15.01.2018

Der neue Minimalismus beim Wohnen

Nachdem auf der imm cologne 2015 die „German Gemütlichkeit“ ausgerufen wurde und unsere vier Wände damit auch offiziell wieder gemütlich sein dürfen, ohne uncool zu sein, sehen Trendforscher eine neue Gemütlichkeits-Variante aus Skandinavien im Kommen – und die könnte das Zeug zum Klassiker haben.

Aufgeräumte Optik mit viel Geschmack: Der neue Minimalismus beim Wohnen wird durch viele skandinavische Möbel-Labels geprägt. www.muuto.com Foto: Muuto

Auf der Suche nach Logom – der genau richtigen Mitte: So kommt optische Ruhe in eine Wohnung. www.woud.dk Foto: Woud

Nicht zu viel und nicht zu wenig: Interior Design im Stil des „neuen Minimalismus“ profitiert von einer geübten gestalterischen Hand. www.andtradition.com Foto: &Tradition

Regale und Stauraum bringen Ruhe in die Gestaltung der Wohnung und bieten zudem Platz für das Styling mit wenigen, aber wichtigen Accessoires. www.string.se Foto: String

Aus Schweden bringt das Einrichtungs-Label Design House Stockholm nordische Schlichtheit ins Heim. www.designhousestockholm.com Foto: Design House Stockholm

Dass Minimalismus und Wohnlichkeit sich nicht widersprechen müssen, zeigen schon traditionelle Wohnstile etwa aus dem skandinavischen oder auch japanischen Kulturkreis. www.muuto.com Foto: Muuto

Oft verbergen sich hinter den klaren Linien und der Einfachheit des Designs bei genauer Betrachtung eine Vielzahl von Design-Details, die die Produkte aus dem Norden, wie hier zum Beispiel von Artek, so besonders machen. www.artek.fi Foto: Artek

Die Wohnung wird zur Einrichtungs-Collage: Schlicht und gemustert, modern und Flohmarkt gehen heute sehr gut zusammen. www.woodnotes.fi Foto: Woodnotes

Traditionelles wird frech interpretiert, zu den ehemals so typischen bunten Dessins aus Primärfarben gesellen sich edle Grautöne und gedeckte Pastellfarben, und schon ist die lässige Mischung aus urbanem und rustikalem, schickem und minimalistisch schlichtem Design fertig. www.pleasewaittobeseated.dk Foto: PLEASE WAIT to be SEATED

Was macht das skandinavische Interior Design für viele derzeit so unglaublich attraktiv? Sind die sich regelmäßig in Köln versammelnden Möbelmarken von Dänemark bis Finnland einfach so überzeugend, oder ist es doch eher der durch Lässigkeit und frische Farben Optimismus verströmende „nordische Stil“, der Vorstellungen von einem einfachen Leben zwischen Birken und Bullerbü weckt? Wir tauschen begeistert unser in harten Work-Life-Balance-Verhandlungen erarbeitetes Hochglanz-Ambiente gegen Massivholzmöbel und Filzpantoffel, die digital gesteuerte Illumination gegen schlichte Kerzenständer, hängen vertikale Gärten in unsere Fenster und dekorieren eine schlichte Wolldecke auf unserer Designer-Couch. Nun kann die Entspannung kommen.
Tatsächlich sind es vor allem die skandinavischen Aussteller auf der imm cologne, die einen ganz eigenen, neuen Stil vorleben und entsprechende Produkte anbieten. Traditionelles wird frech interpretiert, zu den ehemals so typischen bunten Dessins aus Primärfarben gesellen sich edle Grautöne und gedeckte Pastellfarben, und schon ist die lässige Mischung aus urbanem und rustikalem, schickem und minimalistisch schlichtem Design fertig.

Angesagt wie nie

Skandinavisches Design ist in diesen Tagen so angesagt wie nie zuvor, und es sind neue Trendmarken aus dem Einrichtungsbereich, die für neuen Schwung sorgen. Die jungen Marken konnten sich innerhalb kürzester Zeit zu Kultmarken entwickeln. Allen voran die Marken Muuto, &Tradition, Frost, Softline oder Woud aus Dänemark. Und auch das kultige Möbel-Label mit der Aufforderung „PLEASE WAIT to be SEATED“ ist schon kein wirklicher Insider-Tipp mehr. Aus Schweden bringen Design House Stockholm und String nordische Schlichtheit ins Heim und aus Finnland steuern Artek Möbelklassiker und Woodnotes Textilien bei.

Optisch Ruhe schaffen
Der neue Stil ist schlicht und arbeitet mit minimalistischen Formen, ohne kühl zu sein, und ist dekorativ, ohne sich im Detail zu verlieren. Diese ausgewogene moderne Mischung braucht den richtigen Rahmen. Ideal sind Möbel, die mit der Architektur eine Linie bilden und nicht so sehr als Volumen hervorspringen. Sie bringen optische Ruhe in eine Wohnung. Ihre Funktion ist es in erster Linie, nicht aufzufallen und alle Funktionen vorzuhalten, die benötigt werden – in erster Linie also Stauraum zu bieten oder Stellplatz zu sein, sei es für Musikanlage, Blumen, Laptop oder was man sonst so braucht. Dann kommen ausgesuchte Möbel und Objekte, wie etwa ein besonders schöner Schrank, ein Bild, ein Sessel oder eine skulpturale Leuchte, auch sehr gut zur Geltung. Es geht also um Reduzierung, ums Weglassen und um Ordnung – aber ohne das Praktische, das Alltägliche zu vernachlässigen. Oft verbergen sich hinter den klaren Linien und der Einfachheit des Designs bei genauer Betrachtung eine Vielzahl von Design-Details, die die Produkte der neuen Trend-Labels so besonders machen.

Mit viel Geschmack
Doch wie realisiert man nun einen minimalistischen Einrichtungsstil? Nach welchen Kriterien geht man vor? Hier stehen individuelle Bedürfnisse der Bewohner im Vordergrund. Wo brauche ich besonders viel Klarheit und wo weniger? Die einen bevorzugen zum Beispiel eine aufgeräumte Optik im Bad, andere im Schlafzimmer. Im Wohnzimmer kann ein minimalistisches Interior Design schnell kühl und repräsentativ statt warm und einladend wirken, wenn man die falschen Materialien wählt. Und da heute ja eigentlich nicht nur alles erlaubt ist, sondern ein Mix & Match geradezu als Inbegriff von Kennerschaft und Trendbewusstsein gilt, kann man diesem Eindruck leicht mit einem Hauch Anachronismus entgegenwirken. Schlicht und gemustert, modern und Flohmarkt gehen heute sehr gut zusammen. Doch solche Akzente sollten äußerst sparsam gesetzt werden. Und dies macht den „neuen Minimalismus“ aus. Die Schweden haben für dieses Lebensgefühl ein passendes Wort im Sprachgebrauch. Logom (gesprochen “Lahgomm”) bedeutet bildlich übersetzt „genau die richtige Menge“. Auf die Einrichtung von Häusern und Räumen übertragen gilt es, die perfekte Mitte zweier Gegensätze zu treffen. Jedoch nicht nur im Interior Design, sondern auch in Bezug auf die selbst definierte Lebensweise.

Geschlossener Stauraum und klare Linien
„Wir merken es an unseren Kindern, welche Herausforderung der Alltag an uns stellt. Die sind doch meist erst nach einiger Zeit am Abend überhaupt fähig, abzuschalten und die Ruhe als wohltuend wahrzunehmen. Wir brauchen reizarme Räume, um das moderne, informationsgeladene Leben zu bewältigen. Und für viele Menschen ist ihr Zuhause dieser Raum. Ein ästhetisch ausgewogenes, geordnetes Umfeld, das nicht ständig danach schreit, aufgeräumt, geputzt oder abgearbeitet zu werden, hilft dabei. Geschlossener Stauraum und klare Linien sind dafür ideal“ so der Kölner Design-Journalist und Trendforscher Frank A. Reinhardt.

Minimalismus trifft Wohnlichkeit

Dass Minimalismus und Wohnlichkeit sich überhaupt nicht widersprechen müssen, zeigen schon traditionelle Wohnstile etwa aus dem skandinavischen oder auch japanischen Kulturkreis. Es kommt auf die Kombination von klaren Linien mit wärmeren Tönen, wohnlichen Materialien wie Holz und Textilien an. Auch weich gerundete Volumen sind im Minimalismus durchaus „erlaubt“, wenn man das überhaupt so sagen will. Wer sagt denn, dass ein minimalistisch gestalteter Tisch nur kantige Ecken und Beine haben darf? Minimalistisch heißt ja eigentlich nur, dass eine Form nichts Überflüssiges aufweisen sollte, und vielleicht noch, dass dabei eine möglichst minimale Materialstärke erreicht wird, wodurch im Idealfall Klarheit und Leichtigkeit erzielt wird.

Verzicht auf unnötige Deko
Wer dabei mit Holz und warmen Farbentönen arbeitet – und es gibt auch warme Weiß- und Grautöne – und den Eindruck der Leichtigkeit nicht gleich mit Tonnen von „unnötiger“ Deko zunichtemacht, sondern sich auf einige wenige Dinge beschränkt, die dann auch besonders gut zur Geltung kommen, kann sich sehr wohl minimalistisch und gemütlich einrichten. Das Licht tut dann ein Übriges. Hier kann man heute wunderbar mit verdeckten, hinter Leisten oder in Decken integrierten Lichtquellen arbeiten. Eine in warmen Tönen gestrichene Wand, die indirekt mit dimmbaren Spots beleuchtet wird, schlägt mühelos jede konventionelle Leuchte in puncto Gemütlichkeit. Eins prophezeien die Interior-Experten aber auch: Wer ein solch perfekt wohnlich gestaltetes Stück minimalistischen Interior Designs nicht mit seinem eigenen persönlichen Stil lebendig zu füllen weiß, wird niemals Gemütlichkeit erzeugen.

www.imm-cologne.de