15.09.2020

Die Küchenmesse im September ist wie eine gute alte Bekannte mit Familienanschluss. Man hat sie lieb gewonnen über die Jahre. In Zeiten von Corona fühlt sie sich fremd an. Und aufregend zugleich. Das Editorial aus KÜCHENPLANER 9/2020.

Dirk Biermann, Chefredakteur KÜCHENPLANER.

Und dann kam Corona: So heißt es in diesen Tagen in Texten wie diesen und an Stellen wie diesen immer häufiger. Ja, das passt auch in diesem Fall. Und dann kam Corona und hat die Küchenbranche vor die Frage gestellt, wie sie mit ihren Messen im Herbst umgehen will.
Grundsätzliche Entscheidungen sind längst gefallen und kommuniziert. Viele Küchenmöbelhersteller machen auf Grundlage ausgefeilter Hygienekonzepte auf. Die meisten begleitenden Ausstellungszentren lassen zu. Eine der Ausnahmen ist die von LEICHT Küchen initiierte Architekturwerkstatt in Löhne. Vor einigen Wochen habe ich mich mit Stefan Waldenmaier, Vorstand des Küchenmöbelherstellers, darüber unterhalten. Und ihn direkt gefragt: Warum machen Sie das in Zeiten von Corona? Seine Antworten sind nachvollziehbar. Im Kern sagt er: „Was sollen wir machen? Die Geschäfte müssen weitergehen. Und das tun sie im Markt auch. Wir müssen grundsätzlich einen Umgang finden mit einem Virus, von dem wir nicht wissen, wie lange er unser Leben bestimmen wird.“ Natürlich steht auch für Stefan Waldenmaier die Gesundheit von Mitarbeitern und Besuchern an erster Stelle, und leicht gemacht hat er sich die Entscheidung nicht. Wie wohl niemand in der Branche, gleich ob es auf „Open“ oder „Closed“ hinauslief. Im Interview sagte Stefan Waldenmaier zu seiner persönlichen Einschätzung: „Vorsicht, Rücksicht, die Hygieneregeln maximal beachten – und dann schauen, dass man den Umgang mit dem Virus geregelt bekommt.“

Natürlich kann die Betrachtung der Situation zu anderen Entscheidungen führen. Auch diese sind nachvollziehbar. Und doch führt wohl kein Weg daran vorbei, sich in Bezug auf künftige Messen grundsätzliche Gedanken zum Umgang mit dem Coronavirus zu machen. Denn dass die Pandemie in wenigen Monaten Geschichte ist, am besten pünktlich zur LivingKitchen im Januar oder spätestens zum Nachholtermin der Eurocucina im April, ist ein naiver Wunsch.

Dann eben alle ins Internet? Die Pandemie hat der Welt einen Digitalisierungsschub verschafft und in der Folge Dinge realisiert, die gestern noch wie Star Treck anmuteten. Dazu zählen digitale Präsentationsformen. In einem beeindruckenden Tempo wurden in der Küchenbranche solche virtuellen Plattformen erstellt. Die technischen Möglichkeiten sind enorm: mit der Kombination von 360°-Rundgängen, Live-Streams, Videos, Chat-Funktionen, Fotos und Texten. Doch so beeindruckend das alles sein mag, in der Wirkung hat die Technik Grenzen. Die digitale Kommunikation ist kein Selbstzweck. Sie kann helfen, ein Ziel zu erreichen, das Ziel selbst ist sie noch nicht.

Denn auch auf den digitalen Messeplattformen geht es um die stimmige Kommunikation von Sender und Empfänger. Und dass der Sender von Botschaften überhaupt genügend aufmerksame Empfänger um sich versammeln kann. Bei aller persönlichen Begeisterung frage ich mich: Wie viele Stunden mag man sich durch die Vielzahl digitaler Angebote klicken? Wir sitzen doch ohnehin schon gefühlt viel zu lange vor Monitoren und Displays. Das wird eine spannende Auswertung. Und hoffentlich eine transparente.

Dirk Biermann