24.06.2008

Montag, 16. Juni 2008. 11.32 Uhr. Es hätte alles so schön sein können. Und so einfach. Ein Sieg gegen die Kroaten im 2. Gruppenspiel der Fußball-Europameisterschaft und Team Deutschland hätte das Match gegen Österreich heute Abend in aller Gelassenheit über sich ergehen lassen können.

Doch mit dem Dreier wurde es nichts. Eigenartig unbeteiligt, fast emotionslos wirkte das kickende Bundespersonal. Jetzt rasselt der Geist von Cordoba mit seinen Ketten, klopft sich den Staub aus den Klamotten und halb Fußball-Deutschland zittert sich tief in die Sofakissen. Werden wir den fürs Weiterkommen dringend benötigten Punkt gegen die auf Weltranglistenplatz 92 rangierenden Nachbarn einfahren können? Selbstvertrauen geht anders. Das steht schon mal fest.Dienstag, 17. Juni, 13.09 Uhr. Es ist geschafft. Ein 1:0 gegen ein starkes österreichisches Team hat gereicht. Dabei hätte Gomez doch schon in der 4. Minute ... egal, tief durchatmen und aufs Viertelfinale vorbereiten.Wenn Sie diese Zeilen lesen, wissen wir längst, wie es ausgegangen ist. Das Viertelfinale, das gesamte Turnier. Die Fußball-Europameisterschaft gehört der Vergangenheit an, die einen lecken ihre Wunden, die anderen stehen noch immer freude- und rauschmitteltrunken im Autocorso-Jubelstau kurz vor Mailand, Madrid, Zagreb, Istanbul, Porto, Amsterdam oder Berlin.Um die Ecke gedacht sind die Parallelen zur Lage der nationalen Küchenbranche verblüffend. Es könnte alles so schön sein. Und so einfach. Hätten wir doch nur weiterhin 600000 Wohnungsneubauten im Jahr wie einst in den 90igern (Sieg gegen Kroatien). Da fluppte der Küchenverkauf doch wie von allein. Neue Wohnung gleich neue Küche – und wo einer umzieht, tun es drei, vier weitere auch. Dynamik in seiner schönsten Form. Da können sich Marketingstrategien aufs morgendliche Aufschließen der Ladentür beschränken (frühzeitiges Erreichen des EM-Viertelfinales).

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Doch es werden keine 600000 neue Wohnungen gebaut anno 2008. Kaum 200000 sind es noch. Überraschend viele der handelnden Akteure aus Industrie, Verband und Handel reagieren darauf geradezu uninspiriert und beschränken sich bevorzugt auf die Beschreibung der misslichen Lage, um im 2. Atemzug die süßen Trauben im Ausland zu preisen. Der inländische Markt, so scheint es manchmal, verkommt zur No-Go-Area. Ähnlich wie das Match Deutschland gegen Österreich den verunsicherten Fußballfans die Sorgenfalten auf die Stirn getrieben hat, scheint mancher Industrie-, Verbands- oder Handelsboss vor dem Heimatmarkt Deutschland zu zittern. 200000 Wohnungsneubauten im Jahr sind wahrlich nicht vergnügungssteuerpflichtig. Andererseits warten sage und schreibe etwa 9 Mio. Küchenräume auf eine bitter nötige Modernisierung. 9 Mio. Küchen, das sind über den Daumen 60 bis 70 Mrd. Euro Handelsumsatz. Eine stolze Summe, für die es sich allemal lohnt, die Situation „von vor 15 Jahren“ endlich loszulassen und sich den aktuellen Herausforderungen zu stellen. Märkte ändern sich. Wer dies nicht akzeptiert und stattdessen verlangt, dass alles beim Alten bleibt, wird’s schwer haben.Eine indianische Weisheit sagt: „Wenn Dein Pferd tot ist, steig ab.“ 200000 Wohnungsneubauten und 9 Mio. erneuerungsbedürftige Küchen sind ein klares Indiz, dass der Inlandsmarkt Deutschland bei Weitem nicht so „tot“ ist, wie er mancherorts beschrieben wird. Er will nur anders bearbeitet werden als früher. Oder um bei den Indianern zu bleiben: Verschnaufpause beenden und wieder rauf aufs Pferd.Dass ein großer baden-württembergischer Küchenmöbelproduzent sich nicht länger allein in Rabattbeilagen der Tageszeitungen sehen will, sondern mit anspruchsvoller Endverbraucheransprache auf die Unverwechselbarkeit seiner Produkte aufmerksam macht, gibt Hoffnung. Das sind Impulse, die der Markt braucht. Je mehr, desto besser.Leidenschaft, Kreativität und der unbedingte Wunsch, ein Ziel zu erreichen, sind nicht nur auf dem Fußballplatz nützliche Eigenschaften. „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.“ Ob dies ebenfalls eine indianische Weisheit ist? Hört sich auf jeden Fall gut an.

Dirk Biermann, Chefredakteur
www.kuechenplaner-magazin.de