11.12.2008

Die der Deutschen angeblich so eigene Lust an der Krise hat in diesen Wochen Hochkonjunktur. "Wenigstens etwas, was floriert", mag der zynische Zeitgenosse denken, doch mit solcher Art antizyklischen Denkens kommen wir an dieser Stelle nicht weiter. Zumal die gierig-kapitalistischen Auswirkungen der sogenannten Finanzkrise nur die Spitze des Eisbergs sind.

Dirk Biermann, Chefredakteur

Das wahre Drama verbirgt sich in tieferen Schichten und trägt „pisa“-reske Züge. Es ist die Infiltrierung unschuldiger, weil weitestgehend ahnungsloser Kinder mit überholtem Gedankengut einer prä-einbauküchen-historischen Zeit. Unbemerkt von der börsengebeutelten Öffentlichkeit treibt ein Zurück-zum-Buffet-Zirkel sein Unwesen. Die Protagonisten: Ken und Barbie. Der Schauplatz: Überall, wo es Kinderspielzeug zu kaufen gibt.

Die Küchen-Kunden von morgen werden unter dem Deckmantel einer rosaroten Alles-ist-toll-Hauptsache-meine-Frisur-sitzt-Strategie mit einem Küchen- und Geschlechterrollenbild konfrontiert, das unsere Branche in den Grundfesten erschüttern und scheinbar gesunde Unternehmen in den Ruin treiben kann. In diesen Küchenmilieus steht die Frau (Barbie) an Kunststoffmöbelnachbildungen, deren Gestaltung jedem Freilichtmuseumsdirektor den Speichelfluss auf Trab brächte. Kein Hauch von rabattierfähigem Block mit grifflosen Hochglanzfronten, flüsterleiser Designhaube, super-sparsamer Kühlgefrierkombination und geschenktem Geschirrspüler. Stattdessen wahllos aneinandergereihte Module in ergonomiefreien Zonen, in denen der Begriff Barrierefreiheit zum Schimpfwort mutiert. Schubladen lassen sich – wenn überhaupt – nur ruckartig öffnen. Im Unterschrank gibt es eh nur Klappen. Sanft gleitende Bewegungen und gedämpfte Einzüge? Völlige Fehlanzeige. Ebenso wie eine auch nur halbwegs brauchbare Innenausstattung, die etwas Struktur in das Chaos brächte. Und, ha, von Licht in den Möbeln wollen wir an dieser Stelle erst gar nicht beginnen zu reden.
###newpage###

Während sie (Barbie) krumm gebeugt am Herd steht – aber immer noch ausdauernd lächelnd, das muss man ihr lassen – sitzt er (Ken) am Küchentisch und harrt der Dinge. Was wird es geben? Luftschnitzel an Pseudo-Püree? Oder doch wieder nur Illusionseintopf? Hier kochen weder Kerner, noch Lanz, hier herrscht das Patriarchat in seiner ursprünglichsten Form. Millionen und Abermillionen von Euro, die in den Aufbau eines Männerbildes investiert wurden, bei dem sich der Mann in einen anspruchsvolle Küchentechnik liebenden und dauerköchelnden Zeitgenossen evolutioniert, drohen zu verpuffen. Unser Nachwuchs wächst in der wahnhaften Vorstellung unserer Vorfahren heran, dass die Frau unter Rückenqualen zu backen, braten und brutzeln hat, während der Mann auf die liebevoll zubereiteten Resultate seiner Jagd wartet.
Die Herausforderungen, die ein solches Szenario mit sich bringen, verlangen höchste Kreativität und auf Langfristigkeit angelegtes Durchhaltevermögen. Beschlägehersteller sind beispielsweise aufgefordert, die Produktentwicklung bei den Kinderspielzeug-Multis zu unterwandern. Bei der Porsche-designten Männerküche wird es höchste Zeit, einen Bobbycar-Stellplatz zu integrieren, und die Hausgeräteproduzenten müssen endlich begreifen, dass zu jedem zukunftsfähigen Hausgerät Monitor und Joystick gehören.

Auch am Handel geht das Umdenken nicht vorbei: Es kann künftig nicht mehr allein darum gehen, Menschen, die älter als 50 sind, als „Silver-Generation“ zu beschimpfen. Zielgruppe ist die ganze Familie. Vor allem die Jüngsten gilt es, für eine neue Welt jenseits von World of Warcraft zu begeistern. Zum Beispiel mit Erlebnisnachmittagen wie „Verkehrte Welt: Wenn der Mann kocht und die Frau aufs Essen wartet“. Oder „Dampf und Induktion: Die geheimen Waffen des Imperiums“. Oder „Gemüse vom Bio-Hof frisch zubereitet: Geht das?“.

Man könnte natürlich auch einfach bestehende Instrumente nutzen wie den von der AMK initiierten Tag der Küche oder die von Hausgeräteherstellern wie Bosch, Siemens und Miele professionell konzipierten Kochschulkonzepte. Oder sich für eine Küchenmesse in Deutschland stark machen, auf der nicht nur alle Hersteller teilnehmen, sondern neben dem Fachpublikum auch küchenkaufende Menschen mit und ohne Kinder kommen dürfen – also eine Veranstaltung über die Medien aller Art dann ausführlich und zu besten Sendezeiten berichten.
Genügend Stoff zum Nachdenken für besinnliche Weihnachtstage. Diese – und einen ebenso guten wie unfallfreien Rutsch hinein ins Jahr 2009 – wünscht Ihnen im Namen von Verlag und Redaktion
Dirk Biermann, Chefredakteur
www.kuechenplaner-magazin.de
P.S.: Sehen wir uns im Xing-Forum „Branchentreff Küche?“
Sie sind herzlich eingeladen:
https://www.xing.com/net/kueche/