Galoppierende Preise lassen sich nicht wegatmen

Foto: VDM
In der Möbelindustrie drücken besonders die Engpässe bei Zulieferteilen sowie teils sprunghaft angestiegenen Kosten für Rohstoffe, Energie und Verpackung. „Alles war knapp und schlecht verfügbar“, kommentierte Jan Kurth, Geschäftsführer der Verbände der deutschen Möbelindustrie (VDM/VHK), im Rahmen einer VDM-Pressekonferenz die grundlegend schwierige Beschaffungslage quer durch alle Produktgattungen von Metallen über Holz bis Kunststoffe. Und die Komplikationen seien noch längst nicht vom Tisch. 44 Prozent der in den Verbänden organisierten Unternehmen berichten einer aktuellen Umfrage zufolge von Problemen in der Lieferkette. Im Herbst 2021 waren es sogar 53 Prozent. Allerdings haben viele Unternehmen ihre Strategien bereits verändert. Sie haben ihre Lagerhaltung ausgebaut und holen die Beschaffung wieder näher an den Produktionsstandort. Standortnahe Zulieferer stehen bei allen Herstellern aktuell hoch im Kurs.
Preiserhöhungen sind existenziell
Ernsthafte Probleme können die permanenten Preiserhöhungen für Vorprodukte und Rohstoffe bereiten. Teilweise werde die Industrie im Monatstakt damit konfrontiert. Allein Holzwerkstoffe, das grundlegende Material für Küchenmöbelhersteller, stiegen im Preis innerhalb des vergangenen Jahres um rund 40%. Konkret im Dezember 2021 im Vergleich zum Vorjahr um 40,2% laut Index der Erzeugerpreise des Statistischen Bundesamtes (Quelle: VDM). Und die „Rallye“ geht weiter. Die Preise für Rohstoffe und Vormaterialien sind weiterhin in Bewegung und werden in immer kürzeren Zeiträumen angepasst. „Diese Mehrbelastungen kann die Branche nicht einfach wegatmen“, sagte Jan Kurth und mahnte dringend notwendige Preiserhöhungen an. Diese seien betriebswirtschaftlich existenziell. Entsprechend erwartet der Verbandsmanager im laufenden Jahr im besten Fall mit einer stabilen Mengenentwicklung bei einem 10-prozentigen Umsatzplus. Sprich: Die Preise für Möbel und Küchen werden steigen. Beziehungsweise müssen steigen, damit die Industrie laut VDM nicht ein „ernstes Problem hineinläuft“. In welchem Umfang dies der Handel akzeptiert und umsetzt, bleibt eine spannende Frage. Angesichts der weiter fortschreitenden Konzentration im Möbelhandel sei die Durchsetzung von Preiserhöhungen einer der prägenden Herausforderungen für die Möbelindustrie. Jan Kurth nannte ausdrücklich den vom Bundeskartellamt im Januar 2021 genehmigten Beitritt der Krieger-Höffner-Gruppe zur Einkaufskooperation Begros (u.a. Porta) an. Das nun entstandene gemeinsame Einkaufsvolumen in „hoher einstelliger Milliardenhöhe“ gehe zu Lasten von Industrie und Verbraucher.
Dem Fachkräftemangel Paroli bieten
Vor Herausforderungen sieht sich die Möbelbranche auch bei der Gewinnung von Nachwuchs- und Fachkräften gestellt. Mehr als die Hälfte der Hersteller gaben in der Verbandsumfrage an, dass sie ihre Ausbildungsplätze nicht vollständig besetzen können. Rund 80 Prozent berichten von Engpässen bei Fachkräften und sehen in den kommenden Jahren einen weiter steigenden Personalbedarf. „Dem Fachkräftemangel entgegenwirken wollen wir mit der im vergangenen Jahr gegründeten Lehrfabrik der Möbelindustrie in Löhne“, so Jan Kurth. Wenn alles nach Plan läuft, wird das mit modernsten Anlagen ausgestattete Ausbildungs- und Qualifizierungszentrum im Lehrjahr 2023/2024 die Pforten öffnen und jährlich rund 200 interessierte Nachwuchskräfte aus- und weiterbilden.
Prognose weiter positiv
Trotz der geschilderten „widrigen Rahmenbedingungen“ habe sich die deutsche Möbelindustrie in Summe im Jahr 2021 gut behauptet. Der Umsatz legte um rund 2% auf 17,5 Mrd. Euro zu und entwickelte sich damit besser als erwartet. Neben großen Auftragsüberhängen aus dem Jahr 2020 konnten die pandemiebedingten Schließungen des Möbelhandels im Frühjahr 2021 besser kompensiert werden als zu Zeiten des ersten Lockdowns Anfang 2020. Gleichwohl hat die Branche das Vor-Corona-Niveau noch nicht wieder erreicht (2019: 17,9 Mrd. Euro Umsatz). Jan Kurth: „Auch im zweiten Jahr der Pandemie stand das Thema Wohnen und Einrichten bei den Verbrauchern hoch im Kurs. Viele Menschen investierten 2021 in ihre eigenen vier Wände. Zum einen, weil das eigene Zuhause in diesen Zeiten als sicherer Rückzugsort besonders geschätzt wird. Zum anderen, weil Urlaubs- und Freizeitaktivitäten coronabedingt teilweise eingeschränkt waren. Bei den Neuanschaffungen besonders beliebt waren Küchen, Sofas sowie Möbel für das Homeoffice.“
Küche mit kräftigem Plus
Die einzelnen Segmente der deutschen Möbelindustrie entwickelten sich wie aus der jüngsten Vergangenheit inzwischen bekannt höchst unterschiedlich. Nach Angaben der amtlichen Statistik verzeichneten die Küchenmöbelhersteller einen kräftigen Umsatzanstieg von knapp 9% auf 5,7 Mrd. Euro. Ein überdurchschnittliches Wachstum registrierten auch die Hersteller von Polstermöbeln. Dagegen fiel die Umsatzentwicklung beim größten Segment der Möbelindustrie – den sonstigen Möbeln (darunter Wohn-, Ess- und Schlafzimmermöbel) sowie Möbelteilen – mit minus 7,6% auf 5,9 Mrd. Euro deutlich negativer aus als im Branchendurchschnitt. Die Büromöbelindustrie verbuchte mit einem Umsatz von rund 2 Mrd. Euro ein Plus von knapp 4%. Die Hersteller von Laden- und sonstigen Objektmöbeln lagen um 8% über dem Vorjahreswert und erzielten einen Umsatz von rund 2 Mrd. Euro.
Auch bei der aktuellen Auftragslage zeige sich ein gemischtes Bild mit der Küchenbranche als Primus. Nach internen Erhebungen der Fachverbände stieg der Auftragseingang in der deutschen Küchenmöbelindustrie von Januar bis Dezember 2021 um knapp 7%.
Export stützt das Wachstum
Als Wachstumstreiber erwies sich wieder das Auslandsgeschäft mit einem Umsatzplus von rund 5% auf 5,6 Mrd. Euro. Der Inlandsumsatz zog vor dem Hintergrund der langen Phase der Handelsschließungen - der zweite Lockdown währte von Mitte Dezember 2020 bis Mai 2021 - nur um 0,5% auf 11,9 Mrd. Euro an. Im Jahr 2020 war das Inland noch die Umsatzstütze für die Möbel- und Küchenbranche.
Die deutschen Möbelexporte legten im vergangenen Jahr sogar um knapp 15 Prozent auf 8,4 Mrd. Euro zu. Der Exportwert ist in der Regel höher als der Auslandsumsatz der Industrie, denn im Gegensatz zum Auslandsumsatz schließt der Exportwert auch die an ausländischen Produktionsstandorten hergestellte Ware mit ein. Erfreulich sei die Steigerung der Ausfuhren nach Frankreich, dem wichtigsten Exportmarkt der deutschen Möbelindustrie, mit einem kräftigen Plus von fast 26%. Die Schweiz belegte Platz zwei im Ranking der wichtigsten Exportländer mit einem Plus von gut 9%, gefolgt von Österreich und den Niederlanden mit einem Plus von jeweils knapp 13%. Auf dem britischen Markt gab es nach der Unterzeichnung des Handelsabkommens mit der EU einen kräftigen Zuwachs von 16%. In fast allen anderen europäischen Exportmärkten wurden ebenfalls deutliche Steigerungen verzeichnet. Eine positive Entwicklung war auch auf den außereuropäischen Exportmärkten zu verbuchen. So kletterten die deutschen Möbelexporte in die USA um rund 13%. In China gelang ein Zuwachs von gut 5%, die deutschen Möbelexporte nach Russland legten um knapp 8% zu.
Noch mehr Möbeleinfuhren aus China
Die deutschen Möbelimporte legten im vergangenen Jahr um 18% auf annähernd 10,2 Mrd. Euro zu. Mit einem stattlichen Zuwachs von wertmäßig 41% auf 3,0 Mrd. Euro zogen die Einfuhren aus China überdurchschnittlich stark an. Betrachtet man die mengenmäßige Entwicklung, liegt der Anstieg nur etwa halb so hoch, was auf einen starken Preisanstieg der chinesischen Importware schließen lässt. China löste damit Polen (plus 7%) als das bisher wichtigste Möbelherkunftsland ab. Die Importe aus Italien – auf Rang drei der Lieferländer platziert – stiegen um 1,5%. Auf Rang vier folgt Rumänien mit einem Plus von 7,5%. Auch die Einfuhren aus Vietnam (plus 27%), der Türkei (plus 38%) und Frankreich (plus 10%) erhöhten sich deutlich.