Bock auf Küchen
Wagenfeld ist einer dieser Orte, wie es sie in Deutschland abseits der Metropolen zuhauf gibt. 7.000 Einwohner, viel Gegend. Der Ort liegt etwas nördlich der Küchenhochburg Ostwestfalen-Lippe, dort, wo die Landschaft vom Wiehengebirge in die norddeutsche Tiefebene fließt. Nach Bremen sind es etwas mehr als eine Autostunde. Richtung Süden, nach Bielefeld, auch. Vor 10 Jahren eröffnete dort das Küchenstudio „Küchenlounge Wagenfeld“. Im Grunde ein gewagtes Unterfangen. Denn mit zwei alteingesessenen Küchenverkaufsstellen, einem größeren Studio und einer auf Küchen spezialisierten Schreinerei, waren Ort und Umgebung gut versorgt. Doch die beiden Gründer Markus Schlottmann und Maik Stoppelberg waren schon damals keine Greenhorns, sondern als Küchenplaner bekannt und geschätzt. Durch ihre langjährigen Tätigkeiten für ein Küchenstudio in der Nähe und später für einen kleineren Möbelvollsortimenter. Beide sind gelernte Möbeltischler und kennen sich schon seit mehr als 20 Jahren. Sie wissen, was die Leute in der Gegend wollen und welche Sprache sie sprechen. Heimatverbunden und echt.
Was sollte schon schiefgehen?
Im Dezember 2014 entschieden die beiden, dass es an der Zeit sei, „eine Selbstständigkeit in Betracht zu ziehen“. Deutlich spürbar war der Frust mit dem Angestelltendasein, nach wie vor groß die Freude an dem, was sie taten. Das fachliche Startkapital: Gespür für die Kundschaft und eine breit aufgestellte Mischung aus Planungs-, Verkaufs- und Montageerfahrung. Inklusive eines Faibles für Trockenbau, was sich später noch auszahlen sollte. Hinzu kamen Einsatzfreude und Mut. Wobei – was sollte schon schiefgehen? Es gab schließlich eine ausgefeilte Strategie: „Küchenkauf muss Bock machen.“ Das ist das Credo der beiden Küchenprofis. Und damit fahren sie bestens. „Wir sind positiv bekloppt“, ergänzt Maik Stoppelberg die Unternehmensphilosophie. Was wertschätzend gemeint nicht von der Hand zu weisen ist: Die ersten öffentlichen Werbeauftritte zeigten die beiden in giftgrünen Ganzkörperkostümen. Die Supermänner aus Wagenfeld. Gewagt, aber die Aufmerksamkeit für das junge Unternehmen war da.
Kein Palast, aber groß und günstig
Doch warum gerade Wagenfeld? Nicht, dass es hier nicht schön ist. Doch beide wohnen mit ihren jeweiligen Familien an unterschiedlichen Orten rund 20 Kilometer entfernt und der infrage kommende Kundenkreis für ein weiteres Küchenstudio ist überschaubar. „Weil es dort eine bezahlbare Immobilie gab“, sagt Markus Schlottmann trocken. Kein Palast, räumt er ein, eher ein in die Jahre gekommener Sonderpostenmarkt. Aber verkehrsgünstig gelegen, passend groß und eben günstig. So wurde nicht lange gefackelt. Alte Sofas und anderes Mobiliar landeten auf dem Sperrmüll und das komplette Gebäude wurde auf links gedreht. Kernsanierung. Von den 1.300 Quadratmetern Gesamtfläche werden 700 für die Ausstellung genutzt, je 300 für Lager und Büros.
Keine Expansion um jeden Preis
14 Leute arbeiten heute in der Küchenlounge Wagenfeld. Neben den beiden Chefs sind das Fachleute für den Verkauf, fürs Kaufmännische und die Montage. Drei Montageteams in Festanstellung sind durchgehend im Einsatz. Spitzen werden mit externen Profis abgedeckt. Aber das wird eher selten in Anspruch genommen. Denn Markus Schlottmann und Maik Stoppelberg sind sich einig, dass alles gut ist, wie es jetzt gerade ist. Der Laden läuft, ernährt Chefs und Angestellte und macht allen Spaß. Denn das war ein weiterer Grund für den Sprung in die Selbstständigkeit: „Wir haben selbst erlebt, wie man nicht mit Menschen umgehen sollte, das wollten wir besser machen.“ In der Küchenlounge sind sie Arbeitgeber mit Teamspirit. Und ergänzen sich dabei gut. Sie fordern Einsatz, geben aber auch viel zurück. Und die Arbeit wird beherrschbar dosiert. Bei aller Notwendigkeit, wirtschaftlich erfolgreich zu sein. In diesem Jahr (Stand Mitte August 2025) sind gerade noch vier Montagetermine offen. Dennoch steht Expansion nicht auf dem Zettel. Keine weiteren Montageteams, keine weitere Filiale. Man will ja den Spaß an der Arbeit behalten.
Gute Aktionen wirken nach
Wie sich dies in der Praxis ausdrückt, kann in voller Lebendigkeit auf Facebook und Insta verfolgt werden. Dort ist die Küchenlounge rege unterwegs. Wenngleich sich Markus Schlottmann in seiner Rolle als federführender Content Creator inzwischen professionelle Hilfe holt. „Allein war das nicht mehr zu stemmen“, erzählt er von zu vielen Zusatzstunden nach einem geselligen Studio-Event. Wodurch die Inhalte aber nicht an Qualität eingebüßt haben. Auf den Kanälen wird spürbar, wie „die von der Küchenlounge“ ticken: nahbar, unverstellt und zugänglich. Echte Typen. So wie es auf den Videos aus dem Ausstellungszelt vom Wagenfelder Markt zu sehen ist. „Dort haben wir keine Küche gezeigt, sondern Live-Musik gespielt und einen Cocktail-Mixer mitgebracht“, sagt Maik Stoppelberg. Die Wagenfelder feierten bis tief in die Nacht. Die Sache mit der neuen Küche wurde später geregelt. Gute Aktionen bleiben im Gedächtnis.
Zwischen Genie und Wahnsinn
Beispiele wie diese gäbe es viele zu berichten. Von der „Ladys & Men“-Night über diverse Kochsessions samt gemeinsamen Verkostungen am sechs Meter langen Massivholztisch bis zur Teilnahme am Wettbewerb „Deutschland kocht“, bei dem Vanessa, die Kandidatin der Küchenlounge, das Ticket für die Finalteilnahme auf der IFA in Berlin buchen konnte. Was diese Events und Sonderaktionen prägt, ist laut Selbsteinschätzung „der Grat zwischen Genie und Wahnsinn“. Das mündet auch schon mal in der Idee, Toilettenpapier mit dem Konterfei der beiden Firmenchefs zu bedrucken. Man nimmt sich halt selbst nicht so ernst. Für die wachsende Fangemeinde gibt es inzwischen sogar einen Online-Shop, über den zahlreiche Merchandising-Produkte geordert werden können. Sonnenbrillen, Sweatshirts, Badelatschen und massive Holzschneidbretter. Und etwa 196 weitere Artikel – allesamt mit dem Küchenlounge-Logo veredelt. Persönliche Nähe kennt viele Wege.
Namhafte Ausstatter
Die vielfältigen Aktionen rechts und links neben dem Hauptgeschäft dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass in der Küchenlounge Wagenfeld in erster Linie professionell Küchen verkauft werden; allerdings stets mit einer Prise Humor. Im Kern wird mit Möbeln von Ballerina, nobilia oder Häcker geplant und mit Geräten von Bosch, Bora, Liebherr und V-Zug. Beim Zubehör stehen Naber und Vogt an erster Stelle, bei Spülen und Armaturen Blanco, Schock, systemceram und hansgrohe. Quooker und Blanco Choice besetzen das Terrain der Wassersysteme, und bei Arbeitsplatten arbeitet das Team mit einem örtlichen Steinmetzbetrieb (oft mit Platten von Caesarstone) sowie mit Strasser. Wenn es um Massivholzprodukte geht, ist Wagner & Schönherr erste Wahl. Diese Zusammenstellung verdeutlicht, dass sich die Planungen aus Wagenfeld nicht an der unteren Ebene der Preisskala bewegen. Sie brechen aber auch keine Luxusrekorde. Im Schnitt läuft es auf Kommissionen von etwa 20.000 Euro hinaus. Wobei höher natürlich immer geht.
Ungesehen in den Verkauf kommt in der Küchenlounge aber nichts. Vorab wird getestet und geprüft. „Wir verkaufen am liebsten Produkte, von denen wir selbst überzeugt sind“, erklärt Markus Schlottmann. Einige Industriepartner suchen sogar gezielt das Feedback zu geplanten Neuheiten. Und das, obwohl sie mit allem rechnen müssen. Oder vielleicht gerade deshalb: „Wir haben keine Scheu, ehrlich zu sein. Deshalb schätzen viele Hersteller unsere Kritik – positiv wie auch negativ.“
Luxus der langen Leine
Seit der Gründung vor zehn Jahren hat sich die Zahl der Ausstellungsküchen von 20 auf jetzt 14 reduziert und der Durchschnittspreis pro Kommission mehr als verdoppelt. Und das, obwohl Maik Stoppelberg und Markus Schlottmann sich und den Kunden den „Luxus der langen Leine“ gönnen. „Wir bedrängen unsere Kunden nicht und geben ihnen auch nicht das Gefühl, dass sie etwas kaufen müssen“, verdeutlichen sie die Strategie, die im Grunde keine ist. Oder irgendwie doch. Frei nach der Überzeugung: „Küchenkauf darf auch Spaß machen.“ Da sind sich die beiden einig: „Unsere Kunden sollen die Küche kaufen, weil sie Bock drauf haben, und nicht, weil sie müssen.“ Ein Kunde kommentierte diese Grundhaltung kürzlich so: „Ihr seid nicht die Billigsten, aber es hat Spaß mit euch gemacht – und wir haben trotzdem gekauft.“ So lieben sie es in Wagenfeld am allermeisten. #geiler laden: Im Grunde ganz simpel.
Dirk Biermann