24.07.2019

„Künstliche Intelligenz – Anwendungen, Chancen und Risiken“ lautete der Titel der diesjährigen gfu Insights & Trends. Das Innovationsforum fand im Rahmen der Innovation Media Briefings in Berlin statt und wurde von Judith Rakers moderiert. Hans-Joachim Kamp, Aufsichtsratsvorsitzender der gfu, stellte die Ergebnisse einer Markt-Studie dazu vor.

Hans-Joachim Kamp, Aufsichtsratsvorsitzender der gfu, stellte die Ergebnisse einer Markt-Studie dazu vor, Judith Rakers moderierte den Kongress. Foto: Biermann

Spannenden Input rund um eines der großen Trend-Themen der anstehenden IFA (6. bis 11. September 2019) bot das Innovationsforum gfu Insights & Trends der gfu Consumer und Home Electronics GmbH, dem Veranstalter der IFA, am 10. Juli in Berlin. Auf der Veranstaltung, die von Judith Rakers moderiert wurde, gaben hochrangige Vertreter der Consumer & Home Electronics, aus verwandten Branchen sowie aus der Welt der Medientechnologien und Wissenschaft Einblick in das hochaktuelle Thema Künstliche Intelligenz und skizzierten Chancen, Risiken und Szenarien für künftige Entwicklungen.

Viele Fragen
Künstliche Intelligenz, kurz KI, ist das prägende Stichwort in allen aktuellen Technologiedebatten. Dabei sind die Vorstellungen davon, was KI eigentlich ist und was sie bewirkt, oft sehr diffus. Nicht selten dominieren sogar Sorgen um Risiken und mögliche negative Folgen von KI die Sichtweisen der Konsumenten. Typische Fragen, die auch häufig von den Medien aufgeworfen werden, sind:

  • Wird KI zum Jobkiller?
  • Werden die Maschinen irgendwann schlauer sein als wir?
  • Leuchtet KI bis in die letzten Winkel der Privatsphäre?

Die Veranstaltung gfu Insights & Trends lieferte viele Erkenntnisse zu diesen (Streit-)Fragen und brachte so mit den folgenden Beiträgen ein wenig mehr Licht in die KI-Debatte.
 
Was Konsumenten denken
Zunächst kamen die Konsumenten zu Wort. Hans-Joachim Kamp, Aufsichtsratsvorsitzender der gfu, stellte die Ergebnisse der jüngsten Markt-Studie der gfu vor. Sein Beitrag „Geteilte Meinungen – wie KI beim Verbraucher ankommt“ ging unter anderem der Frage nach, ob Künstliche Intelligenz akzeptiert wird oder auf Skepsis stößt. Darüber hinaus präsentierte Hans-Joachim Kamp weitere Studienergebnisse aus diversen Themenbereichen. Manche Ergebnisse der Studie stützen die Erwartungen, andere überraschen. „Insgesamt solle sie helfen, den Markt zu verstehen und die Aktivitäten von Industrie und Handel noch besser an den Bedürfnissen der Konsumenten auszurichten“, meinen die Initiatoren.
Welche Technik-Begriffe sind den Nutzern bekannt? Wie werden Smart TVs genutzt? Welche Streaming-Angebote sehen die Zuschauer und auf welchen Geräten? Wie sind die Einstellungen der Verbraucher zu Künstlicher Intelligenz (KI)? So lauteten einige Fragen dieser repräsentativen Studie* mit der Befragung von 2.000 Haushalten in Deutschland, die im Mai dieses Jahres im Auftrag der gfu Consumer & Home Electronics GmbH durchgeführt wurde.
Nach ihrer generellen Einstellung zu KI und welche Technologien die Befragten bereits nutzen, oder deren Nutzung planen, gefragt, ergab sich demnach folgendes Ergebnis: Im Bereich Verkehr gaben 80% an, KI bereits zur Verkehrsleitung zu nutzen, oder planen eine Nutzung. 44% beträgt der entsprechende Prozentsatz für autonomes Fahren. Die für die IFA relevanten Branchen bieten ebenfalls Produkte mit KI an. Bezüglich der Nutzung ergab sich folgendes Resultat: 68% nutzen oder planen die Nutzung von Sprachsteuerung bzw. Spracherkennung, 57% sind es bei der Steuerung von Hausgeräten, 53% für die Empfehlung von Medieninhalten, 59% bei der Gesichtserkennung und 63% für die Live-Übersetzung.
Den größten Nutzen von KI-Technologie sehen 55% in der Medizintechnik, jeweils 47% in der Gesichtserkennung und Verkehrslenkung sowie 45% in der industriellen Fertigung (Mehrfachnennungen waren möglich).
Für bestimmte KI-Anwendungen zeigen die Studienergebnisse eine starke Polarisierung zwischen den Altersgruppen. So sehen 42% der 16- bis 39-Jährigen den größten Nutzen von KI für den Bereich Smart Home. In der Altersgruppe über 59 sind es nur 14% und über alle Altersgruppen sind es 29%. Beim autonomen Fahren sind es ebenfalls die 16- bis 39-Jährigen, die mit 35% den größten Nutzen sehen. Bei den über 60+ Jährigen sind es ebenfalls 14% und insgesamt sind es 25%.

Skepsis ist noch immer groß
Befragt nach den Gründen für Skepsis hinsichtlich Künstlicher Intelligenz nannten 60% der Studienteilnehmer den Schutz der Privatsphäre. 59% halten die Technologie noch nicht für ausgereift. 56% befürchten eine umfassende Kontrolle durch KI und 38% sehen keinen Mehrwert (Mehrfachnennungen waren möglich).
Eine weitere Frage bezog sich auf die wirtschaftlichen Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz. 62% gaben an, dass KI aufgrund neuer Anwendungen neue Märkte öffnen wird. 60% sehen KI als wichtig für die Wettbewerbsfähigkeit an. Dass KI den Arbeitsalltag erleichtern wird, glauben 58%. Differenziert ist die Betrachtung hinsichtlich der Arbeitsplätze: So denken zwar 24%, dass KI neue Arbeitsplätze schafft, aber 64% befürchten den Abbau von Arbeitsplätzen (Mehrfachnennungen waren möglich).
Welche Länder vermuten die Befragten bei KI als führend? Diese abschließende Einschätzung brachte folgende Rangliste: Platz eins mit 76% China, gefolgt von den USA mit 67% und Japan mit 50%. Die Position Deutschlands schätzten die Befragten mit 32% auf Platz vier ein.

Fazit der KI-Studie
Aus den Ergebnissen der gfu Studie 2019 lässt sich nach Meinung der Initiatoren dieses Fazit ziehen:

  • Die Einstellung der Bevölkerung zu den Nutzungsmöglichkeiten von KI ist überwiegend positiv.
  • Größter Nutzen von KI wird in den Bereichen Medizintechnik, Verkehrslenkung und industrieller Fertigung gesehen.
  • Schutz der Privatsphäre und nicht ausgereifte Technologien sind Hauptgründe für Ablehnung von, bzw. Skepsis vor KI.
  • Neben der Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit und neuer Marktchancen wird aber auch der Abbau von Arbeitsplätzen durch KI erwartet.
  • Als führende Nationen von KI werden mit Abstand China und die USA gesehen – signifikant dahinter folgen Japan und Deutschland.

Weitere Infos zum Spielfilm
Im Anschluss an die Vorstellung der Studienergebnisse sprach Dr. Matthieu Deru, Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI), zum Thema „Semantisches TV – wie KI den Inhalt bewegter Bilder erkennt“. Sein Saarbrücker Forschungsteam hat sich in einem speziellen Projekt auf die Erkennung von Inhalten bewegter Bilder spezialisiert. Damit können Computer Filme und Videos mit passenden Metadaten ergänzen und zum Beispiel automatisch im Internet nach verwandten oder vertiefenden Informationen suchen. Anwendungsfelder können Recherchesysteme für Redaktionen sein, aber auch Empfehlungsdienste für private Mediennutzer. „KI kann helfen, die Post-Netflix-Ära zu gestalten: Zuschauer erleben Fernsehen komplett neu, wenn Content-Provider ihnen interaktive und wissensbasierte Dienste anbieten“, erklärte Dr. Deru.

Automatische Anpassung
Als drittes beschäftigte sich Mike Henkelmann, Marketing Director TV & AV Samsung Electronics GmbH, mit der Rolle Künstlicher Intelligenz bei der Aufbereitung von bewegten Bildern für die jüngste Fernseher-Generation mit 8k-Auflösung. Sein Thema: „Künstliche Intelligenz in der Unterhaltungselektronik“. Dabei ging es insbesondere um die Rolle Künstlicher Intelligenz bei der Aufbereitung von bewegten Bildern für die jüngste Fernseher-Generation mit 8k-Auflösung. Der Hintergrund: TV-Geräte mit 8k-Auflösung stellen jedes Bild mit rund 33 Millionen Punkten dar – das ist zum Beispiel die 36-fache Auflösung von TV-Übertragungen der öffentlich-rechtlichen Sender. Die Elektronik muss also die TV-Inhalte skalieren – und zwar so stark, dass sie nur mit Unterstützung durch Künstliche Intelligenz in der Lage ist, Fernsehprogramme in der heute noch üblichen Qualität klar und scharf auf die Bildfläche zu bringen. Auch die Optimierung des Tons ist ein Einsatzfeld von KI: Die Elektronik erkennt beispielsweise, ob der Sound zu einem Film gehört, aus einem Fußballstadion kommt oder aus dem Studio eines Nachrichtensprechers, und passt die Wiedergabe entsprechend an – je nach Bedarf für bessere Sprachverständlichkeit, höhere Dramatik oder optimale Trennung von Fan-Chören und Kommentar. Darüber hinaus unterstützt KI Programmempfehlungen oder Automatik-Funktionen im vernetzten Haus. Laut Mike Henkelmann entscheidet künftig auch in den Bereichen TV und Audio die Intelligenz eines Produktes.

KI in der Küche
Dr. Thomas Salditt, Leiter Digital Business Enabling bei der BSH GmbH, stellte die Rolle Künstlicher Intelligenz im Bereich der Hausgeräte vor. Der Titel seines Referats lautete „KI und Hausgeräte oder: Wieviel KI steckt (in Zukunft) in Ihrem Hausgerät?“. Wenn Hausgeräte die Gewohnheiten ihrer Nutzer erkennen, können sie selbstständig Einstellungen und Betriebsabläufe anpassen. Das betrifft die Stärke des morgendlichen Espresso ebenso wie Vorgaben für Wasch- und Kochprogramme. All dies leistet einen Beitrag zu höherem Komfort im vernetzten Zuhause. Dr. Salditt: „Auch in Hausgeräten wird KI zunehmend zum Einsatz kommen. Fokus ist hier auf absehbare Zeit die Unterstützung der Konsumenten bei ihrer täglichen Hausarbeit, um das Leben sparsamer, leckerer, inspirierender, sauberer oder schneller zu machen.“

Viele ethische Fragen
Im abschließenden Vortrag betrachtete Frau Prof. Dr. Catrin Misselhorn, Universität Göttingen, das Thema KI unter ethischen Gesichtspunkten. Der Titel ihres Vortrags: „Maschinenethik – eine neue Disziplin“. Prof. Misselhorn zeigte in ihrem Beitrag auf, welche ultimativen Grenzen für den Einsatz von KI gelten müssen – am Beispiel künftiger (autonomer) Mobilität und an Beispielen aus dem Gesundheitswesen. Daraus leitet sie grundsätzliche Anforderungen an eine Maschinenethik ab. „Die Entscheidung über Leben und Tod sollte nicht an Maschinen delegiert werden, menschliche Verantwortung und Selbstbestimmung müssen im Vordergrund stehen“, erklärte Prof. Misselhorn.