14.01.2016

Die Einrichtungsmesse imm cologne bietet gewöhnlich für so gut wie jeden Einrichtungsstil Inspirationen. Im Mix der Einrichtungsvorschläge wird aber wohl ein Trend erneut dominieren: die Gemütlichkeit in all ihren Facetten. Aber es gibt auch weitere und neue Strömungen.

imm-Neuheit von Interlübke: Das Sideboard „cube gap“ ist eine moderne Interpretation des erstmals 2002 aufgelegten Programms nach dem Design von Werner Aisslinger. Hier in der edel wirkenden Variante „black concrete“ mit Betonoberflächen. Foto Interlübke

Der Trend zu Re-Editionen von Klassikern der alten und neuen Moderne ist zum Beispiel zu einer festen Größe in der Möbelbranche geworden. Auf der nächsten imm (18.-24.1.2016) werden wieder etliche Neuauflagen vorgestellt. Denn seit einigen Jahren macht sich auf der internationalen Einrichtungsmesse eine Gegenbewegung zu dem Neuheiten-Hype breit. An vielen Ecken der Kölner Messehallen – speziell im Designsegment Pure – sieht man sie wieder, die alten Möbelklassiker von Bauhaus, Eileen Gray und Ray Eames. Und es sind nicht nur „die üblichen Verdächtigen“ unter den Möbel-Editeuren, die alte Formen bemühen. Rund um die einstmals wie Inseln aus einem Meer von trendigen Sortimenten herausragenden Namen wie Vitra, Classicon oder Thonet siedeln sich immer mehr Möbel und Accessoires an, die ihre Gestalt entweder alten Formvorbildern verdanken – Stichwort: Vintage, Fifties oder Classic Contemporary – oder tatsächliche Re-Editionen sind.
Aktuelle Beispiele gibt es zuhauf. Da wäre etwa die Outdoor-Kollektion „Thonet All Seasons“, mit der gleich eine ganze Reihe von Stahlrohrklassikern aus der Bauhaus-Zeit ins Freie geholt werden – darunter die Freischwinger S 33 und S 34 von Mart Stam, der Beistelltisch B 9, der Lounge-Sessel S 35 von Marcel Breuer und der Freischwinger S 533 von Ludwig Mies van der Rohe. Auch e15 beweist Geschichtsbewusstsein und macht mit der Ferdinand Kramer Kollektion eine ganze Reihe von Möbeln eines der bedeutendsten deutschen Architekten und Designers der Moderne wieder verfügbar. In enger Zusammenarbeit mit Kramers Familie und den Archiven entstanden zwölf ikonische Entwürfe aus den verschiedenen Schaffenszeiten des deutschen Architekten zwischen 1925 und 1959.

Das Regal als Raummittelpunkt
Regale, ob geschlossen oder offen, umgeben uns überall. Unverzichtbar, aber wenig sexy erschien vielen dieser Möbeltyp in den Anfangsjahren der Digitalisierung unseres Alltags. Doch das Ordnungsmöbel hat sich zum Tausendsassa weiterentwickelt, das als Raummittelpunkt, Schmuckstück oder Kletterwand viel Raum für Individualität schafft.
Ordnungshalber sollte jedoch gesagt sein, dass es sie noch gibt: geschlossene Kommoden, Schränke und Regalschränke, Sideboards in high und low, Bücherschränke und Schubkastenmöbel. Denn im digitalen Zeitalter, in dem Bücher sich entgegen allen Voraussagen immer noch reger Beliebtheit erfreuen, wird beides benötigt – offene Regale und Kästen zum Präsentieren von Sammelobjekten, aber auch Stauraum, der vor Blicken geschützt werden kann. Interlübke etwa bietet mit cube gap eine moderne Interpretation des erstmals 2002 aufgelegten Programms nach dem Design von Werner Aisslinger an, mit einem Sideboard, das sich nicht nur nach allen Himmelsrichtungen öffnet, sondern in einer neuen, in aktuellem Schwarz schimmernden Materialvariante auch besonders edel wirkt: „black concrete“. Die Oberfläche der Fronten ist aus Beton.

Neue leichte Möbelwelt
Der Trend zieht sich durch das komplette Möbeldesign: Möbel und Einrichtungen werden wieder leichter, skulpturaler und spielerischer. Die Schwere klotziger Möbel weicht einer fein ausbalancierten Bodenhaftung von Sofa, Leuchte und Wanne. Gerade denkt man, dass künftig wohl keine moderne Wohnung mehr ohne ein Loft-artiges Wohnzimmer auskommt, um Platz für diese übergroßen Sofas mit ihren für Riesen proportionierten Sitztiefen zu schaffen, da zeichnet sich schon ein neuer Trend ab: Sofas von fast zierlicher Gestalt und ebensolchen Dimensionen, die leichtfüßig neben Cocktail-artigen Sesseln und in Rudeln auftretenden Tischchen stehen, darüber ein Hauch von Lampe(n), die wie vom Winde verweht Lichtflecken auf die Gruppenlandschaft streuen. Klar konturierte, kompakte Polsterformen schweben auf extrem dünnen Beinen oder Metallkufen und schräg angesetzten, auf der Spitze balancierenden Füßen. Die unförmigen Kissenlandschaften werden von schlankeren, gerne auch weich geschwungenen Formen abgelöst. Schon auf der imm 2015 war der Wunsch nach Leichtigkeit zu spüren, und zwar nicht nur bei Kastenmöbeln (etwa von Capo D’Opera), sondern auch in Form origineller, metallgerahmter Möbel, in die Arbeitsplatz, Kastenmöbel und sogar Leuchten eingehängt werden (GObyMM), bis hin zu den klassischen Essplatz-Ensembles (gesehen unter anderem bei Menu). Der omnipräsente Wohnzimmerwandschrank macht einem eher improvisiert wirkenden, locker arrangierten Ensemble von Sideboard, einzelnen Regalen und Bildern, Sofa und Sessel Platz. Wohnzimmer und Möbelläden, Cafés und Einrichtungsmagazine erfasst eine Leichtigkeit, die mal skandinavisch-pastell, mal in gedeckten, hell kontrastierten Naturtönen und dann wieder fröhlich-bunt eine gute Portion Lebensfreude ins aktuelle Interior Design bringt.

Fast zu schade zum Verschlafen
In einer stressgewohnten Gesellschaft steigt das Bewusstsein für den Wert guten Schlafs. Dem Bett wird dementsprechend immer mehr Aufmerksamkeit zuteil. Und doch ist es vor allem das Drumherum, das die Menschen anspricht und das Schlafzimmer zu einem Wohnraum macht. Wenn auch das Lesen von Büchern eine der beliebtesten Beschäftigungen im Bett bleibt und dementsprechend durch hochwertige Beleuchtungsprodukte und gepolsterte Kopfteile unterstützt wird, so trägt man mit den mobilen Multimedia-Tools und Smartphones auch das soziale Umfeld und die Entertainment-Gewohnheiten ins Schlafzimmer. Damit wird es zunehmend zu einem zweiten Wohnzimmer, in dem die Bewohner den unterschiedlichsten Beschäftigungen nachgehen.
Dies rechtfertigt eine aufwendigere Möblierung. Entsprechend erhalten Schlafzimmer-Programme zunehmend den Charakter von Wohnzimmer-Möbeln: Die neue Hülsta-Kollektion Metis plus etwa bietet nicht nur Betten mit gepolsterten Kopfteilen, sondern auch ein Möbelprogramm, das es mit beleuchteten Regalen, Kommoden und Sideboards, mit Push-to-open-Technik und integrierten offenen Fächern zum Dekorieren mit jedem Wohnzimmer aufnehmen kann. Bei Hülstas Kollektion Elumo II gehören sogar in den Schrank integrierte Flatscreens zum Programm, und die Funktionskopfteile erinnern nicht umsonst an Sofas: individuell verstellbar und rückwärtig gepolstert, sind sie vollwertige, auch frei im Raum positionierbare Ruhemöbel.
Die trendgerechte Schlafzimmerausstattung besteht immer weniger aus einheitlich gestalteten Modellen einer Reihe. Vielmehr wird sie aus einzelnen Modulen eines Programms zusammengestellt, die zueinander passen, ohne uniform zu wirken. Materialmixe unterstützen diese Optik. Der schwere, zu Bett und Nachttisch passende Kleiderschrank ist immer seltener zu finden. Die Möbelindustrie bietet heute Kleiderschränke mit mehr Flächen, mehr Kleiderstangen oder mehr Schubladen an – ganz nach individuellem Bedarf.

German Gemütlichkeit 2.0
In Zeiten zunehmender Verunsicherung erscheint uns unsere Wohnung als sichere Burg für Rückzug und Entspannung, für die eigene, überschaubare kleine Welt. Aber auch für Geselligkeit, für Treffen mit Freunden und selbst als Arbeitsplatz gewinnt das private Reich nochmals an Bedeutung. Denn wie spätestens die letzte imm bewiesen hat: Gemütlichkeit ist wieder in. Und zur Gemütlichkeit gehört es unserem Empfinden nach anscheinend dazu, die Wohnung mit persönlichen Accessoires und dekorativen Elementen auszustatten.
Natürlich können auch aufgeräumte Wohnkonzepte mit Deko-Elementen gemütlich ausstaffiert werden; der Trend zum Dekorativen jedoch bezieht sich auf ganze Wohnkonzepte, besiedelt Sofas mit Kissen und Beistelltischchen, Regalleisten und Konsolen mit dekorativen Accessoires, verstreut Körbe auf sich überlappenden Teppichen und bemächtigt sich ganzer Wände. Wo nicht wenigstens eine Wand in der Wohnung mit einer gemusterten Tapete verziert ist, zergliedern Bildergalerien, Wand-Tattoos und in Gruppen angeordnete Regalfächer die Zweidimensionalität allzu kahler Wandflächen.

Immer neue Perspektiven
Ein Zeichen der Offenheit will der Ausstellungsbereich „Das Haus – Interiors on Stage“ auf der imm cologne 2016 setzen. Designer Sebastian Herkner, Guest of Honor 2016, hat bewusst eine runde Form gewählt, in der die Vorhänge, die er anstelle von Mauern zur Begrenzung seines Hauses einsetzt, beweglich sind und immer wieder neue Perspektiven ins Haus hinein und aus ihm heraus eröffnen. Im Inneren freilich zeigt auch seine Vision vom Wohnen ein freundliches, ein gemütliches Gesicht, voller Farben und verführerischer Sinneseindrücke.

Mit geplant rund 1.200 Unternehmen aus 50 Ländern präsentiert sich das Messe-Duo aus imm cologne und LivingInteriors auch 2016 als eine breit aufgestellte, vielseitige Produktschau. Gezeigt werden über 100.000 Möbel und Einrichtungsgegenstände, davon laut Veranstalter etwa ein Drittel Neuheiten.

www.imm-cologne.de
www.livinginteriors-cologne.de