27.10.2022

Loblied auf eine robuste Branche

Weniger Einnahmen, höhere Kosten und die Stimmung der Kundschaft ist im Keller. Die Aussichten könnten besser sein. Doch die komplizierte Lage trifft auf eine gut aufgestellte Branche.

Dirk Biermann, Chefredakteur KÜCHENPLANER online/offline

Die letzten Wochen waren verwirrend wie lange nicht. Schien das Küchengeschäft gestern noch wie immun gegen äußere Einflüsse, ist das Rätselraten heute groß. Wie wird es weitergehen? Wo soll das alles hinführen? Das mit der Inflation, den rasant angestiegenen Energiepreisen, dem Putin, der allumfassenden Verunsicherung. Ein großes Bangen hat das Land erfasst und ist dabei, in den Spalten und Ritzen unserer von Sorgen überfluteten Erwartungen zu überwintern. Auch die Gespräche auf der Küchenmeile im September waren davon geprägt. „Die Stimmung ist besser als die Lage“, hieß es oft. Manchmal begleitet von wissenden Blicken, die nichts und alles sagen konnten, aber auch keine Orientierung boten. Gleichzeitig sprühte der Optimismus in einer Intensität, die selbst für den messetypischen Hang zum Gutelaunegebot ungewöhnlich war. Verwirrend, in der der Tat.

Es hilft kein Drumrumreden und keine Schönfärberei. Die Situation für Industrie und Handel hat sich grundlegend geändert. Einerseits hat sich die durch Corona ohnehin labile Kostenstruktur verschärft, andererseits werden Investitionen von den Kunden gerade doppelt und dreifach geprüft, Spontankäufe reduziert oder ganz eingestellt. Je nach Budgetmöglichkeiten. Verpufft sind auch tragende Effekte, für die „die ­Küche“ in den letzten Jahren im Grunde nichts tun musste, von denen sie aber lange Zeit profitierte. Bauboom, Reisezurückhaltung, Wohnlust. Vom Lockdown-V im Frühjahr 2020 abgesehen war die Nachfrage über viele Jahre derart erfreulich, dass selbst die oft gescholtene Rabattwerbung kaum Schaden anrichten konnte. Es war schlicht egal, ob die Mehrwertsteuer verschenkt wurde oder eine 30-Prozent-auf-wirklich-alles-Aktion die nächste ablöste. Die Kunden kauften auch ohne diese „Anreize“. In der Küche fast mehr als manch einer schultern konnte.

Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere zeigt eine im Kern gut aufgestellte Branche. Aus Industriesicht haben viele Unternehmen in den letzten Jahren erfolgreich an ihrer Zukunftsfähigkeit gearbeitet. Immer tragfähigere Exportstrukturen wurden etabliert und so der Vertrieb auf eine breitere Basis gestellt. Im Inland steigt der Wert pro Kommission beständig. Was auch auf das Konto der Küchenverbände geht, die sich längst nicht mehr allein auf gute Einkaufskonditionen konzentrieren. Sie bieten ihren Mitgliedern und Gesellschaftern tragfähige Konzepte und umfassende Unterstützung. Im Digitalen und im täglichen Geschäft, in der Betriebsführung, im Marketing und im Ladenbau. Alles in allem hat das den Stellenwert der Ausstattung auf ein völlig neues Niveau gehoben. Die Küche ist Lebensgefühl mit begeisternder Funktion. Immer mehr Menschen ist das etwas wert.

Und sie können aus dem Vollen schöpfen. Denn die Sortimente der Küchenmöbelindustrie beeindrucken. Jenseits des eintönigen Brot-und-Butter-Geschäfts im Einstieg verstehen die aktuellen Kollektionen mit designorientierter Serienreife zu glänzen. Dabei bieten sie viel Raum für individuellen Ausdruck. Natürlich gibt es immer wieder Themen, die sich scheinbar überall wiederfinden, doch das ändert nichts am grundlegenden Eindruck. Die heimischen Küchenmöbelhersteller als tragende Protagonisten des Gesamtprodukts Einbauküche machen einen durchdachten Job. In der Küche und darüber hinaus in der gesamten Raumplanung. Dabei profitieren sie von kompetenten Partnern aus den Bereichen Möbeltechnik, Oberflächen, Geräte, Wasserplatz und Zubehör.

Die Lage mag unübersichtlich und ungewiss sein. Ernst und in Teilen richtig schwierig. Aber sie trifft auf eine in Summe gut vorbereitete und robuste Branche, die durch die umsatzstarken letzten Jahre zudem finanzielle Reserven aufgebaut haben dürfte. Jetzt heißt es, diese Stärken weiter zu fördern. Mit den äußeren Faktoren einen Umgang zu finden, auf Kooperationen zu setzen, statt Einzelschicksal zu spielen, es zu nehmen, wie es kommt, und das Beste daraus zu machen.

Dirk Biermann
Chefredakteur KÜCHENPLANER online/offline

 

Dieser Beitrag ist als Editorial in KÜCHENPLANER 10/11 2022 erschienen. Das gedruckte Heft wird am 5. November ausgeliefert, das E-Paper gibt es auf yumpu.com.

https://www.yumpu.com/de/document/read/67337293/kuechenplaner-10-11-2022