02.10.2014

Das hätten sich die Väter der Küchenmöbelindustrie auch nicht träumen lassen: Dass ihre Position einmal so ins Wanken geraten könnte. Jahrzehntelang bestimmten die Holzfachkräfte der Branche, was die bundesdeutsche Küche ausmacht. Geräte, Spülen und Armaturen schön und gut. Aber sich als Küchenmöbelhersteller im großen Stil Gedanken darüber zu machen? Oder gar über Beschläge, Innenausstattungen oder Lichtkonzepte zu sprechen? Absurd.

Heute sind viele Küchen Weiß oder anders hell und die Möbler kommen in Erklärungsnot. Denn im Holzprodukt unterscheiden sich die Hersteller wenig voneinander. Jedenfalls rein optisch betrachtet. Eine helle, bevorzugt grifflose Front scheint so austauschbar wie eine DIN-normierte EU-Gurke. Und für die meisten privaten Küchenkäufer ähnlich spannend – auch wenn die Fachwelt dies natürlich zu Recht völlig anders sieht.
Die Küchenmöbelhersteller setzt diese Entwicklung gleich mehrfach unter Druck. Einerseits müssen sie mit viel finanziellem Aufwand die organisatorischen Abläufe optimieren, um wirtschaftlich zu bleiben und nicht gegen einen anderen, einen Hauch günstigeren Weiße-Fronten-Lieferanten ausgetauscht zu werden. Andererseits müssen sie die Aktivitäten der unter dem Sammelbegriff „Zulieferer“ agierenden Geräte-, Spülen-, Beschläge- und sonstigen Lieferanten im Blick behalten. Denn dass sich die Umsatzkoordinaten innerhalb der Küchenplanung verschoben haben, ist nicht wegzudiskutieren. Lautete die Faustregel früher zuverlässig „60% Holz, 40% Geräte“, beläuft sich der Holzanteil heute nur noch auf ca. 40%. Wobei der Löwenanteil von 60% nicht mehr allein in Gerätedimensionen gedacht wird. Die Faktoren „Zubehör“ und „Schrankausstattung“ legen eine steile Karriere hin. Denn der Zeitgeist hat die Individualität geadelt, und dieser Anspruch braucht kreativen Input. Mit weißen, grifflosen Fronten allein ist dem nicht beizukommen.
Nicht umsonst favorisieren die Großen der Küchenmöbelbranche das Blockgeschäft, das heißt die gemeinsame Vermarktung von allem, was Küche ausmacht. nobilia sei längst auch ein „respektabler Elektrogerätehändler“, sagte Vorstandsvorsitzender Dr. Günter Scheipermeier jüngst. Und auch die Kollegen beispielsweise von Schüller, Nolte, Alno oder Bauformat setzen aufs Kombipack. Gern ausgestattet mit sogenannten Exklusivmarken aus den Geräteschmieden von Electrolux, Whirlpool oder der BSH. So wie aktuell Häcker. Der Hersteller aus Rödinghausen will mit dem renommierten Namen Blaupunkt sein Blockgeschäft weiter stärken. Produziert wird bei der BSH. Derzeit werden etwa 50% der in Deutschland verkauften Küchen im Block abgerechnet. Im Ausland ist dieser Anteil übrigens deutlich geringer, hier muss man sich an diese eigentümliche Idee aus Deutschland erst noch gewöhnen.
Die Blockvermarktung hat für Küchenmöbelhersteller zweifellos ihren Reiz, in Monokultur ausgelebt kann es indes kniffelig werden. Denn Küchenkäufer erhalten immer weniger identitätstiftende Markenorientierung, und irgendwann regiert nur noch der Preis. Wie die Rabattprospekte der Großfläche dann aussehen? Man mag es sich gar nicht vorstellen.
Küchenmöbelhersteller stehen unter Druck. Unternehmen wie Habemat (2007), Ebke (2008), Cristini (2009), E+K (2010), Klostermann (2011) und Brinkmeier (2013) sind bereits Opfer dieser Entwicklung, aktuell kämpfen weitere Hersteller um ihre Existenz. Auch wenn dies natürlich so lange wie möglich geheim bleiben muss und erst der Insolvenzgang zum Amtsgericht die unliebsame Öffentlichkeit auf den Plan ruft. So wie Ende Juli bei RWK Küchen aus Enger. Ob bzw. wie genau es dort weitergeht, war zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch offen.
Erzeugt wird der Druck auf die Küchenmöbelhersteller nicht allein durch die Umverteilung der Umsatzanteile Richtung Geräte  und Zubehör., sondern auch von innen durch die investitionsfähigen Kollegen. Unternehmen wie nobilia, Schüller, Häcker oder Leicht legen aktuell eine beeindruckende Dynamik an den Tag und setzen die Messlatte hoch hinsichtlich Vermarktungs-, Produkt- und/oder Servicequalität. Nolte Küchen sieht im Vergleich zu seinem bisherigen Marktauftritt ebenso Entwicklungspotenzial und will künftig in drei Produktlinien denken: Damit die Kunden noch zielgruppengenauer beliefert werden können. Geschäftsführer Andreas Kuipers übt sich zwar in Geheimniskrämerei und will vor der Hausmesse partout keine Details verraten, doch lässt er sich mit einem bemerkenswerten Satz zitieren: „Wir wollen Nolte Küchen auf die nächste Stufe führen – vom Hersteller von Qualitätsprodukten hin zu einer inspirierenden Qualitätsmarke.“ Das würde den Vätern der Küchenmöbelindustrie sicher gut gefallen,  meint

 
Dirk Biermann, Chefredakteur
d.biermann@kuechenplaner-magazin.de

PS: Der KÜCHENPLANER steht diesmal auf dem Kopf. Zumindest teilweise. Denn die umfangreichen Vorberichte zur Küchenmeile A30 und den angeschlossenen Fachmessen haben wir in einem separaten Teil konzentriert. Einfach wenden, drehen und es kann losgehen. Lassen Sie sich inspirieren.