27.04.2023

Das Homeoffice ist gekommen, um zu bleiben. Für immer mehr Mitarbeitende in den Büros wird das Arbeiten daheim zum Teil des Alltags. Das fordert eine Strategie. Für Einrichter und wegen der Gesundheit.

Für die Integration des Homeoffice-Arbeitsplatz in das Wohnumfeld (inklusive Schlafzimmer) bieten sich auch Schränke mit Falttüren an. Das Unternehmen Hettich hat dafür aktuell den Faltschiebetürbeschlag „WingLine L“ überarbeitet. Damit lässt sich ein Homeoffice-Schrank (rechts) ohne Bodenführungsschiene realisieren. Nach getaner Arbeit wird der Bürostuhl unter die Platte des höhenverstellbaren Schreibtischs verstaut. Foto: Biermann

Wilhelm Bulling, Hettich Marketing: „Bewusstsein für die professionelle Ausstattung des Homeoffice-Arbeitsplatzes schaffen.“ Foto: Biermann

Ganz neu ist die Idee nicht. Schon vor Corona arbeiteten Menschen sporadisch am heimischen Schreibtisch statt im Büro. In der Corona-Pandemie wurde aus der Option eine Notwendigkeit. Das hat sich zwar wieder relativiert, aber auf hohem Niveau: Zahlreiche Unternehmen setzen weiterhin auf die flexible Wahl des Arbeitsortes. Womit sich auch Firmen jenseits der Ballungszentren zunehmend für neue Fachkräfte attraktiv machen. Was viele Arbeitnehmer wiederum schätzen, weil sich die Work-Life-Balance ausgeglichener gestalten lässt, zeitraubende Fahrten zur Arbeitsstätte entfallen und manche Tätigkeiten im Homeoffice mit mehr Ruhe und damit effektiver erledigt werden können.
Doch vielerorts ist die Ausstattung im Homeoffice weit entfernt von einem professionellen Arbeitsplatz. Ein nicht näher geregeltes „Mobile Working“ bestimmt die Tagesordnung. Mit Rahmenbedingungen, die das betriebliche Gesundheitswesen längst glaubt, überwunden zu haben. Aspekte wie Ergonomie, Arbeitsplatzbeleuchtung und Datensicherheit müssen sich an die neue Realität anpassen. Denn es ist ein großer Unterschied, ob ab und an betriebliche Mails am Laptop gecheckt und beantwortet werden oder ob sich ein Großteil des kompletten Arbeitsalltags zu Hause abspielt.

Häufige Schattenseiten
Wie kann also ein stimmiges Homeoffice genau aussehen? Worauf sollte geachtet werden? Wie lässt sich ein Arbeitsplatz in das Wohnumfeld integrieren? Und wer setzt es um? Fragen wie diese standen beim Fachforum „Homeoffice der Zukunft“ im Mittelpunkt. Durchgeführt wurde es Ende November vergangenen Jahres vom Furniture Club in Zusammenarbeit mit Hettich und tischler.NRW. Rund 40 Teilnehmende konnten die Initiatoren im Hettich Showroom in Vlotho begrüßen, darunter Objektausstatter, Innenarchitekten und Mitarbeiter von Tischlereibetrieben. In einem Aspekt waren sich alle einig: Die verlängerte Küchenarbeitsplatte oder womöglich das Sofa sind zum Arbeiten nicht geeignet. Diese oberflächlichen Bilder gilt es zügig aus den Köpfen zu verbannen. Damit die gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht noch weiter fortschreiten als ohnehin. Denn Befragungen und Studien zeigen inzwischen die Schattenseiten des mobilen Arbeitens, wie Wilhelm Bulling vom Hettich Marketing berichtet. So habe eine aktuelle Befragung des Büromöbelherstellers Aeris ergeben, dass sich Zweidrittel der rund 1.000 Befragten durch das Arbeiten im Homeoffice gesundheitlich beeinträchtigt fühlen. Und dabei geht es nicht allein um Rückprobleme und Muskelschmerzen durch ungeeignetes Mobiliar, sondern oft um psychische Beeinträchtigungen.

Licht schafft Wohlbefinden
Wie Experten beim Fachforum in Vorträgen erläuterten, hat die Beleuchtung große Auswirkungen auf das Wohlbefinden. Im optimalen Fall wechselt die Lichtfarbe am Arbeitsplatz im Tagesverlauf variabel mit den biologischen Arbeitsrhythmen: Höhere Blauanteile in den Morgen- und Mittagsstunden und zunehmend warmweißes Licht am Nachmittag und Richtung Feierabend. Eine solche „biodynamische Beleuchtung“ lässt sich mit der passenden Beleuchtungstechnologie automatisieren. Oder manuell umsetzen durch die Regelung der Lichtfarbe an der Schreibtischleuchte. Man muss nur dran denken.

Stehen stärkt den Kreislauf
Ein weiterer wichtiger Gesundheitsaspekt am Arbeitsplatz ist seit jeher die Ergonomie. Ausschließlich im Sitzen zu arbeiten, gilt längst als Tabu. Höhenverstellbare Schreibtische für ein Wechsel von Sitzen und Stehen sind in modernen Unternehmen Standard und sollten auch die Tätigkeiten in den heimischen vier Wänden begleiten. Denn das stärkt Kreislauf und Muskulatur und fördert die Sauerstoffversorgung des Gehirns. „Ein kleiner Klapptisch reicht einfach nicht“, bringt Wilhelm Bulling diese Ausstattungsfrage auf den Punkt.
Was ähnlich für den komplexen Bereich der Daten- und Dokumentensicherheit gilt. Wohin mit den Ausdrucken der aktuellen Vertriebsstatistiken? Den Planungszahlen für die Produktion oder dem Firmenlaptop nach Feierabend? Dafür braucht es abschließbare Schubladen und Schränke.

Multifunktionale Möbel gefragt
Die Professionalisierung der häuslichen Arbeitsumgebung steht erst am Anfang. So geht es für Beschlägespezialist Hettich aktuell darum, mit Möbelherstellern über diese Themen ins Gespräch zu kommen und Bewusstsein zu schaffen. Dabei engagiert sich das Unternehmen auch als Ideengeber. Denn die Bandbreite an Bedürfnissen ist groß. Ein Homeoffice in einer Altbauwohnung in City-Lage unterscheidet sich von den Gegebenheiten einer ländlichen Umgebung allein schon von den räumlichen Möglichkeiten. Arbeitnehmer mit Kindern wiederum haben andere Notwendigkeiten als Singles im Einpersonenhaushalt. Dennoch gibt es grundsätzliche Überschneidungen, wie Wilhelm Bulling erläutert: „Gefragt sind für jeden Einsatz multifunktionale Möbel, die sich harmonisch in das Wohnumfeld integrieren lassen und dabei Standards von Ergonomie und Beleuchtung berücksichtigen. Ebenso wie verschließbare Ablagefächer und Anschlüsse für die zahlreichen Geräte.“ Und letztlich muss auch eine ganz praktische Frage beantwortet werden: Wohin mit dem Bürostuhl nach getaner Arbeit? Denn ein separater Raum für den heimischen Arbeitsplatz ist für den Großteil der Daheimarbeitenden ein Wunschtraum.

Ins Wohnumfeld integrieren
Stellt sich abschließend die Frage, wer die Integration des Homeoffice-Arbeitsplatzes für die Kunden umsetzt. Küchenplaner und Küchenplanerinnen haben die dafür die nötige Expertise und die Lieferanten zunehmend mehr Produktlösungen. Bei der Planung muss aber räumlich über die Grenzen der Küche hinausgedacht werden. Denn wie die Praktiker des Fachforums berichteten, ist der unruhige Küchenbereich meist nicht die erste Wahl. Vor allem, wenn mehrere Personen im Haushalt leben. Was aber nicht ausschließt, dass die individuelle Umsetzung des Homeoffice-Arbeitsplatzes im Küchenfachhandel geplant wird. „Mehr als Küche“ ist ohnehin der neue, branchenübergreifende Leitspruch in Zeiten ineinander wachsender Lebensbereiche.

Dirk Biermann