von ca. 15 Mio. Küchen in Deutschland, die älter als 15 Jahre sind, böte auch der Inlandsmarkt noch immer ein großes Potenzial. Die zunehmende Anzahl von Ein- und Zwei-Personenhaushalten und die damit ansteigende Anzahl von Haushalten insgesamt ebenso. (Dirk Biermann)

www.amk.de
www.gfk.de


* Die komplette berufliche Positionsbeschreibung von Martina Sedlmaier lautet so: Senior Director Market Insights Central Europe der GfK Retail and Technologie GmbH, Nürnberg.