Tohru und der Tatort
Es gab mal eine Zeit, da war das Wort „Luxus“ geradezu verpönt. Ein Sinnbild für Reichtum, Extravaganz, und ja, auch eine gewisse Form des Hedonismus. Luxus, das musste man sich nicht nur leisten, sondern auch zur Schau stellen wollen. Entsprechend subtil wurde der Begriff umschifft. Dann kam das Internet und mit ihm die Suchmaschinenoptimierung. Und siehe da – die Menschen suchten online nicht etwa adäquat nach Ausdrücken wie „kostbar“ oder „premium“ im Zusammenhang mit ihren Interessen. Sie googelten schlichtweg: Luxus.
Schnell erfuhr der Begriff zugleich eine fast schon philosophische Unterwanderung. Luxus – ist das nicht auch die gemeinsame Zeit, die man mit seinen Lieben fernab aller Hektik verbringt? Werte und Normen, immaterielle Aspekte wie Gesundheit und Komfort – oder ein Synonym für Langlebigkeit, weil gebunden an ein gewisses Qualitätsversprechen?
Luxus bewusst leben
Heute lässt sich die Bezeichnung, auch innerhalb der Küchenbranche, ziemlich gut ergoogeln. Luxus ist gefragt. Von Marken wie Gaggenau wird das ganz bewusst genutzt: Das Unternehmen agiert als „Hersteller luxuriöser Kücheneinbaugeräte“. Das liege allerdings nicht allein am Preis, sagen Marco Tümmler, Geschäftsführer von Gaggenau Hausgeräte, und Karin Stengele, Marketingleiterin für Gaggenau Central Europe. Sondern? „Es hat auch viel mit Exklusivität und Emotionalität zu tun“, erklären die beiden im Gespräch. „Und natürlich mit einem gewissen Lifestyle. Man muss das Thema Luxus wirklich leben. In all seinen Facetten.“
Evolutionärer Schritt
Mit der bewussten Hinwendung zum Luxusbegriff strebt Gaggenau eine neue Markenpositionierung an, die das Profil des Geräteherstellers nochmals deutlich schärfen und sichtbar machen soll. Zugleich will sich das Unternehmen damit nicht nur vom gehobenen Küchenmarkt weiter absetzen, sondern auch von seinen Schwesternmarken bei der BSH.
Vertriebsseitig wurde das bereits Anfang Juli verkündet: Zukünftig soll Gaggenau durch eine eigenständige Markenorganisation gesteuert werden, „um den spezifischen Anforderungen im High-End-Segment zu begegnen“. Während Siemens, Bosch, Neff und Constructa im Mehrmarken-Kanalvertrieb aufgehen, setzt Gaggenau noch stärker als bislang auf seine selektive Vermarktung. Auch das möglicherweise ein subtiles Statement, was Begehrlichkeit weckt: „Luxus ist eben nicht überall erhältlich und zugänglich“, sagt Karin Stengele. Und Marco Tümmler macht klar: „Unser Anspruch ist, evolutionär einen großen Schritt zu machen und dennoch das Gesicht der Marke zu erhalten.“
Neue „Corporate Architecture“
Der Weg, den Münchner Gerätehersteller anstrebt, ist so spannend wie risikoreich. Er lebt von nie dagewesenen Innovationen, die Gaggenau übrigens schon jetzt für die anstehenden Herbstmessen in Ostwestfalen ankündigt – unter anderem im Segment für Weinklimageräte, das neben den beiden neuen Luxuskollektionen „Expressive“ und „Minimalistic“ im house4kitchen im Vordergrund stehen soll.
Viele Investitionen werden zudem nötig sein, um den Anspruch der Marke an sich selbst zu stemmen. Im kommenden Jahr soll ein neuer Showroom in München entstehen, der an die frische „Corporate Architecture“ anknüpft und Gaggenau deutlich zentrierter in der Altstadt positioniert – in bester Lage und Gesellschaft. Gar nicht so einfach, wenn der exklusive Speckgürtel so begrenzt und die Mieten so hoch wie in Münchens Innenstadt sind.
Apropos: Wie viel Markenluxus verträgt eigentlich die Gaggenau-Händlerstruktur in diesen Krisenzeiten, wie fördert das Unternehmen die Identifikation mit seiner Luxusphilosophie – und was haben Sternekoch Tohru Nakamura und der Tatort damit zu tun? Das erzählen uns Marco Tümmler und Karin Stengele. Um es mit den Worten des Luxusgeräteherstellers zu sagen: For those who know.
KÜCHENPLANER: Gaggenau gilt schon jetzt als Luxushersteller im Einbaugeräte-Bereich. Inwiefern soll die Marke dennoch weiterentwickelt werden – und warum?
Karin Stengele: Ich glaube, eine Marke muss sich permanent weiterentwickeln, weil sich ja auch alle Rahmenbedingungen am Markt ständig verändern. Wir wollten uns deshalb auf den Prüfstand stellen. Gerade im Luxussegment geht es ja viel um Details – nicht nur produktseitig, sondern auch im Außenauftritt. Die neuen Backofenserien setzen ein Statement, und das wollen und werden wir auch als Marke tun.
Marco Tümmler: Unser Anspruch an die neuen Geräte war es, evolutionär einen großen Schritt zu machen, aber auch das Gesicht von Gaggenau zu erhalten.
KÜCHENPLANER: Die zwei Bedienknebel der bisherigen Serien Vario 400 und 200 hatten aber schon einen großen Wiedererkennungswert.
Marco Tümmler: Das werden wir auch mit dem neuen Bedienring wieder erwirken. Wir haben den Anspruch, dass ein Gaggenau-Backofen auch aus zwanzig Metern Entfernung erkennbar ist. Zum Beispiel, wenn er im Hintergrund beim „Tatort“ auftaucht. Unsere Backöfen erkennt man sofort – ohne, dass ein Logo sichtbar ist. Wenn das der Fall ist, dann hast du’s doch geschafft.
Karin Stengele: Die neuen Produkte sollen uns jetzt auch über einen längeren Zeitraum tragen. Sie wurden ja allein schon über viele Jahre hinweg entwickelt. Dadurch müssen wir dem aktuellen Zeitgeist auch immer etwas voraus sein. Als Luxusmarke können wir ohnehin nicht Mainstream sein oder „everybody’s darling“. Im Gegenteil – da polarisiert man immer. Aber genau das weckt eben auch Begehrlichkeit.
KÜCHENPLANER: Apropos Begehrlichkeit: Aktuell werden viele Gaggenau-Showrooms weltweit eröffnet, zuletzt unter anderem in Miami, Peking und Sydney.
Karin Stengele: Dafür haben wir eine neue „Corporate Architecture“ entwickelt. Die lehnt sich an unsere bisherige Handschrift an, hat sich aber weiterentwickelt. Anders als im Münchner Showroom haben wir jetzt hellere Farben hinterlegt und ein neues Kooperationskonzept mit exklusiven Partnern. Alles ist wohnlicher gestaltet – weniger Produktpräsentation, mehr Lifestyle. Sie sollen Orte von Erleben und Begegnung sein und damit die zeitlose Eleganz von Gaggenau verkörpern.
Marco Tümmler: 2026 wollen wir damit in die Münchner Innenstadt ziehen. Leider bietet der Altstadtring nur begrenzt Platz für exklusive Locations. Aber wir sind bereits in Verhandlungen. Das muss natürlich perfekt zu uns passen.
KÜCHENPLANER: Gaggenau definiert sich als Luxusmarke. Wie macht sich das außerhalb vom Preis bemerkbar?
Karin Stengele: Das hat zum einen etwas mit Exklusivität zu tun – Luxus ist eben nicht überall zugänglich und auch bei Gaggenau haben wir ja eine selektive Vermarktungsstrategie. Zum anderen sind Emotionen ein wichtiger Punkt. Man muss Luxus einfach in all seinen Facetten leben. Und natürlich hat das auch etwas mit Haptik, Qualität und Langlebigkeit zu tun. Wir geben damit das Versprechen ab, etwas ganz Besonderes anzubieten.
Marco Tümmler: Materialität ist uns wirklich wichtig. Daran dürfen wir nie sparen. Das würde nicht nur unsere Kunden, sondern auch unsere Händler enttäuschen. Und die sind besonders wichtig für uns, weil wir nun mal nur über den Fachhandel vertrieben werden. Wir brauchen Fans unter unseren Händlern.
KÜCHENPLANER: Wie viel Luxus verträgt die Branche denn in der aktuellen Krise?
Marco Tümmler: Eigentlich gehören Krisen ja zum Auf und Ab dazu. Oftmals kam die Küche gut davon, aber dieses Mal haben wir schon zeitig bemerkt, dass es das Luxussegment auch betrifft. Die Kunden haben schlichtweg weniger Lust, sich etwas Neues zu gönnen – oder sie wägen ab, welche große Investition sie zuerst tätigen. Wir kennen lange Vorlaufzeiten aber aus unserem Tagesgeschäft. Daher werden wir nicht nervös, wenn wir mal ein paar Geräte weniger verkaufen. Das darf man auch nicht machen bei so einer Marke. Wichtig ist nur, dass es perspektivisch auch wieder bergauf geht – und das tut es ja. Insofern muss man das auch mal aussitzen können.
KÜCHENPLANER: Also haben Sie nicht daran gedacht, den Launch der neuen Serien „Expressive“ und „Minimalistic“ zu verschieben?
Marco Tümmler: Nein, nie. Diese positiven Impulse tun der Branche gut. Und in einer Zeit, in der alle auf den Preis eintrommeln, haben wir uns eben entschlossen, uns nach oben zu bewegen. Wichtig ist in dieser Phase, global gut aufgestellt zu sein und damit temporäre Schwächen von einem Markt mit einem anderen ausgleichen zu können. Und das gelingt uns gerade sehr gut bei Gaggenau.
KÜCHENPLANER: Wie sieht es denn auf dem Weltmarkt aus?
Marco Tümmler: Vor allem Asien und Nordamerika laufen aktuell überdurchschnittlich gut. Da bedienen wir überwiegend das Projektgeschäft, während unser Geschäft in Deutschland nahezu komplett über den klassischen Küchenfachhandel läuft.
Karin Stengele: Wenn man auf den dortigen Märkten unsere Zielgruppe analysiert, also die sogenannten „High Networth Individuals“, die mehr als eine Million Dollar liquide Mittel haben, dann ist das Potenzial dort wirklich riesig. Wir schauen uns natürlich auch anderweitig um. Indien ist beispielsweise ein sehr vielversprechender Markt für die Zukunft.
KÜCHENPLANER: Warum wird Gaggenau nun hierzulande aus der bisherigen Vertriebsstruktur der BSH gelöst?
Marco Tümmler: Das müssen wir tun, um unserem Luxusanspruch gerecht zu werden. Dafür brauchen wir jetzt und künftig umso mehr Mitarbeiter im Vertrieb, die sich ausschließlich auf Gaggenau konzentrieren und sich um diese Marke kümmern können. Da geht es nicht nur ums Produkt, sondern um viel mehr – Designtrends, Architektur, Kulinarik, Winzer. Und man sollte auch andere Interior-Marken kennen, die ebenfalls im Luxussegment etabliert sind, zum Beispiel Occhio, Walter Knoll oder Thonet. Als Vertriebsmensch bist du immer ein Kümmerer, aber bei Gaggenau musst du zusätzlich zur Technik auch über den Lifestyle Bescheid wissen. Das erwarten unsere Händler.
KÜCHENPLANER: Stichwort „wissen“ – der Satz „For those who know“ prägt die derzeitigen Markenkampagnen von Gaggenau. Wer genau ist denn die Zielgruppe?
Karin Stengele: Wir haben zwei Zielgruppen definiert; die „Cultural Connaisseurs“ und die „Mighty Connectors“. Ein „Cultural Connaisseur“ eignet sich beispielsweise ganz tiefes Fachwissen an in einem Bereich – hinsichtlich Kulinarik, Design, Architektur oder auch Kunst. Und das verbindet ihn auch mit Gaggenau, weil wir ja – trotz aller Markenbekanntheit – viel weniger präsent sind als ein Marktführer. Wir möchten künftig aber zugleich eine jüngere Zielgruppe ansprechen, weil wir merken, dass heute deutlich früher ein Interesse im Leben der Menschen an Luxus besteht, als das noch vor Jahren der Fall war. Die Leute kommen über Start-Ups schneller zu einem Vermögen. Oder weil sie erben. Und sie haben eine große Affinität zu Marken.
Marco Tümmler: Diesen Zielgruppen muss man produktseitig schon etwas bieten. In Löhne präsentieren wir unsere neuen Kältegeräte der Serie Expressive. Damit verlassen wir auch die bisherige Klassifizierung der Serien Vario 400 und 200, weil das unterschwellig immer eine Wertung mit sich gebracht hat. Die neuen Backöfen sind aber komplett gleich – nur eben mit und ohne Rahmen. Skulptural oder minimalistisch. Und so wird das bei den Kühlschränken ebenfalls sein. Die wirken sogar eher wie ein Möbelstück.
KÜCHENPLANER: Wie wird die noch exklusivere Markenpositionierung von Gaggenau im Handel gespielt?
Marco Tümmler: Wir hatten dieses Jahr bereits eine große Trainingsoffensive laufen und haben 160 Händlerinnen und Händler an unserem französischen Produktionsstandort in Lipsheim geschult. Da ging es auch viel um Luxusvermarktung, um Emotionen und Verkaufspsychologie im Beratungsgespräch. Zugleich haben unsere Partner gesehen, wie viel Handarbeit noch in der Produktion unserer Geräte steckt. Diese Trainings werden wir fortsetzen, unter anderem auch am Standort Löhne für den Norden. Und dann gibt es natürlich noch regionale Genussevents, die wir mit unseren Handelspartnern gemeinsam umsetzen.
KÜCHENPLANER: Euer Markenbotschafter ist Tohru Nakamura, der erst kürzlich seinen 3. Michelin-Stern erkocht hat.
Karin Stengele: Wir freuen uns sehr für ihn. Und wir haben immer daran geglaubt! Tatsächlich begleiten wir Tohru Nakamura schon seit seinem ersten Stern. Er passt sehr gut zu unserer Markenphilosophie, weil Gaggenau ja seit jeher Innovationen aus dem Profibereich auf die private Küche übertragen hat.
Susanne Maerzke