15.07.2021

Die Blum-Bilanz für das Wirtschaftsjahr 20/21 gleicht einem Paukenschlag. Der Beschlägespezialist meldet ein Umsatzplus von beeindruckenden 24,7 %. Doch in die Zufriedenheit mischen sich Sorgenfalten: Rohstoffknappheit, massive Kostensteigerungen und eine angespannte Lieferkette sorgen für enorme Herausforderungen.

„Jetzt zeigt sich der Wert langjähriger Partnerschaften.“ Geschäftsführer Martin Blum. Foto: Blum

Der Vorarlberger Beschlägespezialist Blum meldet für das gerade abgelaufene Wirtschaftsjahr ein erhebliches Umsatzplus von 24,7 %. Foto: Blum

„Ein erfolgreiches und turbulentes Wirtschaftsjahr.“ Geschäftsführer Philipp Blum. Foto: Blum

Die Blum-Gruppe erwirtschaftete vom 1. Juli 2020 bis zum 30. Juni 2021 einen Umsatz von 2,376 Mrd. Euro. Und damit 24,7 % oder 470 Mio. Euro mehr als im Wirtschaftsjahr 19/20. Bis zum finalen Bilanzstrich war es Corona-bedingt auch in Höchst am Bodensee ein langer Weg. Und vor allem ein turbulenter, wie Geschäftsführer Philipp Blum bei der Bilanzpressekonferenz erläuterte. Die v-förmig angelegte Streckenführung der Pandemie ist branchenweit bekannt und hat auch bei Blum das aktuelle Tagesgeschäft geprägt: Der erste Corona-Schock führte zu vorübergehend heruntergefahrenen Produktionen und geschlossenen Möbelhäuser, gefolgt von einer weltweiten Nachfrage auf höchstem Niveau. Dieses Auftragshoch sei bis heute ungebrochen. Was dem Vorarlberger Beschlägehersteller den nun kommunizierten überproportionalen Umsatzanstieg bescherte. Und vermutlich weiterhin bescheren wird. Zumindest Stand Mitte Juli blickt das Unternehmen zusammen mit seinen Kunden der Küchen- und Möbelindustrie grundsätzlich optimistisch in die Zukunft. Denn die Bedeutung der eigenen vier Wände hat während der Krise überall auf der Welt gewonnen. Dieser Homing- beziehungsweise Cocooning-Effekt sei schon vorher ein stabiler Trend gewesen, sagte Philipp Blum, doch durch Corona habe diese Entwicklung einen wahren Boost erfahren. 

Gewisse Stabilität

Doch die grundsätzlich erfreuliche Situation bringt auch bei Blum erhebliche Herausforderungen mit sich. Denn pandemiebedingt sind wie hinlänglich bekannt manche Rohstoffe knapp und teuer. In der Logistik stottert es ebenfalls. Blum beschreibt den Hintergrund so: Der Stahlpreis hat sich nahezu verdoppelt, zudem sind Kunststoff, Verpackungen, Zink oder Aluminium von massiven Preissteigerungen betroffen. Eine ähnliche Entwicklung zeigt sich im Transportwesen, sowohl im Land- als auch im Seeverkehr wurden die Preise teilweise empfindlich erhöht. „Die gesamten internationalen Lieferketten sind angespannt“, resümierte Geschäftsführer Martin Blum. Und er fügte an: „Die Puffer sind leer, jedes Ereignis schlägt sofort durch.“ Doch dass nicht jedes externe Ereignis gleich zu folgenreichen Produktionsschwankungen führt, habe einen Grund: „Auch wenn die Situation aktuell sehr herausfordernd ist, sorgen unsere langjährigen Partnerschaften mit unseren Lieferanten zumindest für eine gewisse Stabilität“, ist Martin Blum überzeugt. 

Dank für Einsatzbereitschaft

Wenn kurzfristig Liefermengen ausfallen, hilft nur Flexibilität und Offenheit für neue Lösungen. Die Bereitschaft dazu sei hoch im Unternehmen. Ganz besonders bei den Mitarbeitern, die von der Geschäftsleitung für ihre Einsatzbereitschaft einen speziellen Dank erhielten. Diese Wertschätzung für die Belegschaft hat bei Blum Tradition und ist Teil der Unternehmensidentität. Mit Ende des Wirtschaftsjahres arbeiten 8.778 Leute weltweit für das Unternehmen, davon 6.551 in Vorarlberg. Im vergangenen Jahr wurden in Vorarlberg 371 neue Mitarbeitende eingestellt, weltweit 429. Die Ausbildung junger Menschen zu Fachkräften bleibt für das Unternehmen weiterhin ein wichtiger Faktor, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken und sich langfristig für die Zukunft aufzustellen. Mit 1. September starten 93 neue Lehrlinge ihre Ausbildung in Vorarlberg, 8 junge Menschen in den USA und 2 in Polen.

Die Hände gebunden

Doch an manchen Tagen genügt selbst der größtmögliche Wille zum beweglichen Umgang mit unvorhergesehenen Situationen nicht. Schließlich ist auch Blum von externen Entwicklungen abhängig. „Die Versorgung unserer Bestandskunden stand zu jederzeit für uns an erster Stelle“, betonte Philipp Blum. Dies konnte bislang auch durchgehend umgesetzt werden, wenngleich teilweise mit Lieferverzögerungen. „Bei extremen Entwicklungen sind uns die Hände gebunden“, warb er für Verständnis der Kunden in Industrie und Handwerk. Nur durch die teilweise angepassten Lieferzeiten sei es möglich gewesen, die rapide gestiegene Nachfrage aus den Märkten zu bedienen. Auf Anfrage bestätigte der Geschäftsführer zudem, dass es angesichts der teils erheblichen Kostensteigerungen bei Rohwaren zu Preisanpassungen der Blum-Produkte kommen wird. Diese Kosten sollen „zum Teil“ weitergegeben werden. 

Blick auf die Märkte

Die Märkte Westeuropas verzeichneten im Wirtschaftsjahr 2020/2021 durchgehend ein starkes Wachstum, laut Blum insbesondere Italien, Frankreich, UK und Deutschland. Große Zuwächse habe es in Osteuropa gegeben, wie etwa in Polen, Russland, Tschechien und der Türkei. Auch die nordamerikanischen Märkte entwickelten sich gut. Umsatzwachstum gab es zudem in den Märkten in Asien und Ozeanien. Besonders dazu beigetragen habe die dynamische Entwicklung in China. Ein positives Jahr verzeichnete das Unternehmen auch in Afrika, Südamerika sowie den Märkten des Nahen und Mittleren Ostens. Der Beschlägespezialist beliefert Kunden in mehr als 120 Märkten – seit Frühjahr 2021 zählen mit der Neugründung von Blum Indonesien weltweit insgesamt 33 Tochtergesellschaften und Repräsentanzen zum Unternehmen.

USA größter Einzelmarkt

Um nah bei den Kunden zu sein, habe sich gerade die internationale Ausrichtung durch die lokalen Organisationen und Verkaufsteams auf der ganzen Welt während der Pandemie als besonders wichtig erwiesen, ist Philipp Blum überzeugt. Die Umsatzverteilung der Blum-Gruppe ist im Vergleich zum Vorjahr konstant geblieben. „Wir erwirtschaften nach wie vor den größten Teil unseres Umsatzes, nämlich 44 %, in unserem Heimmarkt, der Europäischen Union“, informiert Philipp Blum. Die USA bleiben mit einem Anteil von 13 % der größte Einzelmarkt, die anderen Märkte weltweit tragen 43 % zum Gesamtumsatz bei.

Kontinuierliche Investitionen

Die weltweiten Gesamtinvestitionen für das vergangene Wirtschaftsjahr liegen bei 259 Mio. Euro. 176 Mio. davon in Vorarlberg. Blum investiert trotz der teils unsicheren allgemeinen Lage konstant und langfristig in die Erweiterung der Gebäude, Maschinen und Anlagen. „Durch die langfristigen Planungen waren wir überhaupt in der Lage, dieser unerwartet starken Nachfrage bestmöglich zu begegnen“, so Martin Blum. Die Erweiterung im Werk 4 in Bregenz wird noch im Sommer in Betrieb genommen. Im Werk 6 in Gaißau ist der Start für den Ausbau der Produktion und des Hochregallagers bereits erfolgt, die Inbetriebnahme ist für Mitte 2023 geplant. „Wir bekennen uns damit auch weiterhin klar zum Produktionsstandort Vorarlberg“, informiert Martin Blum.

Parallel stärkt die Gruppe mit weltweiten Investitionen ihre internationale Ausrichtung. Im „Sinne einer gesunden Wachstumsstrategie“, wie es heißt. So rechnet das Unternehmen am Standort Polen mit der Fertigstellung der Betriebserweiterung ab Herbst 2023. Der Bau des Produktionsstandorts China wird bereits Anfang 2022 abgeschlossen sein. „Das ist ein stark wachsender Markt – um die Nachfrage im chinesischen Markt abzudecken, haben wir uns für den Aufbau einer lokalen Produktion entschieden. Das bringt uns eine höhere Flexibilität, wir sind näher bei unseren Kunden und vermeiden lange Transportwege“, erklärt der Geschäftsführer.

Neue Wege der Kommunikation

Auch in einem „turbulenten Wirtschaftsjahr“ sieht Blum die laufenden Innovationen bei den Produkten und Services als Versicherung für die Zukunft. Mit der hybriden Veranstaltung „Blum CONNECTS“ im Rahmen der Weltleitmesse interzum nutzte das Familienunternehmen digitale Technologien in einem bislang nicht bekannten Umfang. In einer Kombination aus lokalen Events bei den Marktorganisationen und digitalen Elementen präsentierte der Beschlägehersteller seine Innovationen weltweit seinen Kunden. So ist „Revego“, das Pocketsystem als Lösung zum Verschließen großer Fronten, erstmals bei verschiedenen Kunden im Einsatz. Es bietet individuelle Gestaltungsmöglichkeiten für kleine und große Räume. Für minimalistisches Design steht „Aventos HKi“. Dabei handelt es sich um einen Beschlag, der selbst beim Öffnen kaum sichtbar ist und zum Beispiel „beschlagfreie“ beleuchtete Vitrinenschränke erlaubt. Auch dem Trend nach dunklen und metallischen Oberflächen kommt Blum bei den Möbelbeschlägen nach. „Wir versuchen, die Designwünsche unserer Kunden nach mehr Individualität in Küchen und Möbel mit unseren Beschlagslösungen zu unterstützten“, betonte Philipp Blum beim Gang durch den neu eingerichteten Schauraum in den Räumen der Unternehmenszentrale in Höchst.

Ausblick mit Fragezeichen

Für Philipp Blum ist klar: „Die Erfahrungen, die wir als Unternehmen in den letzten eineinhalb Jahren gemacht haben, bringen uns weiter voran. Die digitalen Möglichkeiten bieten viele Chancen, allerdings haben sie auch aufgezeigt, dass persönliche Gespräche und der Austausch nicht ersetzbar sind.“ Dies auch für das Messewesen. „Die Absage von Messen ist alles andere als erfreulich“, so der Geschäftsführer, „das gilt besonders für unsere Leitmesse interzum.“ Denn Produkte von Blum müssten im wahrsten Sinne begriffen werden, um ihr Potenzial zu erleben.

Der Blick in die nächste Zukunft ist durchaus zuversichtlich aber auch von Fragezeichen begleitet: Nach Einschätzung der Geschäftsführung werden die internationalen Lieferketten sowie die Verfügbarkeit beim Rohmaterial noch länger so angespannt bleiben. „Wir hoffen, dass uns – auch aufgrund der hohen Durchimpfungsrate – weitere Lockdowns erspart bleiben“, sagt Philipp Blum. Gleichzeitig stelle sich die Frage, ob der Homing-Trend und die damit verbundene Verschiebung des privaten Konsums von Dauer seien. 

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