06.08.2020

Was die Senkung der Umsatzsteuer für Küchenstudios bedeutet

Die temporär gesenkte Umsatzsteuer soll zum Konjunktur-Motor werden. Ob dies den Konsum tatsächlich auf Touren bringt, wird sich noch zeigen müssen. Sicher ist: Am Ende des Jahres steigt die Steuer wieder. Volker Schmidt von der SEB Steuerberatung erläutert, was Küchenstudios dann beachten sollten.

Volker Schmidt: „Kein Küchen­händler wird sich dem Werbe-Narrativ ‚­Küche jetzt 3% güns­tiger‘ entziehen können.“ Foto: SEB


Die Senkung der Umsatzsteuer ist Teil des Konjunkturpakets der Bundesregierung und soll dafür sorgen, die Konsumenten in Einkaufsstraßen, Möbelhäuser und auch in die Küchenstudios zu holen. Seit dem 1. Juli zahlt der Kunde nunmehr 16 statt 19% (beziehungsweise 5 statt 7) auf seine Einkäufe – und zwar bis Ende des Jahres. Das Signal ist deutlich: Wer jetzt Ausgaben tätigt, die Wohnung umbaut oder eine neue Küche kauft, wird belohnt. Drei Prozent sind für den Konsumenten gerade bei höheren Ausgaben ein spürbarer Betrag. Doch was bedeutet die Umsatzsteuersenkung für den Handel, speziell für Küchenstudios?

Agieren statt reagieren
Die Steuersenkung kam plötzlich. Kaum ins Gespräch gebracht, war sie beschlossene Sache. Der Handel konnte auf die Maßnahme nur reagieren. Zum Jahresende ist das anders. Dann, am 31. Dezember, kommt nach der Umsatzsteuersenkung die erneute Erhöhung. Und auf die Erhöhung kann sich der Küchenhandel vorbereiten. Denn das „Back-to-normal“ ist nicht ganz ohne. Da wären zunächst die steuerlichen Gesichtspunkte. In den Übergangszeiten gilt: Ob für eine Küchen­lieferung 16 oder 19% zu zahlen sind, richtet sich nicht etwa nach dem Vertragsschluss, der Rechnungsstellung oder der Zahlung. Ausschlaggebend ist der Auslieferungszeitpunkt. Und der lässt sich so definieren, wie Juristen auch den Zeitpunkt des Gefahrenübergangs beschreiben, also den Moment, in dem das Risiko des Verlusts oder einer Beschädigung der Ware vom Verkäufer auf den Käufer übergeht. In diesem Moment gehen auch Nutzen und Lasten auf den Käufer über. Wird die Küche geliefert, ist dieser Zeitpunkt mit dem Verbringen der Küchenteile in die Räume des Kunden und der Montage erreicht. Wird sie abgeholt, ist der Auslieferungszeitpunkt erreicht, sobald die Küchenteile in das Fahrzeug des Kunden geladen wurden.

Vorsicht bei Anzahlungen
Mit dem Auslieferungszeitpunkt ist recht klar, welchen Steuersatz ein Küchenstudio zugrunde legen muss. Doch es gibt Abweichungen von diesem System. Nämlich bei der Belegausstellung für Anzahlungen oder wenn vor dem Auslieferungszeitpunkt gezahlt wird. Für alle Anzahlungen, die zwischen dem 1. Juli 2020 und dem 31. Dezember 2020 auf dem Konto eingehen oder bar gezahlt werden, sind 16% Umsatzsteuer an das Finanzamt abzuführen. Und in entsprechender Weise sind diese Geldbewegungen auch in der Rechnung offen gegenzurechnen. Kompliziert? Ein Beispiel macht es deutlich: Eine ­Küche wurde am 27. Dezember 2020 angezahlt, ausgeliefert wird sie aber erst am 29. Januar 2021. In der Rechnung müssen nun zwei unterschiedliche Steuersätze vermerkt werden. Die gesamte Küche wird mit 19% Umsatzsteuer abgerechnet. Bei der Gegenrechnung der Anzahlung ist der Steuersatz von 16% zu vermerken, denn die Anzahlung des Kunden erfolgte vor 31. Dezember 2020 (und natürlich auch nach dem 30. Juni 2020).

Auf die Erhöhung vorbereiten
So schön eine Steuersenkung ist, so schmerzhaft ist die sicher folgende Erhöhung. Das zeigt ein kleiner Blick in die Geschichte: Zum 1. Januar 2007 wurde die Umsatzsteuer bereits einmal von 16 auf 19% angehoben. Vorausgegangen war ein Top-Jahr für den Küchenhandel. Das Jahr 2006 war eines der besten für den Küchenfachhandel. Diese erfreuliche Zeit endete abrupt mit dem neuen Steuersatz. Das erste Quartal 2007 war eines der schlechtesten. In aller Regel erzielten Küchenstudios im Jahr 2007 niedrigere Umsätze als zuvor. Eine Ausnahme bildeten die Küchenstudios, die massiv in Werbung investierten und so Umsatzanteile der Mitbewerber und auch der Großfläche auf sich gezogen haben. Manche dieser Küchenstudios konnten auf diese Weise sogar den Jahresumsatz 2006 noch übertreffen. Allerdings nicht unbedingt den Gewinn, denn der wurde durch die erhöhten Werbeaufwendungen natürlich wieder geschmälert. Was das schwierige Jahr 2007 aber gezeigt hat, ist dies: Der Großfläche steht ein schlagkräftiger Fachhandel gegenüber, der durchaus in der Lage ist, die Marktanteile zu seinen Gunsten zu verschieben.

Auf den Endspurt vorbereiten
Aus diesem Ausflug in die jüngere Geschichte kann eins für die gegenwärtige Situation gelernt werden. Nämlich wie Küchenstudios den größtmöglichen Nutzen aus dem Steuer-Auf-und-Ab ziehen können, beziehungsweise wie sie den Schaden aus der Erhöhung bestmöglich begrenzen. Und das geht mit einer vor­auschauenden Strategie. Kunden und Mitbewerber werden auf die Umsatzsteuererhöhung reagieren. Die Kunden werden Küchenanschaffungen vorziehen, um noch in den Genuss der reduzierten Steuer zu kommen. Diese Kunden gilt es zu gewinnen. Kein Küchenhändler wird sich dem Werbe-Narrativ „Küche jetzt 3% günstiger“ entziehen können. Im Gegenteil: Das ist der Zug, auf den alle aufspringen sollten. Maßvolle Werbung, ein Hochfahren der Kapazitäten zum Jahresende, eventuell der Verzicht auf den Urlaub zwischen den Jahren – das sind die Mittel zum Zweck. Die Produkt­auswahl sollte so verfeinert werden, dass vermehrt kurzfristig lieferbare Küchenkomponenten eingeplant werden und außerdem Lieferanten bevorzugt werden, die möglichst kurzfristig liefern können. Bei Engpasskomponenten könnte eine Bevorratung angedacht werden. Der Grund für diese Maßnahmen ist einfach: Gegen Ende des Jahres werden Einzelhändler die Nase vorn haben, die noch im alten Jahr liefern können.

Vertragliche Gestaltungsspielräume
Falls es zu Engpässen bei den Montagekapazitäten kommt, sollten vertragliche Gestaltungsspielräume genutzt werden. Die Kaufverträge können eventuell nur die Lieferung beinhalten. Für die Montage werden hingegen rechtlich eigenständige Verträge geschlossen. Dieses Vorgehen sollte allerdings über fachkundige Berater abgesichert werden. Das Finanzamt neigt einerseits dazu, zusammenzurechnen was wirtschaftlich zusammengehört. Andererseits sind Leistungen grundsätzlich teilbar. Auch die Selbstabholung durch den Kunden kann helfen, noch zum gesenkten Steuersatz verkaufen zu können.

Warum die Mühe?
Die Steuersenkung und -erhöhung führt zu einer Menge Mehrarbeit – nicht nur in Buchhaltung und Vertragsgestaltung. Trotzdem sollte man diese Mühe auf sich nehmen: Im letzten Quartal 2020 sollte der finanzielle Bewegungsspielraum für die ersten beiden Quartale 2021 erwirtschaftet werden – damit der wahrscheinliche Umsatzrückgang nicht zu Problemen führt. Das Werbebudget sollte in den ersten beiden Monaten des Jahres 2021 geschont werden. Gegen Ende des ersten Quartals wird es dann wieder Zeit, die Werbeanstrengungen wiederaufzunehmen. Denn in all dem Durcheinander ist eins ziemlich sicher: Gegen Ende des zweiten Quartals werden sich die Auswirkungen des Umsatzsteuer-Auf-und-Ab wieder verflüchtigt haben.


Fahrplan für das Umsatzsteuer-Auf-und-Ab

  • Seit dem 30. Juni 2020: buchhalterische und steuerliche Änderungen berücksichtigen
  • Gegen Ende des 3. Quartals bis zum Jahresende: Werbeausgaben steigern
  • Bis Ende des Jahres: Kapazitäten und Lieferfähigkeit sicherstellen
  • Anfang 2021: Werbung zurückfahren
  • Ab Ende des 1. Quartals 2021: langsam wieder zum Normalmodus zurückkehren

 



Volker Schmidt und die SEB Steuerberatung
Volker Schmidt ist nicht nur Steuerberater und Vereidigter Buchprüfer – er ist ebenfalls Fachberater für Unternehmensnachfolge und für die Umstrukturierung von Unternehmen sowie Datenschutzbeauftragter insbesondere für den Küchenhandel. Die SEB Steuer­beratung beschäftigt 50 Mitarbeiter und ist seit 1990 auf den Kücheneinzelhandel spezialisiert. Derzeit betreut die Beratungsgesellschaft rund 80 Kücheneinzelhandelsunternehmen unterschiedlicher Größen mit diversen Verbandszugehörigkeiten. Die persönliche Betreuung hinsichtlich betriebswirtschaftlicher, steuerrechtlicher, buchhalterischer und datenschutzrechtlicher Fragen steht dabei im Vordergrund.