07.09.2012

Im Sommer wurden wir Medienkonsumenten zuverlässig mit einer Vielzahl nutzwertiger Tipps erfreut. Was man alles tun darf, wenn man in ferne Länder reist. Und besser bleiben lassen sollte, wenn einem das Wohlbefinden lieb ist.

In Shorts und Bauchfrei-Top bzw. Muskel-Shirt eine Kirche zu besichtigen, stößt nicht nur in Süditalien sauer auf. FKK ist in der Türkei eine schlechte Idee, Steine aus Ägypten mitzunehmen eine ganz schlechte. In Dubai gilt: niemals allein in die Wüste – auch wenn mitteleuropäische Allmachtsfantasien das Gegenteil behaupten. In Spanien mag man es nicht, wenn getrennt bezahlt wird, und in England ist traditionell hilfreich: bei der Begrüßung bloß nie die Wahrheit sagen. Etwas anderes als „Thank you, fine“ wird weder erwartet noch akzeptiert. Ebenso wie in den USA, wo es so viel falsch zu machen gibt wie Lichter am Broadway blinken. Die Vorzüge von „Drink & Drive“ ist einfach kein Diskussionsthema mit dem Sheriff auf der Route 66. Die Aspekte der „Gewaltfreien Kommunikation“ nachts um zwei in Harlem auch nicht.
Hierzulande ist aus Gewohnheit Vieles entspann­ter. Dennoch gibt es natürlich auch hier liebenswerte regionale Exzentrik. In Ostwestfalen zum Beispiel beginnt in wenigen Tagen die Küchenmeile. Auch im Küchen­möbelquadrant mit den Eckpunkten Verl, ­Löhne, Melle und Rödinghausen gibt es für Auswärtige einiges zu beachten und im besten Fall zu verstehen. Das beginnt schon beim Gaststättenbesuch: Wenn in einer Kneipe zwei Menschen an einem Tisch sitzen, an dem Platz für acht ist, sollte dies unter gar keinen Umständen als Einladung missverstanden werden, eine gesellige Runde aufzumachen. Man bleibt halt gern unter sich – und meint das überhaupt nicht unhöflich.
Aber das sind Extrembeispiele, die Journalisten lieben, um ihre Berichterstattung mit zeitgemäßer Dramatik aufzupeppen. Die Realität ist ungleich unkomplizierter. Und so leben auch die Veranstaltungen in Ostwestfalen von ihrer lebendigen Kommunikation. Zu erzählen gibt es wahrlich einiges: Die Verantwortlichen von Alno berichten bestimmt gern, warum das Unternehmen ein zuverlässiger Lieferant und Musterküchenbauer ist. Bei Störmer Küchen dürfte Neu-Gesellschafter Christoph Fughe auskunftsfreudig sein, und bei Poggenpohl lohnt die Frage, wie es mit den Plänen bestellt ist, die Marke in Deutschland wieder mehr Menschen zugänglich zu machen – beziehungsweise deren Geldbörsen. Dies hatte Geschäftsführer Lars Völkel schließlich vor einem Jahr angekün­digt. Bei Electrolux dürfte sich viel um die Neu-Positionierung der Muttermarke im Küchenhandel drehen – und verwunderlich wäre es nicht, wenn einige Händler wissen wollten, warum die Traditionsmarke Juno dafür eingemottet werden musste. Und überhaupt: Wie geht es bei RWK ohne die Kuhlmann-Brüder weiter? Wie ist es um die Jette-Küche bestellt? Wie lieb hat snaidero seine Tochter rational? Was wird hinter den Kulissen von Nolte Küchen nach dem kurzfris­tigen Abgang von Geschäftsführer Hans Hermann Hagelmann alles reorganisiert? Funktionieren die internen Software-Abläufe bei Ballerina wieder tipptopp? Dass bei Teka/Küppersbusch mangels Messepräsenz niemand zur Neupositionierung der Marken in Deutschland persönlich Stellung nehmen kann, ist schade. Das Unternehmen wolle sich ganz auf die ­LivingKitchen im Januar 2013 konzentrieren, heißt es. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.
Fragen über Fragen türmen sich aktuell am Küchen­himmel und beanspruchen ihren Platz im Reisegepäck. Adressaten gäbe es genügend – auch über die Hausausstellungen der Küchenmöbelhersteller und die genannten exemplarischen Beispiele hinaus: Die area30 meldet eine ausgebuchte Halle, das ­house4kitchen und das neue MAZ in Löhne glänzen um die Wette, das Rittergut Böckel ruht in tief verwurzelter Gastlichkeit. Da hilft wohl nur: auf nach Ostwestfalen. Reisen bildet – dafür muss man gar nicht erst nach Dubai, Ägypten oder in die USA. Nach Italien auch nicht.
Eine erkenntnisreiche Messezeit wünscht Ihnen

Dirk Biermann, Chefredakteur
d.biermann@kuechenplaner-magazin.de

 

PS: Besuchen Sie uns auf der area30 in Löhne. Auch der STROBEL VERLAG ist mit seinen Objekten ­KÜCHENPLANER und inwohnen dort präsent.