05.11.2019

Miele will jedes Jahr 5% an Umsatz zulegen. Das hat sich das Unternehmen selbst verordnet. Um das trotz schwieriger Rahmenbedingungen zu realisieren, kündigte das Unternehmen umfangreiche Umstrukturierungen zur Kostensenkung an. Stellen werden gestrichen, neue geschaffen. Hart trifft es den Hauptsitz in Gütersloh.

Die Geschäftsleitung der Miele Gruppe (Foto von links): Dr. Stefan Breit (Technik), Dr. Reinhard Zinkann (Geschäftsführender Gesellschafter), Olaf Bartsch (Finanzen und Hauptverwaltung), Dr. Markus Miele (Geschäftsführender Gesellschafter) sowie Dr. Axel Kniehl (Marketing und Vertrieb). Foto: Miele

„120 Jahre nach seiner Gründung stellt sich Miele grundlegend neu auf. Ziel ist, die führende Marktposition im Premiumsegment der Haus- und Gewerbegeräte weiter auszubauen und zugleich die Wirtschaftlichkeit der gesamten Miele Gruppe nachhaltig zu sichern.“ So beginnt eine Pressemitteilung aus Gütersloh, die seit einigen Tagen bundesweit für Wirbel sorgt. Denn diese Neuaufstellung ist mit deutlichen Einsparungen bei den laufenden Kosten verbunden und berührt damit auch die Personalsituation. Bis Ende 2021 sollen weltweit rund 1070 Stellen entfallen, davon etwa 240 in Deutschland mit Schwerpunkt Gütersloh. Aktuell beschäftigt der Konzern weltweit 20.200 Mitarbeiter und erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2018/19 einen Umsatz von 4,16 Mrd. Euro. Über die Rendite gibt das Unternehmen keine Auskunft.
Charakteristische Bausteine der jetzt veröffentlichten Pläne sind so genannte „Business Units“, die neu geschaffen werden. Zudem soll der weltweite Vertrieb „schlagkräftig“ zugeschnitten, ein neuer Standort für das digitale Marketing gefunden und neue Geschäftsfelder erschlossen werden.

Tiefgreifende Veränderungen
Miele ist in den letzten fünf Jahren um mehr als 30% beim Umsatz gewachsen und hat die Zahl seiner Mitarbeiter um rund 17% gesteigert. Auch nach dem ersten Quartal des laufenden Geschäftsjahres stehen die Zeichen einer Mitteilung zufolge auf Wachstum. Gleichzeitig seien jedoch auch tiefgreifende Veränderungen des Marktes und der Kundengewohnheiten Rechnung zu tragen, die die gesamte Branche vor große Herausforderungen stellen, heißt es weiter.
Dringenden Handlungsbedarf sieht das Unternehmen hinsichtlich der rasant gewachsenen Bedeutung der digitalen Kanäle und mobilen Devices für die Informations- und Kommunikationsgewohnheiten der Kunden. Damit verbunden seien aber auch enorme Chancen. Hinzu kämen in der Rubrik Herausforderungen „die immer preisaggressiveren Marktauftritte asiatischer Konzerne“. In wichtigen Märkten sei zudem die Konjunktur deutlich eingetrübt. Auslöser hierfür seien die bekannten geopolitischen Konflikte und Risiken, deren Ende nicht absehbar sei.
In diesem veränderten Umfeld will der Hausgeräte-Konzern weiterhin auf die Kraft seiner Marke setzen mit den bekannten Ansprüchen an Qualität und Innovation. Hinzu kommt ein stärkerer Fokus auf neue Geschäftsfelder sowie auf das Tempo und die Flexibilität bei der Entwicklung neuer Geräte und Services. Gleichzeitig stellt sich das Unternehmen in Administration und Vermarktung wachstumsorientierter auf, will in allen Bereichen seine Prozesse optimieren und so auch zusätzliche Spielräume bei den Kosten und Preisen gewinnen. „Die damit verbundenen Herausforderungen und Chancen werden aus einer Position der Stärke und mit dem notwendigen Nachdruck in Angriff genommen“, heißt es.

Unternehmerisches Denken stärken
Um für die gesamte Miele Gruppe die Potenziale für mehr Wachstum und Kosteneffizienz zu identifizieren und daraus konkrete Maßnahmen abzuleiten, hatte Miele vor einem Jahr sein Programm Design2Excellence (D2E) gestartet. Die Kernergebnisse formuliert das Unternehmen so:

  • „Um unternehmerische Verantwortung innerhalb der Organisation zu stärken, soll das operative Geschäft in acht Business Units gebündelt werden. Deren Leitung hat jeweils die volle Entscheidungskompetenz für ihre Wertschöpfungskette. Sie ist der Geschäftsleitung gegenüber für Umsatz, Kosten und Ergebnis verantwortlich. Dies stärkt die Führungskräfte und verkürzt Abstimmungs- und Entscheidungswege. Bei den Gewerbegeräten und in der Medizintechnik ist außerdem geplant, die direkte Verantwortung für den weltweiten Vertrieb und Service von den Vertriebsgesellschaften der Länder auf die Business Unit zu übertragen.
  • Die Business Unit „New Growth Factory“ soll eigens dafür geschaffen werden, neue Geschäftsfelder zu identifizieren. Ziel ist, sich über das heutige Stammgeschäft hinaus substanziell breiter aufzustellen und so neue Erlösquellen zu erschließen.
  • Um die Potenziale der Märkte bestmöglich auszuschöpfen und regionale Synergien zu fördern, ordnet Miele seine weltweiten Vertriebsstrukturen neu. Zum Beispiel werden China, USA und Kanada künftig direkt an die Geschäftsleitung angebunden.
  • Zum weiteren Ausbau der Digitalkompetenz im Marketing und im Vertrieb sollen digitales Marketing, E-Commerce und Digital Analytics in einem neuen Bereich zusammengefasst werden. Der neue „Digital Hub Marketing & Sales“ der Miele Gruppe soll in Amsterdam errichtet werden.
  • Für die Finanzierung der notwendigen Zukunftsinvestitionen und zur nachhaltigen Sicherung der Wirtschaftlichkeit sollen rund 190 Millionen Euro pro Jahr eingespart werden, einschließlich der schon länger laufenden und bewährten Programme zur kontinuierlichen Verbesserung der Produktivität und im Einkauf. Realisiert wird diese Summe überwiegend bei den Sachkosten, jedoch sind auch im Personalbereich Reduzierungen unumgänglich. Dies gilt etwa für den Abbau von Parallelstrukturen und für länderübergreifendes Bündeln von Kräften in Vertrieb, Service, Logistik, IT und bei Standardtätigkeiten im Finanzbereich.
  • Im Ergebnis können bis Ende 2021 in Deutschland etwa 240 Arbeitsplätze entfallen, und zwar vornehmlich am Standort Gütersloh (Hauptverwaltung, Vertriebsgesellschaft Deutschland). Außerhalb Deutschlands können rund 830 Arbeitsplätze betroffen sein.“

Die Geschäftsleitung sei sich der Tatsache bewusst, „dass diese Einschnitte für die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von großer Tragweite sind“. Daher werde man alles daransetzen, verantwortungsvolle und sozialverträgliche Lösungen zu finden, die im Einklang mit den Werten des Unternehmens stünden. Ziel sei, betriebsbedingte Kündigungen, wo eben möglich, zu vermeiden. Zum weiteren Vorgehen beginnen zeitnah ausführliche Gespräche mit den Betriebsräten.“

Arbeitsplätze entstehen an anderer Stelle
An anderen Stellen soll es einen Aufbau von etwa 470 Arbeitsplätzen geben; laut Miele zur Stärkung der Digitalkompetenz, für neue Geschäftsfelder und bei weiteren Standorten für die länderübergreifende Unterstützung. Fortgesetzt werden soll zudem das Produktivitätsprogramm „MWS 4.0“. Mit den hier zu erzielenden „Effizienzvorteilen“ lassen sich laut Unternehmen Renteneintritte und Stückzahlwachstum mit der bestehenden Belegschaft bewältigen. Über alle Werke erspare dies eine mittlere dreistellige Zahl an Neueinstellungen. Parallel läuft im Unternehmen auch das Programm „Wäschepflege 2025“, in dessen Rahmen sich das Gütersloher Waschmaschinenwerk („Werk GTG“) auf das Zusammenspiel mit dem neuen Werk im polnischen Ksawerów vorbereitet. Im Werk GTG sollen rund 650 Arbeitsplätze abgebaut werden, dies aber erst bis Ende 2025.

„Ein Kraftakt fürs Unternehmen“
„Die Umsetzung der geplanten Veränderungen wird ein Kraftakt, der nur mit der Unterstützung und dem Vertrauen der Belegschaft gelingt“, lassen sich die beiden Geschäftsführenden Gesellschafter Dr. Markus Miele und Dr. Reinhard Zinkann in einer Mitteilung zitieren. Aber die Anstrengungen würden sich lohnen, heißt es weiter, „denn damit leisten wir alle zusammen einen entscheidenden Beitrag zur nachhaltigen Sicherung von Miele als das gesunde, starke und unabhängige Familienunternehmen, das es heute ist“. Miele und Zinkann führen die Miele Gruppe gleichberechtigt mit den drei familienunabhängigen Geschäftsführern Olaf Bartsch (Finanzen/Hauptverwaltung), Dr. Stefan Breit (Technik) und Dr. Axel Kniehl (Marketing/Vertrieb).

www.miele.de