04.08.2020

Es ging ein Aufatmen durch die Branche. Die Verbände VDM und AMK hatten prüfen lassen, wie die Möbelbranche mit Corona zurechtkommt. Vergleichsweise robust, so das Fazit der Studie. Doch welche Aussagekraft hat der gemeinsame Blick auf Küchen und Sofas? Das Editorial aus KÜCHENPLANER 7/8 2020.

Dirk Biermann

Auf den ersten Blick keinen, denn das komplexe Produkt Küche ist eine eigene Welt innerhalb des Möbeluniversums. Mit vielen Einzelprodukten, eigenen Lieferketten und ungleichen Unterbranchen. Geräte, Spülen, Armaturen, Steinplatten, Innenausstattungen, Beschläge, Regale, Licht. All das muss mit dem Möbel unter einen Hut gebracht werden. Ein Sofa führt im Vergleich dazu ein überschaubares Dasein.

Entsprechend konnten die Studienergebnisse aus Küchensicht nur hinken. AMK-Geschäftsführer Volker Irle versuchte zwar nach Kräften, die besondere Corona-Situation der Hausgeräteindustrie argumentativ unterzubringen, aber auch seiner Rhetorik sind Grenzen gesetzt. Was keine persönliche Zuschreibung ist, sondern an den Zusammenhängen liegt.

Und doch waren wenige Veranstaltungen in den letzten Wochen sinnvoller als diese Online-Pressekonferenz. Und wohl kaum eine Studie wichtiger als diese. Eine nützliche Momentaufnahme, veröffentlicht im Juli 2020. Wie hat die Branche reagiert? Welche Reaktionen haben bislang getragen? Welche eher nicht? Was lässt sich daraus für die nahe Zukunft ableiten? Der Rückblick Ende des Jahres hätte niemandem genutzt. Jetzt geht es um konkrete Entscheidungen. Dabei wollten sich die Verbände nicht allein auf die eigene Sicht verlassen, sondern holten Experten ins Boot. Für den Blick von außen. Der ist oft hilfreich.

Das, was nutzt, hat durchweg mit Flexibilität zu tun. Also raus aus alten Mustern, die noch Anfang März alternativlos schienen, und hinein ins Homeoffice, in kontaktfreie Schichtwechsel, breiter aufgestellte Lieferantenstrukturen und bewegliche Produktionsabläufe. Erstaunlich wie fix so was gehen kann, wenn ein Umstand wie Corona den Kalk zum Bröckeln bringt.
Einzug gehalten haben soll der Faktor Flexibilität auch in der Kommunikation. „Der Handel hat den Kontakt zum Kunden nie abreißen lassen“, berichtete VDM-Geschäftsführer Jan Kurth von neuen Instrumenten wie der Online-Beratung via Video-Chat. Ob das wirklich flächendeckend so funktioniert hat, bleibt dahingestellt. Aber auch bei diesem Thema zeigt sich, wie flüssig sich Skype, Zoom und Teams verstehen und bedienen lassen, wenn man muss.

Die Küchenplanung ist wie ein Ozeandampfer, der trotz Maschinenstopp unbeeindruckt seinen Weg fortsetzt und erst etliche Kilometer später an Tempo verliert. Was aus Küchensicht die Anfangsphase von Corona extrem abgefedert hat. Jenseits der eiligen „Küche-über-Nacht-Konzepte“ zieht sich ein Planungsprozess schließlich hin, und Dienstleistungen wie Aufmaß und Montage liefen sowieso unterbrechungsfrei. Die spannende Frage ist nun, wann und ob sich das verordnete Bremsmanöver aus dem Frühjahr bemerkbar macht. Manche meinen, dass der Herbst Klarheit schaffen wird.

Und noch was führt uns die VDM-/AMK-Studie vor Augen. Wer der digitalen Kundeninformation nach wie vor die kalte Schulter zeigt, hat jetzt wirklich ein Problem. Kunden recherchieren intensiver und ausdauernder denn je im Netz. Erst nach dieser Phase machen sie Nägel mit Köpfen und ändern den Beziehungsstatus von „Interessent“ auf „Käufer“. Ein Sofa lässt sich dann direkt aus dem Informationsprozess heraus in den Warenkorb verfrachten. Ist ja auch praktisch. Und so einfach: Ein Zucken des Zeigefingers genügt. Diese enge Verzahnung von Information und Kauf funktioniert bei Küchen zwar selten so unmittelbar, dafür aber grundlegend über die lebendige Darstellung von Kompetenz, Kreativität und Service-Verlässlichkeit.

Aspekte wie diese haben schon immer den Weg ins Küchenstudio geebnet. Jetzt aber auf breiterer Basis mit zusätzlichen Chancen. Und das in einem Kommunikationsmix, der persönlich passen sollte. Denn Stimmigkeit und Authentizität sind in der Kommunikation nach wie vor das Maß. Egal ob analog oder digital.

Dirk Biermann


PS: Über die Ergebnisse der VDM-/AMK-Studie und daraus resultierende Einschätzungen berichten wir in der aktuellen Ausgabe auf Seite 24/25