22.02.2021

Fluch und Segen – Bewertungsportale im Internet

Bewertungsportale sind aus dem täglichen Leben nicht mehr wegzudenken. Bewertet werden Waren und Dienstleistungen aller Art – also auch alle Segmente der Kücheneinrichtung und damit verbundene Planungsleistungen. Doch was lässt sich gegen schlechte Kritik oder gar Unwahrheiten tun?

 

Dr. Ulrich Franz ist seit 1994 als Rechtsanwalt in Berlin tätig unter www.franz.berlin. Er ist Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz, Fach­anwalt für Urheber- und Medienrecht und Lehrbeauftragter an der Hochschule für Technik und Wirtschaft/Berlin. Er hat zahlreiche Fachartikel zu Bewertungs- und Preisvergleichsportalen, Vergleichender Warentest und Werbung mit Testergebnissen veröffentlicht. Foto: Franz

„Für den Bewerteten sind die Bewertungsportale Fluch und Segen“, sagt Rechtsanwalt Dr. Ulrich Franz. Denn wer von seinen Kunden gut bewertet wird, erfreut sich unerwarteter Gratiswerbung und kann hierauf verweisen. Wer hingegen schlecht bewertet wird, wird mit weniger Neukunden und Umsatzrückgängen rechnen müssen. Für den Verbraucher zählen dabei zunächst Aktualität, Kostenlosigkeit und jederzeitige Abrufbarkeit, dann aber vor allem, dass er Bewertungen von anderen Verbrauchern erhält, die die Leistung bereits in Anspruch genommen haben. Diese Kritik erscheint glaubwürdiger als jede Art von Eigenwerbung. Auch neigt der Verbraucher instinktiv zu der Annahme, dass eine Vielzahl subjektiver Einzelbewertungen irgendwie ein objektives Gesamtbild abgibt. Generiert der Portalbetreiber Durchschnittsnoten, kommt eine beim Verbraucher latent vorhandene Zahlengläubigkeit hinzu. Unbestritten dienen Portale der Information der Verbraucher und erhöhen damit die Markttransparenz. Wie die Bewertungen zustande gekommen sind, ob sie inhaltlich richtig oder vonseiten des Kritikers oder des Bewerteten selbst bzw. seines Strohmanns frei erfunden sind, kann und wird der Verbraucher nicht hinterfragen. Für den Bewerteten stellt sich die Frage, wann und wie er gegen geschäftsschädigende Kritik vorgehen kann. Was dabei zu beachten ist, erläutert Dr. Franz in diesem Fachbeitrag.
Zu den gefestigten Grundlagen des Medienrechts gehört demnach, dass derjenige, der seine Leistungen öffentlich anbietet, sich der öffentlichen Kritik seiner Leistung stellen muss. Auch betrifft Gewerbekritik nur die berufliche Tätigkeit des Bewerteten und damit die am wenigsten geschützte Sozialsphäre. Daher besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Löschung sämtlicher Bewertungen; die ungefragte „Zwangsmitgliedschaft“ in einem Bewertungsportal wird von der Rechtsprechung akzeptiert. Ein umfassender Löschungsanspruch kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn der Portalbetreiber seine Stellung als neutraler Informationsmittler verlässt. Das wurde z.B. beim Arztbewertungsportal www.jameda.de angenommen, weil dort Ärzten entgeltliche Premium-Pakete angeboten wurden, mit denen bei Aufruf sämtliche im räumlichen Umfeld konkurrierenden Ärzte mit besserer Bewertung als Anzeige präsentiert wurden, wohingegen diese Werbung bei Aufruf der zahlenden Ärzte unterdrückt wurde.

Unzulässige Schmähkritik
Der Bewertete hat daher allenfalls Ansprüche auf Unterlassung konkreter Äußerungen. Einfach ist die Rechtslage bei „Fake“-Bewertungen: Diese sind immer und insgesamt unzulässig. Wer diese selbst verfasst oder in Auftrag gibt, handelt unlauter. Eindeutig ist die Rechtslage auch bei Tatsachenbehauptungen (z.B. Öffnungszeiten oder die Anzahl der Mitarbeiter): Diese müssen stets wahr sein. Kritik in Bewertungsportalen ist dagegen regelmäßig als Meinungsäußerung zu qualifizieren. Da das Grundgesetz die freie Meinungsäußerung schützt, ist diese nur unzulässig, wenn es sich um Beleidigungen und Schmähkritik handelt. Unzulässige Schmähkritik liegt vor, wenn es dem Kritiker nicht mehr um die Auseinandersetzung in der Sache, sondern um die Diffamierung des Bewerteten geht. Im Ergebnis werden die meisten Bewertungen eine zulässige Meinungsäußerung darstellen, insbesondere auch bei Vergabe von Schulnoten, Durchschnittsnoten oder Sternchen.

Häufig anonym
Bei der Anspruchsdurchsetzung steht der Bewertete vor dem Problem, dass der Kritiker seine Äußerungen in der Regel anonym abgibt und mangels Kenntnis von Namen und Adresse nicht in Anspruch genommen werden kann. Nach der Rechtsprechung steht dem Bewerteten kein Auskunftsanspruch gegen den Portalbetreiber zu, weil dieser ohne Einwilligung des Kritikers die Herausgabe dessen Anmeldedaten nicht befugt ist.
Daher bleibt dem Bewerteten nur der Weg, den Portalbetreiber in Anspruch zu nehmen. In diesem Verhältnis stellt sich das Problem, dass der Portalbetreiber keine eigenen Behauptungen aufstellt und sich fremde Kritik grundsätzlich auch nicht zu eigen macht. Das wäre nur dann anders, wenn er seine Rolle als neutraler Vermittler verlässt und eine aktive Rolle einnimmt, indem er die fremden Äußerungen inhaltlich-redaktionell aufbereitet, ihren Wahrheitsgehalt überprüft oder gar eigenmächtig und ohne Rücksprache mit dem Kritiker Änderungen vornimmt.

Portalbetreiber in der Pflicht
Der Portalbetreiber kann aber als mittelbarer Störer in Anspruch genommen werden, weil er die technischen Möglichkeiten für die Verbreitung einer rechtsverletzenden Kritik schafft. Hier hat die Rechtsprechung ein qualifiziertes „­notice and action“-Verfahren entwickelt. Ausgangspunkt ist, dass der Portalbetreiber nicht verpflichtet ist, die von Kritikern eingestellten Beiträge vor Veröffentlichung auf eventuelle Rechtsverletzungen zu überprüfen. Das kann er auch gar nicht. Tätig werden muss er erst dann, wenn er vom Bewerteten über eine Rechtsverletzung informiert wird. In diesem Fall ist der Portalbetreiber verpflichtet, die Beanstandung an den Kritiker weiterzuleiten und diesen zu einer Stellungnahme innerhalb angemessener Frist aufzufordern. Bleibt diese aus, ist der beanstandete Eintrag zu löschen. Bestreitet der Kritiker substantiiert die Berechtigung der Beanstandung, ist der Portalbetreiber grundsätzlich gehalten, dem Bewerteten dies – ano­nymisiert – mitzuteilen und ggf. Nachweise zu verlangen, aus denen sich die behauptete Rechtsverletzung ergibt. Nunmehr ist wieder der Bewertete gefordert: Bleibt seine Stellungnahme aus oder legt er die vom Portalbetreiber geforderten Nachweise nicht vor, ist eine weitere Prüfung nicht veranlasst; der Eintrag bleibt bestehen. Ergibt sich dagegen aus der Stellungnahme des Bewerteten oder den vorgelegten Nachweisen unter Berücksichtigung einer etwaigen Äußerung des Kritikers eine Rechtsverletzung, ist der beanstandete Eintrag zu ­löschen.

Portale im Blick behalten
Der Portalbetreiber agiert in diesem „Ping-Pong-Spiel“ wie ein neutraler Schiedsrichter zwischen den widerstreitenden Positionen. Wichtig zu wissen ist, dass die meisten Kritiker nach Zuleitung einer Beanstandung nicht mehr reagieren, sodass die Kritik i.d.R. gelöscht wird, auch wenn sie inhaltlich berechtigt war bzw. einer gerichtlichen Überprüfung standgehalten hätte. Es empfiehlt sich daher immer, die digitale Repräsentation und Bewertungen in Portalen regelmäßig zu überwachen und das dargestellte Verfahren selbst oder über einen Anwalt einzuleiten.


Check-Liste zu einem Vorgehen gegen negative Kritik in Bewertungsportalen

  • Ist der Kritiker bekannt, sodass er selbst in Anspruch genommen werden kann?
  • Bestehen Anhaltspunkte für eine „fake“-Bewertung?
  • Hat der Portalbetreiber seine neutrale Stellung verlassen?
  • Hat der Portalbetreiber sich die fremde Kritik zu eigen gemacht?
  • Liegt eine unwahre Tatsachenbehauptung vor?
  • Liegt eine unzulässige Meinungsäußerung in Form einer Beleidigung oder Schmähkritik vor?
  • Ist der Portalbetreiber auf die Rechtsverletzung hingewiesen worden? Hat er seine Pflichten zur Nachforschung oder zur Löschung verletzt?