07.08.2015

Das journalistische Sommerloch hatte gerade die Cocktails angerührt, den Sonnenstuhl zurechtgeruckelt und die Füße hochgelegt, da platzte die Nachricht aus Rödinghausen herein. „Häcker Küchen startet Komplettvermarktung mit Miele Hausgeräten“ lautete der Titel einer Pressemitteilung.

Dirk Biermann, Chefredakteur KÜCHENPLANER. Foto: Peter Ostermann

Da sich einige in der Branche ohnehin gerade so ihre Gedanken machen, ob die Vermarktung von Geräten und Möbeln aus einer Hand eher Fluch oder Segen ist, kam diese Meldung gerade recht. Und wurde sogar getoppt. Nur vier Tage später meldete sich Miele selbst und teilte mit, dass man nicht nur Häcker beliefern wird sondern auch Marktführer Nobilia. Zur Küchenmeile A30 im September geht’s los.
Diese Doppelnachricht stieß auf Resonanz. Es rauschte im Blätterwald und surrte im Netz. Auch auf der Facebook-Seite des KÜCHENPLANERs gab es deutliche Reaktionen. „Ob die sich damit einen Gefallen tun?“ wurde gefragt und „Ob es Miele jetzt nötig hat, sich an die breite Masse zu verkaufen?“ Und überhaupt: „Was ist mit den kleinen Küchenstudios und Einzelhändlern?“ Unter dem Strich waren die Stimmen eher unterkühlt und kritisch.
Doch was ist eigentlich genau passiert? Miele macht ab September das, was viele Wettbewerber längst tun – von Siemens über AEG und Bosch bis Bauknecht, Beko und Gorenje. Sie erschließen sich einen weiteren Vertriebskanal über die Küchenmöbelindustrie. Die wiederum sucht ohnehin verstärkt die Nähe zu den Geräteherstellern, weil der Umsatzanteil des Holzes seit Jahren sinkt. Insofern ist die aktuelle Nachricht sicher kein Präzedenzfall.

Andererseits: Miele ist keine x-beliebige Elektromarke in Deutschland. Wer von einer derart stabilen und loyalen Anhängerschaft profitiert wie die Gütersloher, muss damit rechnen, dass Entscheidungen wie die Installation eines Amazon-Shops (trotz Preisstabilität), der kürzlich kommunizierte Abschied von den Service-Centern in den Regionen oder der nun vollzogene Einstieg in die Blockvermarktung die Kunden in Wallung bringen. Für viele Händler und Kunden in Deutschland gehört die Marke irgendwie zur Familie. Doch nun scheint Tante Miele fremdzugehen. Das irritiert überzeugte Fans und für manchen fühlt es sich an, als sei eine Bastion gefallen.

Um nicht in den Verdacht zu geraten, in den Status eines Allkanalanbieters in Ramschlaune gerutscht zu sein, betont das Unternehmen, sich bei den neuen Kooperationen „strikt im Rahmen des selektiven Vertriebssystems zu bewegen“. Auf ergänzende Nachfrage heißt es: „Der Verkauf der Küchenblöcke an den Endkunden erfolgt ausschließlich über autorisierte „Classic“-Fachhandelspartner; eine Blockvermarktung von Miele-Geräten etwa über Möbel-Discounter oder SB-Warenhäuser wird es nicht geben.“ Und in einer weiteren Passage: „Gegenstand der Kooperationen sind jeweils ausgewählte Modelle aus sämtlichen Produktgruppen, vom Backofen über den Dampfgarer und Kaffeevollautomaten bis hin zur Wärmeschublade. Da sich die Blockvermarktung an eher preisorientierte Käufergruppen richtet, werden vorwiegend 2000er-Geräte oder Einstiegsgeräte der Generation 6000 (PureLine) einbezogen.“ Dabei handele es sich durchweg um Modelle aus dem regulären Sortiment, „abgespeckte Linien“ oder sonstige Sondermodelle soll es „definitiv nicht geben“. Um welche Geräte es sich konkret handelt, wird allerdings erst zur Küchenmeile bekanntgegeben.

Betrachten wir den Fall einmal aus einer weiteren Perspektive, muss man im Grunde den Hut vor Miele ziehen. Das Unternehmen ist in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen und ist weltweit ein Synonym für Premium „Made in Germany“. Als Qualitätsanbieter rund um Produkt, Service, Vertrieb, Kundendienst und Markenpflege. Gleichzeitig haben es die Verantwortlichen verstanden, parallel zum mitunter rüden globalen Vertriebsalltag das Image des gemütlichen und verlässlichen Familienunternehmens aus der westfälischen Provinz zu wahren. Das muss man erst mal hinkriegen. Dabei ist das Unternehmen längst nicht mehr die idyllisch anmutende Manufaktur aus Zeiten, als Waschmaschinen noch mit Drehkurbeln betrieben wurden und Männer mit Schirmmützen Fahrradrahmen zusammenschweißten.
Im Grunde geht es darum Abschied zu nehmen. Nicht von der Marke selbstverständlich, sondern von der Illusion einer von äußeren Einflüssen verschonten Bullerbü-Welt, die direkt hinter dem Ortseingangsschild von Gütersloh beginnt. Miele ist ein weltumspannender Konzern mit 3,22 Mrd. Euro Umsatz (Geschäftsjahr 2013/14) und einer Exportquote von 70 %. Die Marke hat sich beständiges Wachstum auf die Fahnen geschrieben und entsprechende Kapazitäten aufgebaut. Wie alle anderen Anbieter ab einer gewissen Größe gilt es nun, diese Kapazitäten auszulasten und die produzierten Waren zu verkaufen. Jeder seriöse Vertriebskanal wird dafür genutzt. Muss sogar genutzt werden, damit das Geschäftsmodell nicht ins Wanken gerät, denn die Konkurrenz wird mehr, potenter und erfindungsreicher. Die Faktoren „Wachstum“ und „Profit“ bestimmen den Geschäftsalltag.

Miele in der Blockvermarktung wirkt für viele Händler in Deutschland befremdlich. Das ist aus emotionalen Gründen nachvollziehbar. Das Unternehmen dafür über Gebühr zu kritisieren, geht jedoch zu weit. Miele ist nach wie vor ein äußerst respektabler Hersteller mit einem Qualitätsanspruch, der Maßstäbe setzt. Das gilt für die Sozial- und Nachhaltigkeitsstandards ebenso. Wer einmal eins der Entwicklungs- und Testlabore, die Fertigung oder das Werk Electronic besichtigt hat, wird dies bestätigen. Der regelmäßige pro-aktive und praxisorientierte Austausch mit den Kundendienstmonteuren gilt als vorbildlich.

Absehbar ist aber auch, dass die Fachhändler sehr genau beobachten werden, ob die selektive Vermarktung weiterhin eingehalten wird. Für so viel kritische Aufmerksamkeit braucht es sicher kein Sommerloch, meint

Dirk Biermann, Chefredakteur
d.biermann@kuechenplaner-magazin.de

Dieser Beitrag ist als Editorial in der Ausgabe KÜCHENPLANER 7/8 2015 erschienen.