11.08.2022

Küchenstudios müssen mitmachen

In der Küchenbranche fehlen Fachkräfte. Und die Lage fordert dringendes Handeln. Im KÜCHENPLANER-Interview sagt Sabine Gantzkow, Schulleiterin der Möbelfachschule (MöFa) in Köln: „Küchenstudios müssen viel aktiver bei der Nachwuchssuche werden.“

„Vor Ort aktiv werden, sonst stehen wir in wenigen Jahren ohne jeden fähigen Nachwuchs da.“ Sabine Gantzkow, Schulleiterin der MöFa. Foto: MöFa

KÜCHENPLANER: Wie überall fehlt auch in der Küchenbranche qualifizierter Nachwuchs. Spüren Sie das auch in der MöFa?
Sabine Gantzkow: Vor 20 Jahren hatten wir noch zwei Küchen-Fachberater-Klassen mit 20 bis 25 Teilnehmern, also 50 Fachkräften. Heute sind es 15 bis 20 Studierende, die nach dem Abschluss sofort eine Stelle haben.
Früher sind die Studierenden aus Unternehmerfamilien zu uns gekommen, danach kamen dann deren Kinder und sogar die Enkelkinder. Es gab Wartelisten. Heute wollen die Kinder z.T. nicht mehr in den elterlichen Betrieben arbeiten. Ein Teil der familiengeführten Unternehmen wurde auch aufgekauft und ist nicht mehr am Markt. Diese Zielgruppe ist also sehr viel kleiner geworden.
Dazu kommt, dass die fertigen Studierenden heute unter den Jobangeboten frei wählen können. Außerdem jagt sich die Branche gegenseitig die guten Leute ab.  

Also kommen wenig Branchenfremde zum Studieren an die MöFa?
Außerhalb der Branche ist nicht bekannt, welch großartige Möglichkeiten die Küchen- und Möbelbranche bietet. Viele kennen nur die Verkäuferinnen und Verkäufer im normalen Möbelhaus oder Mitnahmemarkt. Den meisten ist nicht bewusst, wieviel Kreativität und Fachwissen in diesen Berufen steckt. Das ist viel mehr als nur Verkaufen.

Wie kann man das denn ändern?
Wir als Schule können es nicht leisten, deutschlandweit Studierende zu akquirieren. Unserer Meinung nach müssten die Küchenstudios direkt vor Ort aktiv werden und bekanntmachen, was für großartige Berufe sie anbieten. Sie müssten sich direkt an die Schulen wenden und z.B. bei Berufsbörsen den Beruf des Küchen-Fachberaters vorstellen. Als Unternehmer kann man auch immer beim Arbeitsamt anfragen.
Gerade in kleinen Orten muss man heimische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter finden, die auch gerne vor Ort bleiben und arbeiten wollen. Für diese ist es doch durchaus attraktiv, eine Ausbildung oder ein duales Studium anzubieten, verbunden mit einem Aufenthalt in der tollen Stadt Köln. Und danach kann man wieder in die Heimat zurückkehren, wo man Familie und Freunde hat.  

Was bietet die MöFa für Studiengänge?
Gantzkow: Bei uns kann man die unterschiedlichsten staatlich anerkannten Abschlüsse machen. Der vier Semester dauernde Bachelor Professionell Wirtschaft mit Schwerpunkt Einrichtung oder Küche bereitet z.B. auf die Übernahme von Führungspositionen vor. Aufnahmebedingungen sind ein mittlerer Schulabschluss und eine abgeschlossene Berufsausbildung oder eine mindestens fünfjährigen Berufspraxis.
Der praxisbezogenen Studiengang Interior Designer Einrichtung und Küche kombiniert warenkundliche, gestalterische und verkaufsbezogene Studieninhalte und ist auch für Quereinsteiger gut geeignet.
Das duale Studium vereint Praxis und Theorie. In nur vier Semestern schließt man eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann/-frau sowie das Studium staatlich geprüfter Betriebswirt ab. Nach zwei Jahren hat man einen IHK-Abschluss und bekommt nach einem weiteren Jahr einen Bachelor.
Als Unternehmen kann man beim Arbeitgeberservice auch einen Bildungsgutschein für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beantragen, der bei uns anerkannt wird. Dann wird ein Großteil der Ausbildungs-Kosten übernommen. (Allerdings nicht für das Duale Studium; Anm. d. Red.)
In unseren Studiengängen vermitteln wir ein sehr breites Basiswissen. Mit unseren Abschlüssen haben die Studierenden die Möglichkeit, auch zu Herstellern oder zu Verbänden zu gehen.

Lernen Ihre Studierenden denn schon im Studium Küchen-Hersteller kennen?
Wir machen regelmäßig Exkursionen zu unterschiedlichen Herstellern. Es finden Betriebsbesichtigungen statt und natürlich werden auch Kontakte geknüpft. Die Hersteller kommen aber auch zu uns nach Köln, halten Vorträge und machen Schulungen. Das ist eine perfekte Ergänzung zur Theorie, die wir vermitteln.

Die MöFa ist staatlich anerkannt?
Die Möfa ist eine Ersatzschule und wie eine öffentliche Schule aufgestellt. Wir haben offizielle Lehrpläne, die vom Schulministerium abgesegnet sind. Alles ist auch dem Bildungsserver zu finden und einsehbar.

Gibt es ein solches Schulkonzept auch an anderen Orten?
Die MöFa ist europaweit einzigartig. Es gibt Schulen, die sich vornehmlich mit dem Handwerklichen beschäftigen. Wir zielen ja mehr auf das Kaufmännische. Außerdem muss bei uns kein Schulgeld bezahlt werden, denn die MöFa wird zu 94 % durch das Land NRW refinanziert. Die restlichen 6% werden vom Förderverein getragen. Außerdem bieten wir für Unternehmen ein Sponsoringkonzept.

Wie viele Studierende sind an der MöFa?
Pro Jahrgang gibt es um die 100 Studierende. Im Moment sind insgesamt inkl. Berufsschule und Fachabiturientinnen und Fachabiturienten 550 Studierende bei uns, früher waren es bis zu 700.
Ich glaube, dass bei uns eine sehr familiäre Atmosphäre herrscht. Wir haben ein großes Vertrauensverhältnis zu unseren Studierenden und bemühen uns sehr, jeden individuell zu betreuen und zu begleiten. Gerade die älteren Studierenden, die z.T. als Quereinsteiger zu uns kommen, müssen sich nach längerer Berufstätigkeit erst einmal umstellen. Auch für diese sind wir immer da. Insgesamt herrscht hier ein nettes und respektvolles Miteinander.

Wie sieht es mit der Wohnsituation aus?
Wir haben 79 Wohnheim-Plätze. Das kleine Zimmer kostet 650 Euro mit Vollverpflegung und Putzfrau. Dafür muss man sich rechtzeitig anmelden. Wir kümmern uns aber auch um Wohnungen für diejenigen, die keinen Wohnheimplatz bekommen haben.

Wie haben Sie den Lockdown überstanden?
Wir haben sehr schnell auf Online-Unterricht mit Teams umstellen können. Das nutzen wir auch immer noch, wenn z.B. ein Großteil der Klasse an Corona erkrankt ist. Wir stellen hier auch alle Unterrichtsmaterialien und Schulinfos ein.
Wir bieten hier ein Rundum-Sorglos-Paket, mit dem die Studierenden optimal versorgt und perfekt auf den künftigen Beruf in der Küchenbranche vorbereitet werden. Wir sind allerdings darauf angewiesen, dass auch die Küchenstudios aktiv werden und vor Ort für diese schönen Jobs und die Branche Werbung machen. Sonst stehen wir in wenigen Jahren ohne jeden fähigen Nachwuchs da.

Frau Gantzkow, herzlichen Dank für das Gespräch.

Sybille Hilgert