08.09.2022

Bauvorhaben werden verschoben, Budgets reduziert. Das Küchengeschäft wird bestimmt nicht einfacher. Aber interessanter.

Dirk Biermann, Chefredakteur KÜCHENPLANER online/offline.

Der Herbst wird die Küchenbranche ungewohnt reserviert empfangen. Liefen die Kreissägen der Küchenmöbelproduzenten in den letzten Jahren regelmäßig heiß, dürften die gestiegenen Lebenshaltungskosten zu einer durchgehend spürbaren Abkühlung führen. Darin sind sich alle einig. Die Besinnung aufs eigene Zuhause wird die Einrichtungsbranche zwar weiterhin tragen, aber nicht mehr so frei von Diskussionen wie zuletzt. Wobei es die Marktsegmente unterschiedlich trifft. Der Markteinstieg bis zur Marktmitte dürfte es schwerer haben als die anspruchsvolle Mitte oder gar das Premium. Denn wer mit jedem Euro rechnen muss, verschiebt Investitionen grundsätzlich. Wo hingegen die Liquidität nicht das vordergründige Problem ist, wird gerade wegen der Teuerungsraten das eigene Heim weiter aufgemöbelt. Und bewusst in Werte investiert. In ehrliche, handfeste und natürliche Qualität. Denn wenn rechts und links der Wandel alles durcheinanderbringt, soll zumindest daheim so etwas wie Sicherheit spürbar sein. Vor diesem Hintergrund könnte es für die Fachgeschäfte des Küchenhandels und der Küchenplanung sinnvoll sein, in der Ausstellung exakt solche Materialien verstärkt zu zeigen. Zum Sehen, Anfassen und Spüren. Als Ergänzung zur digitalen Online-Information, die zwar praktisch, vielschichtig und absolut nötig ist, sinnlich betrachtet, aber flach und austauschbar.

So ist trotz einer zu erwartenden Abkühlung branchenübergreifend nicht mit einem schwerwiegenden Einbruch zu rechnen. Die Durchschnittserlöse pro Kommission dürften sogar weiter steigen. Und das nicht nur wegen der durchgereichten Einkaufskosten. Doch auch die Budgets der investitionsbereiten Wertekonsumenten wollen erst einmal erreicht werden. Mit der bedürfnisorientierten Ansprache allein ist es nicht getan. Stattdessen müssen Budgets kreativer betrachtet werden. Zeitlich wie inhaltlich.

Welche Ausstattung sollte von vornherein Bestandteil der Planung sein? Was kann später als „Komfort-Update“ zum Vorzugspreis nachgeschoben werden? Die Innenorganisation von Schubladen und Auszügen bietet sich dafür an. Diese Idee ist nicht neu, könnte aber entstaubt werden. Die Pflege des Kundenkontakts über die Montage hinaus wird damit zur strategischen Umsatzquelle.

Inhaltlich geht es um die Entdeckung neuer Räume über die Küche hinaus. Die Industrie spielt das Motto „Mehr als Küche“ schon seit einigen Jahren, konnte den Handel bislang aber nur bedingt davon überzeugen. Jetzt scheint die Zeit reif dafür zu sein. Mit individueller Umsetzung je nach Interesse und Überzeugung der jeweiligen Planerinnen und Planer: im Übergang zum Wohnen, am Esstisch, im Hauswirtschaftsraum, im Bad und sogar im Ankleidezimmer und der Garderobe. In diesen Räumen geht das Küchenbudget nicht in Konkurrenz. Es sind eigenständige Posten, die neu hinzugewonnen werden können. Mal in einem Rutsch oder zeitlich versetzt. Vorausgesetzt, die Kompetenz wird deutlich.

Unterhalten haben wir uns zu diesem Thema kürzlich mit der Küchenplanerin Suna Arslan aus Bad Salzuflen. Sie hat ein großes persönliches Interesse an einer raumübergreifenden Wohnraumplanung und sagt: „Meine Kunden sind überrascht, wenn sie von mir nach dem Planungsgespräch Zeichnungen über die Küche hinaus bekommen. Auch wenn die Beigaben nicht sofort umgesetzt werden, habe ich einen gedanklichen Anker gesetzt. Frei nach dem Motto: Erst wird die Küche ausgestattet und im zweiten Step vielleicht das Bad, das Gäste-WC, die Garderobe, die Wohnräume, das Licht, die Wandgestaltung oder der Hauswirtschaftsraum. Mal früher, mal später. Dann hat alles eine gestalterische Linie. Das ist für viele Neubauer und Renovierer ein überzeugendes Argument.“

„Mehr als Küche“ zur gelebten Praxis machen – das könnte ein erfolgversprechender Weg sein. Es wird interessant, welche Ideen die Küchenmeile in OWL ab dem 17. September dazu anbietet. Und welche Räume es noch zu erkunden gilt. Das vorliegende Heft ist proppenvoll mit Anregungen, Ankündigungen und Inspiration rund um die wichtigste Branchenmesse des Jahres.

Dirk Biermann

 

Dieser Beitrag ist als Editorial in der Ausgabe KÜCHENPLANER 9/2022 erschienen. Das E-Paper der jeweils aktuellen KÜCHENPLANER-Ausgabe wird zweimal wöchentlich mit dem Newsletter versendet. Hier können Sie den Newsletter bestellen: https://www.kuechenplaner-magazin.de/login/