18.12.2025

Was passiert bei plötzlichen Todesfällen?

Ein plötzlicher Ausfall der Inhaberin oder des Inhabers trifft Unternehmen doppelt: emotional und operativ. Während sich Trauer nicht verhindern lässt, können Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit im Vorfeld abgemildert werden. Welche Maßnahmen sinnvoll sind, erläutert Ingo Anneken von der SEB Steuerberatung.

Ingo Anneken ist seit 2009 Geschäftsführer der SEB Steuerberatung. Gemeinsam mit seinen Kollegen unterstützt er die Kunden über die klassische Steuerberatung hinaus hinsichtlich einer Vielzahl an betriebswirtschaftlichen Fragen – von der Rechtsformoptimierung bis hin zur Existenzgründung. Zudem ist er Fachberater für Unternehmensnachfolge (DStV e.V.). Foto: SEB

Sich über das Danach Gedanken zu machen, ist keine angenehme Aufgabe. Antworten auf die Frage „Was passiert, wenn ich einmal nicht mehr da bin?“ können den Hinterbliebenen allerdings einiges ersparen, besonders wenn es um das eigene Unternehmen geht. Wo Entscheidungen vertagt, Konten gesperrt und Rollen unklar sind, entstehen binnen Tagen Risiken für Liquidität, Mitarbeitende, Lieferketten und Kundenbeziehungen. Vorsorge ist deshalb kein juristisches Beiwerk, sondern Teil der Unternehmensführung – am besten lange bevor sie gebraucht wird.

Strukturen schaffen
Der häufigste Störfaktor in Krisen ist nicht der Mangel an gutem Willen, sondern fehlende Struktur. Ohne klare Vertretungsregeln und dokumentierte Zugänge geraten Zahlungen ins Stocken, Aufträge bleiben liegen, Montage- und Lieferpläne verlieren Verbindlichkeit. Der realistische Blick auf das „Probesterben“ – so wird in der Fachliteratur die gedankliche Generalprobe für den Ernstfall genannt – legt offen, wo organisatorische Sollbruchstellen liegen und welche Entscheidungen vorbereitet werden sollten.

Handlungsfähig bleiben
Kernstück jeder Vorsorge ist eine belastbare Vertretungslösung. Eine umfassende Unternehmer- bzw. Vorsorgevollmacht definiert, wer im Fall schwerer Krankheit oder nach dem Tod entscheiden darf. Transmortale Vollmachten sichern Handlungsfähigkeit schon zu Lebzeiten und über den Todeszeitpunkt hinaus; postmortale Vollmachten greifen erst ab dem Erbfall. Ergänzend braucht es banktaugliche Kontovollmachten, damit Zahlungsverkehr, Löhne und Steuern ohne Unterbrechung laufen. Im Unternehmen selbst regeln Prokura oder Handlungsvollmacht die operative Entscheidungsbefugnis; Eintragung und interne Kommunikation verhindern Grauzonen. Patienten- und Betreuungsverfügung ordnen medizinische und betreuungsrechtliche Fragen, binden die Familie ein und vermeiden gerichtliche Notbestellungen.

Ordnung im Notfall
Vollmachten wirken nur, wenn sie auffindbar sind – und wenn die Bevollmächtigten wissen, was zu tun ist. Eine Notfallmappe bündelt Namen und Erreichbarkeiten der Schlüsselpersonen aus Familie, Geschäftsführung, Steuerberatung, Bank, Rechtsberatung und zentralen Lieferanten. Sie enthält eine aktuelle Übersicht über Vermögenswerte, Verbindlichkeiten, Dauerschuldverhältnisse, Versicherungen, Kredite, Miet- und Leasingverträge, dazu Register über Kundenvorgänge und offene Posten. Unverzichtbar ist der digitale Teil: Zugänge zu E-Mail, Cloud, Warenwirtschaft, Kasse, Onlineshop und Banking sowie klare Regeln zur Passwortverwaltung und ein sicherer Notfallzugang. Bereits erteilte Vollmachten, Gesellschafterlisten, Beschlüsse und wichtige Verträge gehören in dieselbe Struktur. Entscheidend ist die Pflege: Inhalte müssen aktuell, die Berechtigungen getestet, die Ablage bekannt sein.

Pattsituationen verhindern
Viele Streitfälle entstehen nicht aus falschen, sondern aus widersprüchlichen Regelungen. Gesellschaftsverträge steuern Eintritt, Fortsetzung, Abfindung und Stimmrechte – und gehen in diesen Fragen erbrechtlichen Verfügungen praktisch vor. Wer im Testament etwas anderes anordnet, als der Gesellschaftsvertrag zulässt, produziert Blockaden. Ein abgestimmtes Set aus Nachfolgeklausel, Abfindungslogik und testamentsrechtlicher Regelung verhindert Pattsituationen, insbesondere bei Erbengemeinschaften oder minderjährigen Erben. In komplexen Konstellationen schafft eine Testamentsvollstreckung Ordnung, wahrt den Betriebsfrieden und sichert die Fortführung, bis eine dauerhafte Leitungs- und Eigentumsstruktur etabliert ist.

Steuern im Blick
Unternehmensvermögen lässt sich erbschaft- und schenkungsteuerlich begünstigt übertragen – aber nur bei passender Struktur, geeigneten Quoten und eingehaltenen Fristen. Ob vorweggenommene Erbfolge mit Nießbrauch, Holding-Lösungen oder Kaufpreis-/Abfindungsmodelle: Maßgeblich ist stets die Liquiditätswirkung. Eine steuerlich günstige Gestaltung nützt wenig, wenn sie die Erben finanziell überfordert oder den Betrieb in die Knie zwingt. Die Planung sollte deshalb steuerliche Fragen ebenso im Blick haben wie Recht und Finanzierung.

Zahlungsfähigkeit sichern
Der Todesfall erzeugt sofortigen Liquiditätsbedarf für Löhne, Lieferanten, Steuern, Abfindungen oder Ankaufsrechte. Wer frühzeitig Kreditlinien, Bürgschaften oder Tilgungsstreckungen mit der Bank bespricht, überbrückt die kritischsten Wochen. Risikolebens- und Key-Person-Versicherungen schaffen Ausgleich für den Ausfall zentraler Personen. Wirkung entfalten diese Instrumente nur, wenn Bezugsrechte, Vertragsparteien und steuerliche Einordnung sauber auf die Nachfolgearchitektur abgestimmt sind.

Konkreter Fahrplan
Zu Beginn steht die nüchterne Lücke-für-Lücke-Analyse: Wer trifft heute welche Entscheidung, wer kann sie morgen treffen, welche Unterlagen fehlen, welche Zugänge sind ungeklärt? Daran schließen sich die juristischen Bausteine an: Vollmachten, Nachfolgeklauseln, Testament, gegebenenfalls Testamentsvollstreckung. Es folgt die technische und organisatorische Umsetzung mit Notfallmappe, Zugriffs- und Zahlungswegen sowie einem realen Probelauf. Den Abschluss bildet die finanzielle Absicherung durch Linien, Policen und abgestimmte Abfindungs- oder Kaufpreislogik. Dieser Plan bleibt nicht statisch: Personalwechsel, Vermögensverschiebungen und neue Rahmenbedingungen verlangen eine jährliche Überprüfung.

Vorsorge ist Führung
Nachfolge im Todesfall ist kein Randthema für später, sondern eine Führungsaufgabe von heute, nicht nur im Großkonzern, sondern auch im familiär geführten Küchenstudio (wo der Aufwand dann auch deutlich geringer ist). Wer Vertretungen, Dokumente, Finanzen und Kommunikation ordnet, schützt Familie, Erben und das Unternehmen. Arbeitsplätze bleiben gesichert, Kundinnen und Kunden betreut, Reputation stabil. Auch wenn es unangenehm ist: Dafür lohnt sich der Gedanke an das Danach allemal.

www.seb-steuerberatung.de


Was gehört in die Notfallmappe?

  • Zentrale Ansprechpersonen und Rollen
  • Vollmachtsurkunden, Gesellschafts- und Bankunterlagen
  • Übersichten zu Vermögen, Verbindlichkeiten, Verträgen, Versicherungen, Krediten
  • digitale Zugänge zu E-Mail, Cloud, ERP, Kasse, Banking
  • klare Passwortregelung mit Notfallzugang