02.09.2013

Unter welchen Voraussetzungen wird Design zum Motor wirtschaftlicher Entwicklung? Wie kann die Technologie Design unterstützen? Zukunftsweisende Fragen wie diese beleuchtet das Forschungsprojekt „kitchen miles and more“. Konkret gemünzt auf die Küchenmöbelindustrie. „Praxisnähe“, betont der Leiter des Projekts, Prof. Martin Beeh von der Hochschule Ostwestfalen-Lippe, „ist dabei oberstes Gebot.“

„kitchen miles and more“ verzahnt die Kompetenzen von Hochschule und Küchenindustrie. Mit diesem Anspruch ging das Projekt vor gut eineinhalb Jahren an den Start; Laufzeit: drei Jahre. „Damit haben wir zwar Halbzeit“, sagt Projektleiter Prof. Martin Beeh, „aber keine Pause.“ Denn mit dem Designmanagement Symposium 2013 am 9. Oktober steht eine wichtige Veranstaltung vor der Tür. Laut Prof. Beeh bündelt diese Tagung die prägenden Ergebnisse der bisherigen Veranstaltungen. Also eine Art Jahreshauptversammlung des Projekts, wie es die Wissenschaftliche Projekt-Mitarbeiterin ­Christine Naumann (aktuell im Mutterschutz) einmal ausdrückte. Mit Hochdruck arbeiten Prof. Beeh und die aktuelle wissenschaftliche Mitarbeiterin, Anna-Katharina Spielvogel, nun an der Organisation der tagesfüllenden Veranstaltung, die hochkarätige Referenten aus Forschung und Industrie an die Hochschule in Lemgo führen wird. Inhaltliche Klammer: „Mensch und Technologie“.

Oberfläche im Fokus
Auch wenn der Begriff Halbzeitpause nicht recht zutreffen mag, lohnt eine klassische Zwischenbilanz. Unter dem Dach von „kitchen miles and more“ ging es bislang um Themen wie „Design und Marke“, „Design und Material“, „Farbdesign in der Praxis“ und „Licht in der Welt des Wandels“. Alle diese Netzwerkabende und Workshops fanden im vergangenen Jahr statt. Ebenso wie das Designmanagement-Symposium 2012 mit dem Titel „Marke - Mensch – Technologie“. In diesem Jahr haben zwei Netzwerkabende das Programm fortgesetzt. Und zwar zu den Themen „Design und Oberfläche“ und „Mythos Endkunde – näher dran am wirklichen Entscheider“. Hinzu kamen die Workshops „Spurensuche im Alltag – von Nutzerbedürfnissen zu Innovation“ und „Szenariotechniken – Zukunftschancen erkennen und gestalten“. Über die drei letztgenannten Themen berichten wir an anderer Stelle in dieser Ausgabe.
Auf besonderes Interesse stoßen laut Prof. Beeh, Veranstaltungen zu den Themen „Material und Oberflächen“ sowie „Trendaussichten“. So verfolgten im März 2013 rund 70 Zuhörer in den Räumen des Küchenmöbelherstellers Pronorm die Ausführungen von Gerd Ohlhauser zu den Zusammenhängen von „Design und Oberfläche“. „Das war bislang unsere am besten besuchte Veranstaltung“, berichtet der Projektleiter. Ein Netzwerkabend dauert in der Regel rund zwei bis drei Stunden – je nach Gesprächsinteresse der Teilnehmer und deren Lust am „Netzwerken“.
Bei den Oberflächenthemen gehe es im Kern übrigens weniger darum, welche konkrete Farbe nächstes Jahr modern sein wird, sondern zusätzlich um die konstruktive Verbindung von Technologie und Design. Sprich um die betriebswirtschaftlich bedeutsame Frage: „Wie kann ich eine ästhetisch anspruchsvolle Oberfläche rentabel produzieren und profitabel verkaufen?“

Alle profitieren
Das Konzept von „kitchen miles and more“ basiert auf der engen Verflechtung von Hochschule und Praxis. Die inhaltlichen Erfolge dieser Zusammenarbeit spüren alle Beteiligte. Einerseits erfahren die Studierenden der Hochschule frühzeitig, was in der Praxis wirklich gefordert ist und welche Anforderungen dort auf sie warten, andererseits profitieren die Unternehmen der Küchenmöbelindustrie von der wissenschaftlichen Forschungsarbeit und lernen motivierte Nachwuchskräfte besser kennen. In Zeiten des allgegenwärtigen Fachkräftemangels ein nicht zu unterschätzender Aspekt. Hinzu kommt die konkrete organisatorische Leistung der Projektmitarbeiter. Denn die Vorbereitung und Durchführung von Netzwerkabenden, Workshops und vor allem den Symposien binden viel Arbeitskraft, die die einzelnen Firmen allein so niemals aufbringen könnten.
Zusammenfassend gesagt: „kitchen miles and more“ bringt Forscher, Praktiker und Experten zusammen, um der Küchenmöbelindustrie zukunftsfähige Wege aufzuzeigen sowie den studierenden Nachwuchs optimale Startchancen ins Berufsleben zu ebnen.

Anregungen geben, aber nicht beraten
In der Projektbeschreibung liest sich das so: „Wir unterstützen Unternehmen der deutschen Küchenmöbel-Industrie im operativen Designmanagement. Im Projekt werden Designaktivitäten und Zielmärkte der teilnehmenden Unternehmen umfassend analysiert, Einblicke in andere Branchen gewonnen, Kontakte zu Hochschulen und Institutionen der Designförderung hergestellt sowie Workshops zur stetigen Auseinandersetzung mit dem Thema des operativen Designmanagements und zur konkreten Umsetzung veranstaltet.“ Prof. Martin Beeh bringt diese etwas abstrakt wirkende Formulierung auf den Punkt: „Wir regen an und wir geben Impulse, zum Beispiel in offenen oder unternehmensspezifischen Workshops – in die konkrete Beratungsarbeit gehen wir aber nicht.“ Auch wenn sich aus dem praktischen Tun selbstverständlich vertrauensvolle Einzelgespräche entwickeln können, stehe die Grundlagenarbeit für die Mitglieder der Gemeinschaft zu 100% im Mittelpunkt. Was auch nötig ist, denn maßgeblich getragen wird das Projekt von der Marketinggemeinschaft „Küchenmeile A30“, also von einer Vereinigung von Unternehmen, die im operativen Geschäft konkurrieren. Über den Anteil der Marketinggemeinschaft hinaus kommen Gelder von der EU und dem Land Nordrhein-Westfalen. Konkret vom Ministerium für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk des Landes sowie von der Europäischen Union im Rahmen des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung.

Leiter aus der Praxis
Projektleiter Martin Beeh steht dafür, dass der Grundsatz der Praxisnähe niemals hinter den wissenschaftlichen Mauern eines schulischen Elfenbeinturms abhanden kommt. Beeh, 48, hat Industriedesign und Betriebswirtschaft studiert und arbeitete von 1997 bis 2006 als Designer und Designmanager beim Hausgerätehersteller Electrolux. Anschließend leitete er die Kölner Filiale der Materialbibliothek Material ConneXion. Im März 2012 wechselte er dann an die Hochschule Ostwestfalen-Lippe nach Lemgo: Als Professor des Stiftungslehrstuhls für Designmanagement im Studiengang Holztechnik des Fachbereichs Produktion und Wirtschaft, Spezialisierung: Küchenmöbelindustrie. Damals übernahm er die Position von Professor Jens Lewe, der als Geschäftsführer zum Tisch- und Stuhlspezialisten KFF ging.

Agenten des Wandels
Mit der 2008 gestarteten Stiftungssprofessur unterstützt die Marketinggemeinschaft A30 Küchenmeile e.V. konkret die Ausbildung junger Holztechniker. Und das unter besonderer Berücksichtigung „des für die Branche so wichtigen Erfolgsfaktors Designmanagement“, wie Prof. Martin Beeh sagt. Das Wissen um die Methoden des Designmanagements, eng verknüpft mit Marketing- und Innovationsstrategien, mache aus den jungen Studierenden aktive „Agenten des Wandels“ in einer Branche, die sich in starken Veränderungen befinde.
Finanziert wird die Stiftungsprofessur zum Großteil von der Marketinggemeinschaft A30 Küchen­meile e.V. Die verbleibenden Kosten trägt die Hochschule Ostwestfalen-Lippe aus eigenem Engagement. Der Dialog der Hochschule mit der Industrie werde seit langem intensiv gepflegt, so der Professor, und man könne auf zahlreiche bewährte Holztechniker in der Branche verweisen. Beehs Credo: „Es gilt, junge Menschen in eine Welt einführen, in der Design als Motor für wirtschaftlichen Erfolg von großer Bedeutung ist.“ Ziel sei es, durch Wissenstransfer im Bereich des operativen Designmanagements die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft von Unternehmen der deutschen Küchenmöbelindustrie voranzubringen. Dafür blicken er und sein Team gern und strategisch über den Tellerrand der Möbelindustrie hinaus und beleuchten andere Branchen.

Hochkarätiges Symposium
Als nächstes steht das bereits erwähnte Designmanagement-Symposium 2013 „Mensch und Technologie“ auf dem Programm. Stattfinden wird das Symposium am 9. Oktober an der Hochschule in Lemgo. Prof. Beeh: „Diese Veranstaltung ist der jährliche Höhepunkt zu Information und Austausch im Projekt ‚kitchen miles and more’.“ Im Mittelpunkt stehen Dialog und praktisches Erfahren von Design- und Innovationsthemen. Im praktischen Workshop-Teil werden vorgegebene Themen gemeinsam erarbeitet. Das konkrete Programm werden wir gleich nach Erscheinen auf unserer Internetseite unter www.kuechenplaner-magazin.de veröffentlichen.
Darüber hinaus sind im laufenden Jahr ein weiterer Workshop sowie ein Netzwerkabend terminiert. Am 15. November geht es bei Zumtobel in Lemgo ganztägig um den „Erfolgsfaktor Licht – Verkaufsfördernde Planung für die Showroomgestaltung“ und am 11. Dezember heißt das Thema eines Netzwerkabends: „Was kos­tet Design und wie schütze ich es?“
Bereits in Vorbereitung ist zudem das Programm für 2014. Welche Themen dann konkret beleuchtet werden, sei noch nicht ganz spruchreif, so Prof. Beeh. Details dazu sollen im November publiziert werden. Aber so viel steht fest: Die Inhalte ergeben sich aus den bisherigen Projekten und aus vielen individuellen Gesprächen. Denn die Praxis ist schließlich oberstes Gebot bei „kitchen miles and more“.
Dirk Biermann

 


Kontakt zum ForschungsprojektProjektleiter Prof. Martin Beeh ist per E-Mail unter martin.beeh@hs-owl.de erreichbar. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Anna-Katharina Spielvogel unter der E-Mail-Adresse anna-katharina.spielvogel@hs-owl.de.

www.hs-owl.de/fb7/laboratorien/designmanagement