21.10.2020

Poggenpohl will zurück zum Aha!-Effekt

Wirklich langweilig war es bei Poggenpohl in den letzten Jahren nie, doch in den vergangenen Monaten dürfte es sich angefühlt haben wie im Schleudergang. Nun wirbt der neue Geschäftsführer Ralf Marohn um Vertrauen. Poggenpohl sei noch immer eine Marke mit Strahlkraft für die gesamte Branche.

Ralf Marohn, Geschäftsführer Poggenpohl Manufacturing GmbH: „Eine Marke mit Strahlkraft für die gesamte Küchenbranche.“ Foto: Biermann

Die Vorbereitungen liefen schon seit mehr als zwei Jahren, jetzt wurde es amtlich gemacht. Poggenpohl lässt seine 8-mm-Alu-Zarge künftig von Hettich statt von Blum produzieren. Das System wurde technisch „deutlich weiterentwickelt“ (unter anderem mit weiteren Verstellmöglichkeiten) und nennt sich „AvoriTech“. Die Umstellung soll im April 2011 erfolgen. Foto: Biermann

Mit wenigen Elementen viel Nutzen erreichen: Diese Innenausstattung in gebeizter dunkler und heller Eiche ist noch ein Prototyp. Basis sind verschieden große Grundplatten und flexibel einsetzbare Elemente, die auf Grundlage von Hanf hergestellt werden. Foto: Biermann

Auch bei Poggenpohl ist „matt“ das große Thema. Dank eigener Lackiererei lassen sich neben den definierten Poggenpohl-Farben alles RAL- und NCS-Farben realisieren. Weiß natürlich auch. Foto: Biermann

Während der Insolvenzphase ging die Produktentwicklung bei Poggenpohl weiter. So könnte sich das Unternehmen ein „Präsenterregal“ fürs Studio vorstellen – mit Raum für Muster, Farben und Planungsmöglichkeiten. Noch ist es ein Prototyp. Foto: Biermann

Prototyp: Innenausstattung für Auszüge in gebeizter dunkler und heller Eiche. Foto: Biermann

Am 24. April 2020 meldet der Küchenmöbelhersteller beim Amtsgericht Bielefeld den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, im Juni scheint es, als steige die britische Lux Group Holdings Ltd. in Partnerschaft mit der deutschen Unternehmerfamilie Wolf als Investor ein, im Juli folgt die Kehrtwende mit der Nachricht, dass aus der Lux/Wolf-Übernahme nichts wird und stattdessen Jomoo, ein Unternehmen aus China, den Traditionshersteller aus Herford erwirbt – und im August übernimmt Ralf Marohn die Leitung des Unternehmens als neuer Geschäftsführer und Nachfolger von Gernot Mang. Interessant dabei: Marohn ist Geschäftsführer der RWK & Kuhlmann Küchen GmbH in Löhne. Und wird dies weiterhin bleiben, wie er im Gespräch zur Küchenmeile erläuterte. Denn operativ sind bei kuhlmann die Verantwortlichkeiten schon seit einem Jahr klar definiert: Christian Reupke leitet den Vertrieb, Hilmar Fröhlich alle Belange rund um die Produktion. Beide verfügen über Prokura.

„Könnt ihr liefern? Ja, klar!“
So kann sich Ralf Marohn derzeit mit einem Großteil seiner Aufmerksamkeit auf die Situation bei Poggen­pohl konzentrieren. Und auf die Kontakte zu den Handelskunden im In- und Ausland. Denn die trieb in den letzten Wochen oft eine ganz pragmatische Frage um: „Könnt ihr liefern oder nicht?“
„Ja, können wir, selbstverständlich“, lautet die Antwort. Und das sei auch nie anders gewesen. „Die Produktion lief trotz Insolvenz und Corona-Pandemie immer weiter“, zollte ­Marohn dem Insolvenzverwalter ­Manuel Sack von der Kanzlei Brinkmann & Partner allerhöchsten Respekt. Dass der neue Eigentümer Jomoo angesichts seiner chinesischen Herkunft in manchen Medien überaus kritisch betrachtet wurde, scheint ihn zu wurmen. „Wenn ­Jomoo nicht inves­tiert hätte, würde es Poggen­pohl nicht mehr geben“, stellt er klipp und klar fest. Dementsprechend sei der Erhalt von 280 Arbeitsplätzen in Deutschland – und 400 insgesamt – ein Riesenerfolg.

Kundenservice massiv ausbauen
Nun geht es für das Führungsteam in Herford also wieder mal um den Aufbau bzw. Erhalt des Vertrauens der Handelskunden. Und Ruhe ins Unternehmen zu bringen. Für Ralf Marohn ist Poggenpohl noch immer eine Marke mit Strahlkraft für die gesamte Küchenbranche. Und das soll selbstbewusst gelebt werden. „Wir wollen wieder den Aha!-Effekt schaffen“, kündigt der Geschäftsführer eine Offensive in der Produktentwicklung an. Das Prestige-Projekt „Porsche-Küche“ wird dabei wohl nicht weitergeführt. Oder wenn, mit einzelnen Stilelementen, aber nicht mehr als Lizenznehmer von Porsche Design. Die Verträge seien durch die Insolvenz hinfällig, erinnert Ralf Marohn.
Gleichzeitig kündigt er an, den Kundenservice massiv ausbauen zu wollen. Ein konkretes Bespiel nennt er aus dem Bereich Montage. So sollen eigene Montage-Teams aufgestellt werden, um die Handelskunden bei Spitzen und Engpässen ganz praktisch zu unterstützen. Aktuell werden in Herford mehrere neue Mitarbeiter gesucht, unter anderem um die Design- und Innovationsabteilung zusätzlich zu stärken.

Impulse aus dem Jomoo-Netzwerk
Dass der neue Poggenpohl-Eigentümer aus China kommt, hält Ralf Marohn vertrieblich betrachtet für zweitrangig. „Wir produzieren weiterhin am Standort Herford und betreiben von hier aus unsere Geschäftsbeziehungen – und das mit einem Führungsteam aus Deutschland“, sagt er. Diese Aussage lässt vermuten, dass er davon ausgeht, weitgehend selbstständig und ohne grundlegende Einflussnahme des Investors agieren zu können. Parallel dazu erhofft er sich vom Jomoo-Netzwerk zusätzliche Impulse. Denn das Unternehmen verfolge schon seit 30 Jahren eine strategische Markenpolitik und habe damit im Schwerpunktmarkt Bad große Erfolge erzielt. Da Kunden im Objektgeschäft Einrichtungen für Küche und Bad gern über einen einzigen Lieferanten abwickeln, lag es für Jomoo nahe, sich an einem renommierten Küchenmöbelhersteller mehrheitlich zu beteiligen. Beziehungsweise, wie jetzt geschehen, ihn komplett zu übernehmen. „Es ist immer gut, wenn ein Investor eigene Kunden mitbringt“, sagt Ralf Marohn und schweigt nach dieser Aussage einige Momente bedeutungsvoll. Was andeuten könnte, dass dies in der jüngeren Poggenpohl-Vergangenheit nicht immer so gewesen sein könnte. Abschließend stellt Marohn angesichts der Bad-Aktivitäten des Investors auch klar: „Poggenpohl bleibt eine Küchenmarke.“ Und abschließend: „Wir können Ziele nun strategisch in Angriff nehmen, weil die Budgets dafür da sind.“

www.poggenpohl.de