18.06.2019

Der Hausgerätemarkt ächzt und stöhnt und lässt bewährte Marken um ihren Einfluss ringen. Geräte mit Premiumlabel zu Aktionspreisen erhöhen den Druck, parallel verteilt der Erfolg der Muldenlüfter den Umsatz im lukrativen Geschäft mit Kochfeldern neu. Hinzu kommen neue, ambitionierte Akteure. Allen voran Haier.

Dirk Biermann

„Haier will hoch hinaus und nimmt die Marktführerschaft ins Visier. Erst in Deutschland, dann in Europa.“ Das ist eine von diesen Meldungen der vergangenen Wochen, die mehr als einen flüchtigen Blick verdienen. Es gibt manche in der Branche, die den Expansionsplänen des chinesischen Konzerns ungewöhnlich gelassen begegnen. Was ihnen unter anderen Umständen meist gar nicht so ähnelt, doch in diesem Fall schwingt als Unterbotschaft mit: „Ja, ja, das haben andere aus Fernost auch schon versucht.“ Einschätzungen wie diese lassen fachspezifische Buchstabenfolgen durch die Nervenzellen des Stammhirns surren. Panasonic zum Beispiel. Und LG.

Panasonic, der renommierte Technologiekonzern aus Japan, hat kürzlich kleinbeigegeben und das Kapitel „Einbaugerätegeschäft in Deutschland“ geschlossen. Nach nicht ganz vier Jahren. Trotz wahrnehmbarer Investitionsbereitschaft, bemerkenswerten technischen Lösungen und personell fundierter Marktexpertise. Ähnlich ambitioniert wollte der südkoreanische LG-Konzern vor einigen Jahren den Einbaugerätemarkt in Deutschland aufrollen. Oder der US-Multi Whirlpool: international eine ganz große Nummer, aber hierzulande mit der Muttermarke bevorzugt als Ikea-Erstausrüster auffällig. Selbst Samsung dürfte sich trotz der gemeldeten positiven Entwicklung im Einbaugerätegeschäft (die hier ausdrücklich erwähnt sein soll) wohl mehr von der Strahlkraft des Namens versprochen haben. Vor allem deutlich schnellere Ergebnisse.

Und jetzt Haier. Was soll das chinesische Unternehmen haben, was andere nicht haben? Oder offensichtlich zu wenig haben oder zu geben bereit sind, um im lukrativen deutschen Markt Fuß zu fassen? Die Antwort klingt profan: Geld. Sehr viel Geld. Und die Bereitschaft es einzusetzen. Und dazu ein Selbstverständnis, das auf der Stärke eines Weltmarktführers basiert und schier mit Händen zu greifen ist. Doch genügt das, um damit beim Fachhandel zu punkten? Denn wollen wir realistisch sein: Mit den großen stationären Ketten und den Idealos dieser Welt mag man schnell mit Menge glänzen, aber nur bedingt mit Profitabilität. Auch wenn es mancherorts eine arg verstaubte Schublade sein mag: eine ansprechende Marge verspricht eher der Fachhandel. Zumal das gestiegene Qualitätsdenken der Konsumenten den Spezialisten im Markt einen Energieschub beschert. „Weniger Menge, mehr Wert“, resümierte kürzlich die GfK. Während der Fachhandel davon an vielen Stellen profitiert, schaut die mengenfixierte Großfläche in die Röhre und ruiniert die Branchenstatistik.

Doch Haier denkt im großen Stil und hat mit seinen drei Marken alle im Blick. Die Ketten, die Online-Marktplätze, den Fachhandel. Und selbst die Industrie! So teilte Thomas ­Wittling, Geschäftsführer von Haier in Deutschland, vor einigen Wochen mit Fachjournalisten Ideen zu möglichen Kooperationsmöglichkeiten. Sich bei einem auf Blockvermarktung spezialisierten Küchenmöbelhersteller ins Programm einzukaufen, wäre keine Überraschung. Doch Thomas Wittling deutete an, dass auch der Kauf eines Küchenmöbelherstellers seinen Reiz habe. Haier hätte kurzfristig einen wahrnehmbaren Marktanteil – und der Küchenmöbelhersteller einen exklusiven Zugang zum chinesischen Markt. Win-win sagt man dazu.

Gedankenspiele wie diese lassen Spekulationen ins Kraut schießen. Wen könnte Haier mit viel Geld ködern wollen und können? Hersteller mit einem klangvollen Namen aber vergleichsweise übersichtlichem Umsatz bringen den chinesischen Hausgerätekonzern auf den Weg an die Spitze nicht weiter. Es müsste schon einer der europäischen Mengen-Marktführer sein. Nolte, Häcker, Schüller, Schmidt, bauformat oder gar nobilia? Unvorstellbar. Doch wer weiß das schon.

Im internationalen Fußball ist oft von „Schmerzgrenze“ die Rede, wenn exorbitant hohe Ablösesummen selbst die überzeugtesten Widersacher einer ausufernden Kommerzialisierung schwach werden lassen. Wie viel ist der schnelle Markterfolg der globalen Nr. 1 Haier wohl wert? Wer steigt darauf ein? Oder könnte auch ein Einkaufsverband mit ansprechenden Außenumsätzen hilfreich sein? Wie gesagt: Alles Spekulation.


Dirk Biermann
Was meinen Sie?
meinemeinung@kuechenplaner-magazin.de


Dieser Text erscheint als Editorial der Ausgabe KP 6/6 2018. Die Ausgabe erscheint in der Printversion Ende Juni und als E-Paper einige Tage zuvor.



x