24.09.2025

Die Steinmanufaktur MCR sorgt mit exklusiven Küchenprojekten für Aufsehen. Dass sich der einstige Underdog zur echten Marke hochgearbeitet hat, liegt aber nicht allein an guten Ideen oder cleverem Marketing – sondern auch viel am Faktor Mensch.

Steffen Würstl (Foto rechts) und Stan Rusch haben mit der Marke MCR noch viel vor. Ein neues Recyclingprogramm bewirkt, dass nur noch Steinoberflächen oder recycelte Erzeugnisse wie Betonpfeiler den Standort verlassen – kein „Müll“ mehr im eigentlichen Sinne. Foto: MCR)

Vom Zulieferer zur Marke: MCR hat in den vergangenen Jahren eine rasante Beschleunigung hingelegt, was Bekanntheit und Innovationsgrad angeht. Foto: MCR / Fegg Raummanufaktur

Küchen, die als Kunstwerk fungieren? MCR-Steininseln veredeln viele Projekte zum individuellen Unikat. Foto: Benjamin Anthony Monn Photography / Dross&Schaffer Ludwig 6

Die sorgfältig verarbeiteten Steinoberflächen kommen auch im Wohninterieur zum Einsatz. Foto: MCR / Fegg Raummanufaktur

In der thüringischen Provinz nahe der fränkischen Grenze gilt MCR als wichtiger Arbeitgeber – auch für Quereinsteiger ins Handwerk. Foto: MCR

Freitagmittag gibt es Thüringer Klöße. Der Satz ist nicht nur eine gute Dechiffrierung dessen, was den Steinverarbeitungsbetrieb MCR aus dem südthüringischen Römhild so nahbar macht – obschon dessen Kücheninseln als kunstvoll veredelte Unikate in Shanghai, Tel Aviv oder St. Petersburg stehen und das Unternehmen bereits in einem Atemzug mit anspruchsvollen Marktbegleitern wie Antolini oder Eggersmann genannt wird.
Er bringt auch auf den Punkt, was Inhaber Steffen Würstl meint, wenn er sagt, dass sich an der DNA seines Unternehmens seit der Gründung 1993 nicht viel verändert habe. Nur das Bild nach außen hat die 90-köpfige Mannschaft rund um Würstl vor ein paar Jahren selbst in die Hand genommen. Aus dem etwas schwerfälligen „Marmor-Center Römhild“ wurde das Kürzel MCR, aus der Leidenschaft zum Handwerk der Slogan „Wir leben Stein“. Emotional in Szene gesetzte Fotos erzählen seither Geschichten auf Social Media: von staubverschmutzter Kleidung, Muskelkraft und „echten Kerlen“; von rissigen Abbruchkanten und hingebungsvoller Feinarbeit; von teuren Visionen aus Stein und deren mühevoller Fertigung im Hintergrund.

Echtheit und Exklusivität
Es ist eine Welt, in die sich selbst Handel und Industrie nur schwer eindenken können und Endkunden gleich gar nicht – obwohl die, erzählt Steffen Würstl, sein Unternehmen immer öfter direkt kontaktieren, um eine Küche mit MCR zu realisieren. Die Steinmanufaktur sammelt die Anfragen dann und verteilt sie an regionale Handelspartner. Was wiederum ganz gut zeigt: Aus dem kleinen Handwerksbetrieb ist längst eine ernstzunehmende Marke geworden.
MCR fertigt Oberflächen für den gehobenen Küchenraum, die sich von Arbeitsplatten und Nischenrückwänden bis hin zu steinernen Inselmonolithen erstrecken. Was Gründer und Geschäftsführer Steffen Würstl und sein Kollege Stan Rusch, Leiter für Produktentwicklung und Marketing, von ihren Aufträgen erzählen, sagt viel über den Stellenwert der modernen Küche aus. Exklusivität ist oberstes Gebot – und Echtheit wichtiger als Unverwüstbarkeit. So sei Naturstein wieder deutlich gefragter als Keramik; das Material habe in den letzten Jahren geradezu „eine Renaissance“ erlebt, sagt Würstl. Und Rusch ergänzt: „Runde Küchen sind derzeit natürlich der Renner. Unsere erste Kochinsel mit Kanneluren haben wir aber bereits vor fünf Jahren ausgeliefert – da hat noch kein Mensch in der Küchenindustrie an diesen Trend geglaubt.“

Moulin Rouge in Löhne
Andersherum kommt das, was dort gefragt ist, natürlich auch im Steinsegment an. Deshalb sind derzeit beige Töne wie vom „Taj Mahal“ aus Brasilien oder vom Travertin aus Italien beliebt, ebenso wie das durchdringende Grün des „Avocatus“ aus Brasilien. Schwarz hingegen sei momentan ganz weit weg, sagt Stan Rusch. Das betreffe auch den einst so favorisierten „Nero Assoluto“.
Für die Area30 kündigt MCR einen neuen, farblichen Blickfang an – und eine Kooperation mit dem Dunstabzugsspezialisten BORA. Im Mittelpunkt des Messestandes steht der blutrote Quarzit „Moulin Rouge“. Die Manufaktur will damit eine Steinbearbeitungsmethode präsentieren, „die es so zuvor noch nie gegeben hat“. Auch ein BORA-Kochfeldabzug ist integriert. „Wir ergänzen uns sehr gut, was das Nutzen physikalischer Gesetzmäßigkeiten angibt – sie mit dem Luftstrom, wir mit Naturstein“, sagt Stan Rusch. „Und wir wollen beide die Benchmark dessen, was möglich ist, immer noch ein bisschen weiter nach vorn schieben.“

Frisch vom Fels geschlagen
Die Benchmark, das ist für MCR eine beeindruckend präzise Linienführung, die selbst vermeintlich unmögliche Projekte maßstabsgetreu in Stein meißelt. Das gipfelt schon mal in Details wie einen neuartigen Kleber, der die Farbe des Natursteins aufgreift und entlang der Gehrungskante von Gelb zu transparent zu Rot changiert. Bei so viel Perfektionismus bekomme er einfach Gänsehaut, sagt Inhaber Steffen Würstl. Überhaupt sei der Erlebnischarakter das Thema der Stunde im Küchenraum: Kaum noch werde ein Stein poliert verkauft; viele Käuferinnen und Käufer entschieden sich stattdessen für gelederte Oberflächen mit naturnaher Haptik. Oder sogar für die sogenannte „Crosta“-Kante, die von einem abrasiven Sandstrahl mit mehrfacher Schallgeschwindigkeit bearbeitet wird und anschließend wie frisch vom Fels geschlagen anmutet.

Hausaufgaben für Handelspartner
Nichts ist unmöglich im Steinverarbeitungsbetrieb in Römhild, was Kunden mitunter sogar vor Probleme stelle, erklärt Würstl: Viele seien schlichtweg überfordert von der Auswahl, den Möglichkeiten – und manchmal auch vom Preis. Deshalb hat MCR, parallel zu den maßgefertigten Kücheninseln seiner eigenen Produktlinie „‘nStee“, das davon abgeleitete Konzept „‘nStee Straight“ ins Leben gerufen. Es soll Händler bei der Küchenberatung jener Käuferinnen und Käufer unterstützen, die sich eine Kochinsel aus Stein wünschen und dabei nur ein begrenztes Budget zur Verfügung haben.
Statt individueller Maßvorgaben setzt „‘nStee Straight“ auf fest konfigurierte Korpusgrößen, eine Frontstärke von 20 Millimetern und ein klassisches Schnittbild. Vier verschiedene Modelle in verschiedenen Maßen umfasst die Kollektion bislang. Damit lassen sich die Steininseln etwa 20 Prozent günstiger anbieten als ein herkömmlicher „‘nStee“– und zwar mit jeder verfügbaren Steinart. „Wir haben unsere Hausaufgaben für den Handel gemacht“, sagt Stan Rusch. „Als Steinverarbeiter können wir dahingehend nochmal etwas freier denken als die Industrie.“

24/7-Showroom
Die Rolle als Ideengeber und Mediator zwischen Industrie und Handel will MCR langfristig auch zur Selbstvermarktung nutzen. Steffen Würstl und Stan Rusch denken bereits laut über einen eigenen Showroom nach, in welchem Handelspartner sich von den Möglichkeiten der modernen Steinbearbeitung überzeugen könnten. Statt einer Natursteinbibliothek ließen sich die Steine dann in ihrer Extravaganz als Küchenzeile, Tisch oder Wandverkleidung live erleben. Und möglicherweise könnte der Laden sogar 24/7 geöffnet sein – versehen mit einem Zugangscode und einer Bar zur Selbstbedienung, die Händler gemeinsam mit ihrer Kundschaft nutzen können.

Wieder auf Wachstumskurs
Es sind jene Beispiele, die zeigen, dass MCR noch Großes vor hat, auch wenn der Manufakturbetrieb seinen Erfolg eher „Stein auf Stein“ baut. „Wir wollen gar nicht auf der Überholspur sein“, sagt Steffen Würstl. Was angesichts der derzeitigen Krise auf dem Küchenmarkt auch gar nicht so einfach wäre: Rund 20 Prozent hat das Unternehmen im vergangenen Jahr an Umsatz eingebüßt, weil die Flaute leicht zeitverzögert auch das Premium-Küchensegment erfasst hat. Mittlerweile laufen die Geschäfte, so Würstl, aber umsatzseitig schon wieder 18 Prozent über Vorjahr. 2025 dürfte damit dasselbe Niveau wie 2023 erreichen.

Leuchtturm-Arbeitgeber
Das liegt auch daran, dass das Unternehmen vom Standort Römhild aus bequem nach Nord, Ost, Süd und West operieren kann. Neben dem Kerngeschäft Küche bedient die Steinmanufaktur ebenso Objekte aus Hotellerie und Gastronomie. Auftraggeber sind beispielsweise das Traditionshaus Dallmayr in München oder die luxuriöse Hotelanlage der Villa Kennedy in Frankfurt.
In der fränkisch-thüringischen Provinz bleibt MCR trotz aller Premiumprojekte ein bodenständiger Arbeitgeber – wenn auch mit „Leuchtturm“-Charakter. Das Unternehmen könne sich, trotz vermeintlicher Nachwuchssorgen im Handwerk, vor Bewerbungen kaum retten, erzählt Steffen Würstl. Das klappt auch deshalb, weil der Chef allen Anwärtern recht unkonventionell gegenübertritt. „Letztendlich ist es egal, was du gelernt hast. Du musst dich nur mit dem identifizieren können, was aus deiner Arbeit entsteht“, sagt Steffen Würstl.
Das gilt sowohl produktseitig als auch zwischenmenschlich. Erst vor kurzem hat MCR zwei Köche eingestellt, die nun an den Schleifmaschinen arbeiten. Seitdem gibt es nicht nur neue Sichtweisen auf Prozesse. Sondern Freitagmittag eben auch Klöße.

Susanne Maerzke

www.mcr-stein.de