17.08.2016

Eine Reise durch fünf Jahrzehnte Küchenbranche

Auf der Internationalen Möbelmesse in Köln präsentiert Poggenpohl die legendäre Kugelküche „experiment 70“. In Zusammenarbeit mit dem Designer Luigi Colani und dem Institut für Umweltphysiologie entstand eine Küche, die als zukunftsweisendes Modell für das Jahr 2000 galt. In einer Kugel von 2,40 m Durchmesser, eine „Speisezubereitungseinheit“ im ­Colani-typischen Softdesign, erledigt der Bediener alle Küchenarbeiten per Knopfdruck vom Drehsessel aus. Monitore und Mikrofone stellen die Verbindung zum Rest der Wohneinheit her. „experiment 70“ wurde zwar nicht Wirklichkeit, aber einzelne Ideen geben Impulse für zukünftige Planungen und Entwicklungen. (1970)

Auf der Internationalen Möbelmesse in Köln präsentiert Poggenpohl die legendäre Kugelküche „experiment 70“. In Zusammenarbeit mit dem Designer Luigi Colani und dem Institut für Umweltphysiologie entstand eine Küche, die als zukunftsweisendes Modell für das Jahr 2000 galt. In einer Kugel von 2,40 m Durchmesser, eine „Speisezubereitungseinheit“ im ­Colani-typischen Softdesign, erledigt der Bediener alle Küchenarbeiten per Knopfdruck vom Drehsessel aus. Monitore und Mikrofone stellen die Verbindung zum Rest der Wohneinheit her. „experiment 70“ wurde zwar nicht Wirklichkeit, aber einzelne Ideen geben Impulse für zukünftige Planungen und Entwicklungen. (1970)

Ein Jahr nach der Gründung findet im Ifen Hotel in Riezlern (Kleinwalsertal) die erste Jahreshauptversammlung von DER KREIS statt. (1980)

Das Logo für den 1. Tag der Küche, initiiert von der AMK, im Jahr 2000.

Aus dem 1929 gegründeten Unternehmen August-Siekmann-Möbelwerke entsteht die Marke SieMatic: Im Jahr 1960 präsentierte August-Wilhelm ­Siekmann, der das Unternehmen in zweiter Generation leitete, die erste Küche, die den Namen SieMatic trägt: Die SieMatic 6006. Mit ihrer integrierten Griffleiste begründet sie einen neuen Stil und gilt heute als einer der Küchenklassiker. (1960)

In den 1980er-Jahren setzt Kesseböhmer seinen „Tandem“ ausgesprochen fesch in Szene. Bei der aktuellen Version spricht das Produkt für sich. (1980 ff/2016)

Dem Kochrezept aus Papier unter dem Topf kann das magnetische Wechselfeld der Induktions-Kochstelle nichts anhaben. Werbefotos wie dieses von AEG sollten den Verbraucher vom Kochen mit Induktion überzeugen. Mit Erfolg, wie wir heute mit Blick auf die Verkaufszahlen bei Induktionskochfeldern wissen. Was beweist: Werbung wirkt. (1987)

Jubiläen sind ein Geschenk der Gründer an ihre Nachwelt. Die erste Ausgabe der Küchenfach­zeitschrift KÜCHENPLANER erschien 1966. Fünf Jahrzehnte später macht es Sinn, Entwicklungen abzu­greifen, Erinnerungen wach zu rütteln und einfach nur daran zu denken, ob früher wirklich alles immer schöner war.

Ein weiterer Jahrestag kennzeichnet das Jahr 1966. Die AMK feierte ihren zehnten Gründungstag. Möglicherweise schärft gerade dieses Ereignis den Blick auf eine Historie, in deren Fokus die Küche stehen soll; in deren Mittelpunkt andererseits immer wieder engagierte Persönlichkeiten die Geschichte vorantreiben.
Wer heute das Gründungsprotokoll der AMK in Händen hält, staunt über die Namen der zwölf Küchenmöbelhersteller, die damals unterzeichneten. In respektvoller, alphabetischer und damit wertungsfreier Reihenfolge stehen hier Barent (Augsburg), Dr. Becher (Bühlertann), Dorstener Möbelfabrik (Dorsten), Gruco (Schnaittach), Haas & Sohn (Neuhoffnungshütte), Gebr. Klocke (Lage), Krefft AG (Gevelsberg), Gebr. ­Kruse (Melle), Leicht (Schwäbisch Gmünd), Poggen­pohl (Herford), Sell (Herborn) und Rottmann (Herford). Nimmt man nur die Küchenmöbelhersteller heraus, gehört außer Leicht und Poggenpohl keines der Gründungsmitglieder mehr zum Club derer, die heute noch Marktbedeutung hätten.
Und doch stehen diese Namen dafür, seit Mitte der 50er-Jahre das Schritttempo bei der Küchenentwicklung bestimmt zu haben. Ihre Visionäre waren Prof Dr. Sell und Walter Ludewig. Ludewig, der 2007 im Alter von 97 Jahren verstarb, war langjähriger Poggenpohl-Chef und galt in der Öffentlichkeit als Vater der Einbauküche. In der Möbelbranche und in Wirtschaftsverbänden übernahm er regional und überregional zahlreiche Ehrenämter, beispielsweise als Gründungsmitglied und jahrzehntelanges Vorstandsmitglied der AMK und als Präsident des Europäischen Verbandes der Küchenmöbelhersteller. Mit ihm zusammen prägten die Gründungsmitglieder der AMK zukunftsorientiert, fortschrittlich, auf Ordnung und Normen fixiert sowie offen für Innovationen die Branche, für die sie eine impulsgebende und koordinierende Organisation geschaffen hatten. Sie stehen aber auch dafür, wie viele andere sehr wechselvolle Unternehmensgeschichten geschrieben oder gar beendet zu haben. Genauso, wie es die Branche in den folgenden Dekaden durchlebte und durchlitt.

Fast vergessene Namen
Wahllos aus der Erinnerung seien hier nur einige Hersteller genannt, die in Summe und als Einzelfall das Schicksal einer Branchenentwicklung charakterisieren, wofür heute Begriffe wie Trend, Verdrängung und Konzentration ebenso stehen wie das gern als Quelle des gesamten Ungemachs genannte Internet, das damit allerdings am wenigsten zu tun hat. Beka, Brinkmeier, E+K Küchen, Ebke, Format, Goldreif, Habemat, Hauenschild, Hebaform, Heidapal, Horst-Küchen, Klostermann, Kruse & Meinert, MEK, MK und Rose sind willkürlich aus der Hand geschüttelte sechzehn Namen, die auf der Strecke geblieben sind. Auch die Elektrokonzerne blieben mit ihren Kücheninteressen glücklos. AEG versuchte sich mit Alno, Bosch produzierte bei Feierabend und Miele verkaufte schließlich seine hochmoderne Küchenmöbelfabrik in Warendorf an AFG Arbonia-Forster. Mit Sicherheit lässt sich diese Liste ergänzen, ganz gewiss wächst die Zahl der längst vergessenen Namen erheblich an, würde man Archive penibel aufarbeiten. Dafür allerdings fehlen in unserer gegenwartsverliebten Epoche die Gründlichkeit, die Zeit oder das Verständnis.

Längst nicht gesättigt
Diskutiert wird dagegen oft die Frage, was oder wen man für dieses Szenario verantwortlich machen darf. Gesättigte Märkte sind es nicht, denn der Umsatz wächst – das allerdings bei einem stark ausgedünnten Anbietermarkt, der in den 1960er-Jahren gut und gerne mehr als 140 Küchenmöbel-Hersteller hatte. So nennt beispielsweise die Mitgliederliste der AMK mit ihren derzeit 135 Firmen nur noch 28 Küchenmöbel-Hersteller. Neben den klassischen Markenherstellern wie allmilmö, Alno, Bulthaup, Leicht, Poggenpohl, SieMatic und Zeyko stehen die früher „no names“ genannten Hersteller wie Nobilia, Häcker, Nolte und Schüller an der Spitze der Umsatzliste.
Auch die Marktentwicklung der letzten Dekaden des vorigen Jahrhunderts ist national geprägt. Importdumping im Küchenmarkt fällt aus, da die eingeführten Küchenmöbel nur geringe Marktanteile haben. Was darüber hinaus als Ursache des Ausblutens der Küchenmöbelindustrie bleibt, sind die oft als Konzentrationstreiber gescholtenen Einkaufsverbände.

Verbände bündeln Marktmacht
Bis weit in die 1970er-Jahre hinein spielten die reinen Möbel-Einkaufsverbände ihr Kraftpotenzial gegenüber der Küchenmöbelindus­trie aus. Im Oktober 1969 beschrieb Ingeborg Zaunitzer-Haase in der ZEIT am Beispiel Europa Möbel, wie so etwas funktioniert. Sie zitierte Dr. Siegfried Wiegand, Geschäftsführer der Großeinkauf Europa Möbel GmbH & Co. KG, der biederen Möbelhändlern empfahl, die Betten drehbar zu machen, „wenn man schon die Frau nicht auswechseln könne“. Und weiter hieß es: „Er will damit Hilfe zur Selbsthilfe geben, will Anleitungen zum modernen Möbelhandel bieten, will neue Umsatzfelder erschließen und will mit alledem letztlich nicht weiter als einer Idee zum Erfolg verhelfen, die nicht er selbst hatte, sondern ein Mann namens Dr. Josef Horbach.“
Horbach, so Zaunitzer-Haase, Präsident von Europa-Möbel, Gutsbesitzer, Inhaber von sieben Möbelhäusern im Rhein-Ruhr-Raum, Bankier, Makler, Diplom-Kaufmann und Dr. rer. pol., glaubt, mit seiner Spielart eines Großeinkaufsverbandes die Existenz mittelständischer Möbeleinzelhändler rechtfertigen und retten zu
können. Europa-Möbel will mittelständische Einzelhändler leis­tungsfähig machen, indem die Möbelfabrikanten ohne falsche Zimperlichkeit beim Portepee gepackt werden. Sie sollen die Nachfragemacht der 181 Mitglieder spüren, die zusammen immerhin 272 Möbelhäuser ihr Eigen nennen und allein über den Verband gut 184 Mio. Mark umsetzen.
Die Folgegeschichte von Europa-Möbel dürfte weithin bekannt sein. Ebenso die Historie weiterer Möbel-Einkaufsverbände. Ohne allerdings Gründungsdaten anführen oder auf Vollständigkeit Wert legen zu wollen, seien Verbände wie ­Alliance, Atlas, Begros, DMV, Garant, MZE, Regent, Trend, Union oder VME exemplarisch genannt, die mit ihren facettenreichen Entwicklungen deutliche Furchen auch in den Küchenmarkt zogen.

Ära der Küchenspezialisten
In den 1970er-Jahren schließlich emanzipierte sich die Küche immer mehr zum komplexen und individuell planbaren Produkt, das den Spezialisten ein neues Spielfeld eröffnete. So gehört zur Logik, dass sich in den 1960er- und 1970er-Jahren immer mehr Küchenspezialisten selbstständig machten.
Zu lange ist es her, um Präzises über eine besondere Entwicklung nachzeichnen zu können. Doch ein Name gehört unlöschbar zur Küchengeschichte: Klaus Paradies. Pardon, falls die Schreibweise nicht stimmt und wenn die auf Hörensagen basierende Story korrigiert werden muss. Klaus Paradies also hatte in den USA die Ini­tiativen zur Gründung der NKBA (National Kitchen + Bath Association) kennengelernt, die sich seit 1963 als mächtiger Branchenverband etabliert hatte. Er importierte die Idee nach Deutschland und gründete 1962 recht erfolgreich die Arbeitsgemeinschaft deutscher Küchenfachhändler (AdK). Das verdient noch heute Anerkennung, zumal das Bündeln von individuellen Interessen zum Branchen-Gemeinwohl oft scheitert.

Aufstieg und Niedergang
So war auch der AdK kein langfristiger Erfolg vergönnt. Die umsatzstärksten in dieser Gemeinschaft verbundenen Küchenhändler entschlossen sich 1978 zur Gründung des Verbandes VKG, was sicher ursprünglich Vereinig­ter Küchen-Großeinkauf hieß und als VKG Vereinigter Küchenfachhandel GmbH + Co. KG mit Sitz in Pforzheim firmierte. Der VKG legte eine beachtenswerte Entwicklung hin. Noch im Jahr 2003 verkündete VKG-Geschäftsführer Dieter Mahr ein starkes Ergebnis: Verbunden seien 1350 Gesellschafter mit einem Außenumsatz von 1,2 Mrd. Euro und Auslandsgesellschaften in Frankreich, Österreich, Holland, der Schweiz und Spanien. Gleichzeitig hieß es seinerzeit aber auch, dass durch verschiedene Spar- und Strukturmaßnahmen die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Jahr 2003 optimiert werden konnten.
Lassen wir das mal so stehen, da das Ende unrühmlicher ist. Quälend lange Jahre wurde um Bilanzmanipulationen, Steuerhinterziehungen und um wer weiß nicht was noch alles gestritten und prozessiert, persönliche Ehrabschneidungen inbegriffen. In der Folge musste der VKG im Februar 2006 Insolvenz anmelden.

Starke Gemeinschaften
Die Gründung des VKG setzte aber auch Maßstäbe zur Veränderung der Küchenlandschaft. 1979 rief Ernst-Martin Schaible seine Einkaufsgesellschaft für Küche & Wohnen mbH & Co. KG DER KREIS ins Leben. Heute, so die eigene Darstellung im Internet, profitierten mehr als 2700 Mitglieder aus acht europäischen Ländern von den wirtschaftlichen Vorteilen und dem gewachsenen Netzwerk der starken Gemeinschaft.
Ein Jahr später, 1980, gründete Hans Strothoff seinen Musterhaus-Küchen Verband, kurz MHK. Sein Erfolg ist unumstritten. Der inzwischen zur MHK Group mutierte Verband fungiert als Dienstleistungsunternehmen für den mittelständischen Küchen-, Möbel- und Sanitärfachhandel, wobei das Kürzel MHK heute offiziell für Marketing, Handel und Kooperation steht. Mit über 2300 Handelspartnern, so die Darstellung auf der MHK-Homepage, gehöre die MHK Group mit einem Außenumsatz von 4,5 Mrd. Euro zur Spitzengruppe der europäischen Einkaufskooperationen innerhalb dieser Branche.
Wo derart beispielgebende Erfolge existieren, bleiben die Nachahmer nicht aus. 1987 ging die Küchen Partner AG an den Start, die sich erst kürzlich als Gruppe in die MHK Group integrierte. 1996 folgte die KüchenTreff Einkauf & Marketinggesellschaft für Küche & Wohnen mbH & Co. KG, für die Geschäftsführer Franz Bahlmann Identifikationsfigur ist. Küche & Co. folgte 1989 als Franchise-System und B/u/K gründete sich 2005 als eine vom VKG abgespaltene Gemeinschaft.
Dabei war es nicht unerwartet, dass sich die traditionellen Möbel­einkaufsverbände mit eigenen Initiativen gegen die auf Küchen spezialisierten Verbände wehrten. Im Sinne der in den 1980er-Jahren viel diskutierten Schienen- oder Modulpolitik führten sie ihre eigenen Küchengruppen ins Feld. Alliance startete 1985 mit dem Küchenring. 1989 zog die Garant Gruppe mit Küchen Areal nach. 2008 etablierte GfM die A-plus Küchenprofi GmbH. Als unselbstständige Schiene, aber unter eigenem Namen, gingen Küche aktiv beim EMV und „Sternküchen“ beim MZE ins Rennen. Sicher gibt es noch mehr. Der Erfindungsgeist der Branche setzt niemals Grenzen.

Verband der Verbände
Was aber wurde aus der AdK? Wenige verbliebene Ehemalige versammelten sich nach Auflösung der AdK im neu gegründeten Bundesverband Mittelständischer Küchenfachhandel (BMK), der heute als Arbeitskreis im Zentralverband Hartwarenhandel e.V. zu Hause ist. Die Mitglieder des BMK sind, so die Selbstdarstellung, mittelständische Küchenspezialhäuser und Einkaufsgesellschaften mit Handelsschwerpunkt im Bereich Einbauküchen. So vertritt der BMK nach eigener Zählung circa 1600 Küchenhäuser. Der letzte Küchenspezialist, der in der Reihe der Präsidenten als Vorsitzender des BMK agierte, war von 2001 bis 2006 noch Reiner Greiff als Inhaber des Ateliers Greiff in Lauf. 2007 übernahm Guglielmo Mizia (Karrierestationen AEG, Liebherr, Nobilia, ­Groupe Brandt, Electrolux) den Vorsitz, ihm folgte 2011 Gert Bendl (zuvor BSH und AR-Vorsitzender der Küchen Partner AG), der das Amt bis 2013 innehatte und an Hans-Hermann Hagelmann (zuletzt Geschäftsführer bei Nolte-Küchen) weitergab. Die teilnehmenden Einkaufsgruppen lieben den Verband als Plattform für Kommunikation und Netzwerken.
Immerhin zehn Mal in jährlicher Folge machte der BMK bislang durch seinen Innovationspreis von sich reden. Künftig wird dieser im zweijährigen Rhythmus verliehen. Und zwar im Rahmen der Messe LivingKitchen in Köln.

„Schlechte Sitten exportiert“
Bleibt nicht zuletzt die Frage, wie es um die Internationalisierung der Küchenbranche steht. Bei den kurzen Steckbriefen der Einkaufsverbände klang bereits an, dass internationale Niederlassungen erfolgreich in den hauptsächlich europäischen Nachbarländern agieren. Manch ein Hersteller beklagt noch heute, dass der grenzüberschreitende ­Ideentransfer für das Verbandsgeschäft nur die schlechten Sitten exportiert habe. Für die Küchenmöbelindus­trie startete nämlich das Exportgeschäft als Klassiker mit ausländischen Kunden und Agenten, die auf die Firmen zukamen. Schon in den 1960er-Jahren gab es das Exportgeschäft, das nicht selten mit einer Deckungsbeitrags-Kalkulation für zusätzliche Umsätze sorgte. Man war ja in den Boom-Jahren nicht darauf angewiesen. Aber später sah man nur ungern, dass die von den Verbänden mitgenommenen Einkaufskonditionen das aufgebaute Auslandsgeschäft stark unter Druck setzte.

Wechselhafte Messepolitik
Und doch gab es Initiativen, das sich langsam globalisierende Geschäft zu professionalisieren. Hauptsächlich die Internationale Möbelmesse in Köln pries ihren globalen Marktplatz als hervorragende Aufbauchance für den Export. Dass sie der Küche allerdings ein besonderes Gewicht beimessen musste, merkte sie erst sehr spät. Vermutlich hatte sie sogar zulange darauf gehofft, die in Köln veranstaltete Domotechnica, deren Aussteller 2008 zur IFA nach Berlin abwanderten, am Leben erhalten zu können. Köln und Berlin wollten die Domotechnica im jährlichen Wechsel durchführen, was nicht überzeugend in das Konzept der IFA respektive der Kölnmesse passte. Köln zog das Thema wieder an sich und startete später mit der LivingKitchen. Zuvor splittete Köln die IMM 2003 erstmals in Möbelmesse und Cuisinale, die dann auch 2005 und 2007 durchgezogen wurde. Besser läuft es seit 2011 im Zweijahresrhythmus mit der Living Kitchen, wenn auch mit spezifischen Unterschieden zur Mailänder „EuroCucina“. Weitere Lokalmessen mit Schwerpunkt Küche an den unterschiedlichen Standorten konnten dem Exportgeschäft, von erfolgreichen Ausnahmen und regionalen Zielgruppen abgesehen, dagegen nur wenige Impulse bieten.

Seiner Zeit weit voraus
Für die Internationalisierung der Küchenbranche sorgte ganz nebenbei noch eine ganz andere Initiative. Der verstorbene Visionär Bernard Verriès, Herausgeber der 1953 von ihm gegründeten französischen Zeitschrift  L’Officiel des cuisinistes und Initiator der internationalen Küchenmesse Eurojicsa in Frankreich, zog 1990 namhafte Repräsentanten des Küchenhandels zusammen, um einen Club der europäischen Küchenspezialisten zu gründen. Einbezogen wurden SNEC als internationaler Verband mit Sitz in Paris, der Verband der spanischen Küchenhersteller AMC, die Assaredo Cucina aus Italien und Febelbois in Belgien. Informell waren beteiligt die British Kitchen Furniture Manufacturers und die AMK in Deutschland. Auch die internationalen Küchenmedien, die am 19. September 1990 in Luxemburg zu einem Meeting zusammen kamen, wurden eingebunden. Es blieb leider bei dem Plan, der damals seiner Zeit weit voraus war.

Zögerliche Internationalisierung
Dennoch verharrten die Ideen in den Köpfen und wurden bei jeder Gelegenheit international diskutiert. 2004 ging die dringende Empfehlung an die AMK, sich an die Spitze der Bewegung zu stellen, um für die dann aufkommende amerikanische Initiative eines Weltverbandes zumindest tonangebend in einem sogenannten European Chapter zu sein. Auf dem Spiel standen immerhin die von der AMK erarbeiteten Normen, die bei einer Globalisierung auf der Strecke hätten bleiben können. Woran immer es auch gelegen haben mag, die AMK engagierte sich mit großer zeitlicher Verzögerung, um das Thema der Internationalisierung geballt anzugehen. Bis heute gibt es nur wenige Ansätze, um in einzelnen Märkten das Küchengeschäft zu „germanisieren“. Die Tochtergesellschaft in China zeigt, welche Aufgaben die Arbeitsgruppe „Internationalisierung“ innerhalb der AMK wahrnimmt und realisiert. Zu wenig konkretisiert ist, wie man die Globalisierung im eigenen Brancheninteresse vorantreibt.

Die AMK schafft Presse-Echo
Apropos AMK. Auch sie liefert die Namen, die für die Branchenentwicklung stehen. Prof. Dr. Werner Sell (1956 – 1981), Willi Stein (1981 – 1988) und Gerd Strobel (1988 bis 1997) gaben als AMK-Vorsitzende jeweils zukunftsweisende Richtungen vor. 1997 folgten auf den alleinigen Vorsitzenden jeweils zwei Sprecher. Hans Husemann und Bernd Kuhlmann gaben 2001 weiter an Michael Steinle und Friedhelm Meyer. Ab 2004 bildeten das Führungsduo Hans Hermann Hagelmann und Roland Hagenbucher, wobei Letzterer aktuell noch im Amt ist und Dr. Oliver Streit an seiner Seite hat.
Sieben Jahre lang führte Helmut Wenke bis 1963 die AMK als Geschäftsführer. Ihm folgte für 24 Jahre der unvergessene Siegfried Flury. Von 1987 bis 1989 hieß der Geschäftsführer Ursus Datum, der an Hans-Joachim Adler über­gab. Ihm folgte 2008 für fünf Jahre Frank Hüther. Seit 2013 führt Kirk ­Mangels als Geschäftsführer die AMK. Mangels war zuvor Chefredakteur des Branchenbriefes „Möbel-Fachhandel“ der Verlagsgruppe  „Markt intern“.
Eines darf man der AMK als denkwürdiges Verdienst zurechnen. Ihre Öffentlichkeitsarbeit läuft auf breitester Ebene. Eine eigens 1989 gegründete Arbeitsgruppe für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit entwickelte zahlreiche Impulse, um das Medienecho zu forcieren. Ein Beispiel: der Tag der Küche, der am 24. September 2016 zum 17. Mal in jährlicher Folge stattfindet. So hat die AMK maßgeblich dazu beigetragen, die Einbauküche im Bewusstsein der Verbraucher als Kulturgut zu verankern und das komplexe Produkt Küche als planungs- und servicelastiges Thema zu etablieren.

Wellmann initiiert den VdDK
Aber auch die AMK blieb nicht ohne Wettbewerb. In den 1990er-Jahren gründete sich der Verband der Deutschen Küchenmöbelindus­trie (VdDK). Wichtigster Initiator war Hans-Dieter Wellmann, der in der Branche als „Erfinder der Blockvermarktung“ gilt. Wellmann war die Mitgliederstruktur der AMK seinerzeit zu breit aufgestellt. Als Schwerpunkt der Arbeit wurde die Erhebung und Kommunikation branchenspezifischer und verbands­interne Statistiken zum Auftragseingang der Küchenmöbelindustrie definiert. Geschäftsführer von Anfang an ist Dr. Lucas Heumann, der für den Verband auch schnell das Daten Competence Center e.V. gründete. Heute vereint der VdDK etwa 50 Hersteller von Küchenmöbeln. Sein aktueller Vorsitzender ist Stefan Waldenmaier von der Leicht Küchen AG.

Pioniere der Datenverarbeitung
Die mit der Einbauküche verbundene Datenfülle eröffnete nicht zuletzt auch der Informationstechnologie eine breite Geschäftschance. Zu den Pionieren der Datenverarbeitung in der Küchenbranche darf man sicher die Herzke Computer GmbH & Co. KG, Andernach, rechnen. Das Systemhaus hatte sich Anfang der 60er-Jahre aus einer herkömmlichen Büromaschinen-Vertriebsgesellschaft mit Kundendienst heraus entwickelt. Firmengründer Kurt Herzke suchte frühzeitig den Erfolg in kompletten Problemlösungen.
Seit 1972 bot er Magnetplattensysteme an, die „Computerleistung an den Arbeitsplatz“ brachte. Nicht „Dienstware“ wie bei DDC (Direct Digital Control), sondern „Alles aus einer Hand“ lautete die Devise bei den Andernachern.
Aus diesem Unternehmen gingen eine Reihe von Softwarehäusern hervor, wie beispielsweise auch die SHD-Holding. Manfred Sattler hatte seine berufliche Karriere im Jahr 1972 als EDV-Programmierer bei der Herzke Computer GmbH mit Fokus auf der Entwicklung von Warenwirtschaftssystemen für verschiedene Branchen gestartet. Nur zwei Jahre später übernahm er die Verantwortung für Entwicklung, Betreuung und Vertriebsunterstützung im Bereich Warenwirtschaft für den Möbelhandel. 1983 gründete er mit Reinhold Hüning die Sattler/Hüning Datentechnik GbR, Vorläufer der heutigen SHD Holding GmbH. Aber auch andere Systemhäuser wie beispielsweise die Clasen Datensysteme GmbH (gegründet 1985) und vielleicht auch CBL-Computersysteme (gegründet 1990) hatten ihren Ursprung in der schließlich liquidierten Herzke Computer GmbH. So schossen die Softwareanbieter in den 80er-Jahren wie die Pilze aus dem Boden.
1989, als die Küchenplanung noch in den Kinderschuhen steckte, startete auch die zur MHK-Group gehörende Carat Gesellschaft für Organisation und Softwareentwicklung mbH, die sich heute selbst als Marktführer für professionelle Küchenplanungssoftware bezeichnet.
Um eine Plattform für die branchenkonforme Datenverarbeitung zu schaffen, rief der BVDM 1988 den Arbeitskreis Informationstechnologie ins Leben, dem in seinen Hochzeiten über 20 Unternehmen der IT-Branche angehörten. Was diesen Kreis zusammenhielt, war das gemeinsame Interesse, die Teilnahme als Aussteller während der Internationalen Möbelmesse als Gruppe sicherzustellen.
Sechs von ihnen gründeten zusammen mit einem Software-Spezialisten 1990 die Dataform GmbH, die sich zum Ziel gesetzt hatte, zuverlässige und fehlerfreie Daten als Grundlagen der elektronischen Kommunikation für die Küchen- und Badmöbelbranche zur Verfügung zu stellen. Und sie hatten tatsächlich viel zu zeigen, da die Planungssoftware immer mehr um sich griff und mit den Warenwirtschaftssystemen verbunden wurde. Die technischen Ansprüche der Küchenplanung hatten ihre digitale Basis gefunden, die besten Softwareanbieter setzten sich auf breiter Ebene durch, während die Kleineren unter ihnen sich aus dem Geschäft zurückzogen.

Wandel im Verbraucher-Bewusstsein
Wie Marktuntersuchungen der 1970er- und 1980er-Jahre zeigen, änderte sich auch das Verhalten der Konsumenten. Noch 1977 – so eine IFAK-Studie – erklärten 74 Prozent der Befragten, dass sie ihre Küche nicht als Wohnraum betrachten. Einen totalen Umschwung brachte eine Repräsentativ-Befragung 1982 ans Tageslicht. 63 Prozent wünschten sich eine Küche mit Wohnatmosphäre.
Der 1991 verstorbene Pionier der Marktpsychologie Ernest Dichter hatte dagegen in den 70er-Jahren die Überflüssigkeit der Einbauküche prognostiziert. Seine Thesen begründete er mit dem wachsenden Markt für Tiefkühlkost. Aufwärmgeräte ließen sich schließlich in jedem Wohnbereich installieren, sodass man essen könne, wo man sich gerade wohlfühle. Und das Einweggeschirr würde ohnehin in den Hausmüll wandern, lauteten die überlieferten Zukunftsprognosen für die Küche.
Wie anders sich die Küche letztendlich trotz derart prominenter und viel diskutierter Visionen entwickelte, zeigt der Blick in die De­signtrends der zurückliegenden fünf Jahrzehnte.
Die Geschichte der Einbauküche von 1960 bis heute zu verdichten – keine einfache Aufgabe. Zu viel ist mit Blick auf die gesellschaftlichen und technischen Aspekte passiert. Hinzu kommen Verwerfungen, die auf den Gebieten der Architektur und des Designs stattgefunden haben. Drum herum stellt sich eine immer selbstbewusster werdende Zuliefer- und Haugeräteindustrie auf, die ihrerseits mit vielen Innovationen immer wieder Impulse gesetzt hat. Sich in Zehner-Schritten dem komplexen Produkt Einbauküche über 50 Jahre zu nähern, gibt einen kleinen Überblick über die vielen Entwicklungen, die das halbe Jahrhundert Küchengeschichte prägen.

1960er-Jahre: Anbauküche statt Küchenbuffet
1960 beginnt das Roll-out der Einbauküche. Zwar wurden immer noch mehr Küchenbuffets als Einbauküchen produziert, und korrekter Weise muss man auch noch von Anbauküchen sprechen, da Kühl-, Koch- und Backgeräte noch nicht vollständig integriert waren. Für die ersten tatsächlichen Einbauküchen sind eine gute Handhabung, Ergonomie und Hygiene wichtige Kriterien. Ihre typischen Merkmale sind unsichtbare Scharniere, was durch die Entwicklung des Topfscharniers möglich wurde. Griffleis­ten wie bei der legendären 6006 von Siematic gelten als Nonplusultra des neuen Küchentrends. Ende der 1960er kommen vermehrt De­signaspekte in die Küchenplanung: Farben, holzimitierende Dekore, dazu Ansetztische und Esstheken.

1970er-Jahre: Futuristische Konzepte und rustikale Gemütlichkeit
Zur Möbelmesse in Köln zeigt Poggenpohl 1970 Luigi Colanis futuristische Einbauküche. Themen wie Raumfahrtentwicklung und Mondlandung prägen die visionären Küchenideen. Die Küchenfunktionen beschränken sich auf das Aufwärmen vorgefertigter Mahlzeiten. Tiefkühlkost und Fertiggerichte gewinnen in den Folgejahren tatsächlich an Bedeutung. Die diesen Trend aufgreifenden Mikrowellengeräte hatten sich bereits in Flugzeugen und Großküchen bewiesen. 1965 kam laut Wikipedia das erste Mikrowellengerät für den Haushalt in den USA zu einem Preis von 495 USD (in heutiger Kaufkraft – je nach Berechnungsmethode – mindestens 3.700 USD) auf den Markt. In den 1970er-Jahren sanken die Preise rapide; die deutschen Haushalte konnten sich jedoch erst in den 1980er-Jahren so richtig für die „schnelle Welle“ begeistern.
In den „normalen“ Küchen der 1970er-Jahre zieht langsam Wohnlichkeit ein. Die leicht sterile Einbauküche aus den 1960er-Jahren bekommt durch Formen und Farben eine Prise Atmosphäre. Nischenregale unterstützen die neue Wohnlichkeit; rustikale Holzküchen interpretieren Gemütlichkeit. Die Küche verliert allmählich ihre Funktion, ausschließlich Arbeitsplatz der Frau zu sein. Wer erinnert sich nicht gern daran, dass so manche Party in der Küche endete.

1980er-Jahre: Plädoyer für die offene Küche
1982 erscheint Otl Aichers für Bulthaup verfasstes Buch „Die ­Küche zum Kochen – Das Ende einer Architekturdoktrin“. In diesem Standardwerk kritisiert Aicher die gängige Küchenarchitektur, die die Hausfrau zur „Rangierangestellten einer Schrankordnung“ hat werden lassen. Seine Vision: In ­Küchen kocht und kommuniziert man, sodass die Form der Funktion zu folgen habe. Aicher emanzipiert in seinem Buch die Frau, indem er für offene Küchen plädiert, in denen Küchenarbeit weniger als verpflichtendes Muss, dafür aber als Bereicherung der Freizeit abläuft. Nach Aichers Ideen entstanden dann auch der in Raummitte platzierte „Butcher Block“ sowie die für Furore sorgende Küchenwerkbank.
Ästhetik, Genuss, Spaß am ­Kochen – auch am gemeinsamen Kochen mit Freunden – stehen in den 1980er-Jahren im Vordergrund und werden durch die Küchenplanungen berücksichtigt. Das reine Aufwärmen von Fertigwaren ist „out“. Die Normung der Abmessungen von Arbeitshöhen, -tiefen und -breiten befreit sich in der Folge aus ihrem über Jahrzehnte geschnürten Korsett. Zu variablen Arbeitshöhen, abgesenkten Kochmulden und höher gelegten Spülbecken gesellen sich 90 cm breite Kochfelder, Zubereitungsinseln, einfallsreiche Spülen sowie intelligente Einbaugeräte.

1990er-Jahre: Die Küche wird wieder zum Mittelpunkt des Lebens
Seit den 1990er-Jahren wird die moderne Wohnküche weiter perfektioniert. Die Familie teilt sich die Hausarbeit. Das Interesse am Kochen steigt, was auch durch die in diesen Jahren aufkommenden Kochsendungen unterstützt wird. Die Küche emanzipiert sich wieder zum Mittelpunkt. Hier trifft man sich mit der Familie und mit Freunden.
Ganz nebenbei: Den Druck vom Fernsehen gab es bereits in den 1950er-Jahren, als der unvergessene Clemens Wilmenrod, Erfinder von Toast Hawaii und Arabischem Reiterfleisch sowie Promoter des Rumtopfes, mit der am 20. Februar 1953 erstmals ausgestrahlten Sendung „Clemens Wilmenrod bittet zu Tisch“ zum Quotenstar wurde.

Das neue Millennium: Küche und Wohnen verschmelzen
In den 2000ern beginnt die Einbauküche mit immer ausgefeilteren technischen Raffinessen Männer zu begeistern. Als Küche für echte Kerle lockt die Poggenpohl-Küche im Porsche-Design mit puristischem Look und hochwertigen Materialien. Gleichzeitig löst sich die Einbauküche immer mehr als Raumeinheit auf und integriert sich in den Wohnraum.
Mit der Verschmelzung von ­Küche und Wohnraum legen Küchen­möbel ihren traditionellen Arbeitslook ab. Paneelsysteme schaffen einen nahtlosen Übergang vom ­Küchen- in den Wohnbereich. Hinter großformatigen Türen lässt sich alles verstecken, was nach Technik aussieht. Küchen­camouflage par excellence lautet die Devise. Gleichzeitig wird die Einbauküche technisch immer mehr aufgerüstet und in der Höhe verstellbar.
Smart-Home-Technik heißt der Trend, der sich – ohne Prophet sein zu müssen – in den kommenden Jahren weiter ausbreiten wird. Back­öfen, Induktionskochfelder, Spülmaschinen, kurz der gesamte Gerätepark, werden damit von der Couch oder vom Arbeitsplatz per Smartphone oder Tablet steuerbar. Und vermutlich schaffen es die immer intelligenter werdenden Geräte schon sehr bald, aus einem weniger talentierten Kochbegeisterten einen kleinen Starkoch zu zaubern. Die Einbauküche hat es 2016 erneut geschafft, zum Statussymbol zu mutieren. Dabei präsentiert sich die aktuelle Küchenwelt in nie dagewesener Vielfalt und mit viel Potenzial, um das Schritttempo zukünftiger Entwicklungen weiter zu forcieren.

Die Innovationen der Zulieferindustrie setzen Impulse

Die Beschlagtechnik wird „unsichtbar“

Die 1960er-Jahre stehen für die Entwicklung des Topfscharniers oder des unsichtbaren Scharniers; modernes Möbeldesign wäre ohne diese Erfindung nicht möglich gewesen. In den 1970er-Jahren beeinflussen neue Techniken für Auszugführungen, in den 1980er-Jahren ideengebende Falt- und Schiebetürsysteme die Technik hinter Küchenfronten. Die 1990er-Jahre bringen komplette Schubkastensysteme sowie intelligente Schrankinnenausstattungen wie Apothekerauszüge und sinnvolle Eckschrank­lösungen. Darüber hinaus geben variantenreiche Klappenbeschläge viele Impulse für eine neue Küchenarchitektur. Gleichzeitig wird der Vollauszug bei den Auszugführungen in der Küche Standard. Ab 2000 bieten Dämpfungssysteme für Schubkästen, Scharniere, Falt- und Schiebetüren sowie elektrische Öffnungssysteme, Schubkastensys­teme, die sich optisch auf das Outfit der Küche abstimmen lassen, viel Komfort. Aktuell sind „Push to open“ in Verbindung mit Soft­close für grifflose Fronten angesagt. Schiebetüren sowie Panoramabeschläge, mit denen sich die Türen seitlich einfahren lassen, verstecken alles, was nach Arbeit aussieht. Durch ausgefeilte Hubtechniken lassen sich Arbeitsbereiche spielend leicht bewegen.

Vielfalt der Materialien
Während man noch Mitte der 80er-Jahre im Wesentlichen furnierte, massive, lackierte oder Kunststoff-Fronten kannte, ist allein heute die Zahl der Dekore von unendlich vielen Holzdekoren mit den unterschiedlichsten Strukturen über Stein- und Leder- bis hin zu Metallicdekoren bei den Schichtstoffplatten schier unbegrenzt. Lack- und Lacklaminat ergänzen das Repertoire ebenso wie die Materialien Keramik, Glas, Stahl, Beton, Stein, die für ein immer perfekteres Outfit der Küche sorgen.
Die langweiligen Arbeitsplatten der 1980er-Jahre aus Holz, Kunststoff-Dekoren oder Keramikfliesen sind passé. Heute bestimmen neben Mineralwerkstoffen und Holz, Schichtstoffarbeitsplatten mit einer ungeheuren Dekorvielfalt sowie Edelstahl, Keramik, Beton, Stein und Glas die kreativen Möglichkeiten für Arbeitsplatten.
Diese Entwicklung nutzte unter anderen auch die 1974 gegründete Firma Lechner mit ihrer Spezialisierung auf die Arbeitsplatten-Fertigung, immerhin einem Teil der Küchenmöbel-Produktion.

Einbaugeräte drängen nach vorn
Die lange gültige Faustformel, dass beim Verkaufspreis von Küchen 50 Prozent auf das Holz, 40 Prozent auf die Einbaugeräte und zehn Prozent auf das Zubehör entfallen, gerät ins Wanken. So berichtete „Die Welt“ im Januar 2015 unter Berufung auf die AMK, dass der Geräteanteil am Verkaufspreis mittlerweile rund 45 Prozent betrüge. Weitere 45 Prozent entfielen auf die Möbel, also Schränke und Schubladen, die übrigen zehn Prozent wären schließlich Zubehör wie Spüle und Armaturen. Und in allen Bereichen gab es enorme Entwicklungssprünge in den vergangenen Jahren.
Mit immer energieeffizienteren Geräten, mit flüsterleisen Geschirrspülern, Backöfen als Alleskönner und einer nie dagewesenen Dunstabzugshauben-Vielfalt haben die Geräte Aussicht, weiter zu wachsen. Das Thema der Vernetzung befeuert den Wachstumstrend.
Einen groben Überblick, was sich in den letzten 50 Jahren bei den Einbaugeräten abgespielt hat, gibt der Zeitraffer:

  • In den 1960er-Jahren beginnt die Spülmaschine die Küche zu er­obern.
  • Die 1970er-Jahre stehen für den Beginn der Glaskeramikkochfelder, die zukünftig viel Komfort und Reinigungsfreundlichkeit beim Kochen bieten werden.
  • In den 1980ern ist die Mikrowelle in deutschen Küchen angekommen. Wurden 1971 nur 3000 Geräte jährlich verkauft, waren es 1983 sagenhafte 110000 Geräte. Auf der Domotechnica 1983 stellt Imperial den ersten Druck-Dampfgarer für den Haushalt vor. In den Folgejahren macht in deutschen Küchen jedoch weiter nur der Schnellkochtopf Dampf.
  • In den 1990er-Jahren beginnt die Pyrolyse die Backofentechnik zu verfeinern. Als einer der Wegbereiter der Pyrolyse in Eu­ropa gilt der französische Einbaugeräte-Hersteller De Dietrich, bei dem Anfang der 1990er-Jahre schon mehr als die Hälfte aller bei De Dietrich hergestellten Herde/Backöfen mit dem Selbstreinigungssystem ausgestattet waren. Heute gehört die Pyrolyse zum State of the Art moderner Backöfen. 
  • Ebenfalls in den 1990er-Jahren bringen Kaffeevollautomaten italienisches Flair in deutsche Küchen. Den Einzelgeräten setzt Miele mit der Präsentation des ersten Einbau-Kaffeevollautomaten eine schicke, zu modernen Einbauküchen passsende Lösung entgegen.

Ab den 2000ern erweitern Einbau-Dampfgarer und Kombigeräte (Backofen + Dampf) das Gerätespektrum in Einbauküchen. Das Klimagaren bei Backöfen erlebt seinen Durchbruch. Kombi-Dampfgarer begeistern ambitionierte Hobbyköche. Induktionskochfelder, die bereits seit 1987 angeboten werden, beginnen in die Küchen einzuziehen.

Automatisch und multifunktional
Aktuell nehmen die Induktionskochfelder immer mehr Fahrt auf. Hinzu kommen Backöfen mit multiplen Funktionen und Automatikprogrammen sowie Kombigeräte wie Backöfen mit Dampfgarer und Mikrowelle, die selbst Amateure in die Lage versetzen, beeindruckende Kochergebnisse zu erzielen. Hin und wieder lässt das Stichwort Sous-vide aufhorchen. Aber: Wird sich diese Technik in der Mitte der kochenden Gesellschaft etablieren? Möglichweise eine Marktlücke, über die es sich zukünftig nachzudenken lohnt.
Die heimlichen Stars der Einbaugeräteszene sind allerdings die Dunstabzugshauben. Das Verschmelzen der Küche mit dem Wohnraum schreit nach effizienten und vor allem schicken Lösungen. Als Konsequenz ist die Bandbreite der Dunstabzugshauben gigantisch. Aktuell sorgen besonders Muldenhauben oder integrierte Kochfeldabzüge für Furore. Interessante Designlösungen bieten auch sogenannte Hängeabzüge, die an die Optik von Pendelleuchten erinnern.
Last but not least stehen Smart-Home-Lösungen immer mehr im Blickpunkt. Sie sind die Technologie, die perfekt zu einer immer digitaler werdenden Welt passt. Sie sind der Stoff für Komfort und Ener­gieeinsparungspotenzial. Als Konsequenz werden vernetzte Einbaugeräte mit App-Anbindung in den nächsten Jahren die Küchenszene nochmals revolutionieren. Die Generationen Y und Z stehen schon als Käuferzielgruppe in der Warteschlange.

Die Spüle macht Karriere
Bereits 1985 hat der Spülenhersteller Blanco den Einfall für den Abfall. Ein in die Spüle integrierter Schacht bringt Komfort beim Gemüseputzen und Vorbereiten. In den Folgejahren bis heute ent­wickelt sich die Spüle bei allen Herstellern von einer simplen Wasserzapfstelle zu einem ausgeklügelten Vorbereitungs- und Arbeitszentrum mit einem immer höheren Designanspruch. Neben Edelstahl und Naturstein überzeugen Verbundwerkstoffe und Keramik in allen möglichen Farben. Selbst Glas zeigt seine ebenso schönen wie hygienischen Seiten als Spülenmaterial. Hinzu kommen variantenreiche Beckenformen, verschiebbare Schneidbretter, Körbe und Einsätze, um die Spüle als elegantes Multifunktionscenter in Szene zu setzen.
Mit den Spülen haben sich auch die Armaturen weiter­ent­wickelt. Zweigriffarmatur, Einhebelmischer, Wandarmatur, Vorfenster-Armatur, Schwanenhalsbrausen und Sensorarmatur – alles ist möglich. Funktion und Design bilden eine Synthese unterstützt von Material- und Farbvielfalt.

Fazit und Ausblick
Der Rückblick auf 50 Jahre Küchen­geschichte fordert heraus, sich an Details zu erinnern. Herausklappbarer Allesschneider, einbaubarer Kurzzeitwecker, unterbaubares Küchenradio und vieles andere mehr hatten nicht die Bedeutung, geschichtsträchtig werden zu können. Sie bleiben liebenswert, wo immer man sie entdeckt.
Fünf zurückliegende Dekaden für die Historie der Einbauküche abarbeiten zu wollen, heißt natürlich auch, die handelnden Personen zu benennen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit, mit der Bitte um Verständnis, wenn manches an andere, nicht genannte Personen erinnert, und mit dem Wunsch um Nachsicht, wenn Würdigungen für nennenswerte Verdienste unterblieben, bleibt diese Abhandlung ein Parforceritt durch ein halbes Jahrhundert.
Die niedergeschriebene Küchengeschichte von 1966 bis heute ist daher nur ein facettenreicher Spiegel der Zeit, die von dem gro­ßen Rahmen der Historie getrieben wurde. Ökonomie und Ökologie, Wiedervereinigung sowie Geburt und Stabilisierung der Euro-Währung, demografischer Wandel und Zuwanderung, Patriotismus und Globalisierung, der Hang zur kulturellen Retrospektive und der unerschütterliche Glaube an die Fortschritte der Technologie, all das waren und sind Impulsgeber, die sich auch in Design- und Lebens­trends wiederfinden.
Und sie werden vorgeben, wie sich die Küchen in den nächsten Dekaden weiterentwickeln. Zu umfangreich ist dieses Szenario, um handfeste Prognosen für das Küchengeschäft daraus ableiten zu können oder zu wollen.
Doch eines gilt: „Zukunft braucht Herkunft“. Das schrieb der Philosoph Odo Marquard zum Ausgang des letzten Jahrhunderts. Nimmt man das ernst, entdeckt man Vieles in der Herkunft, was nach vorne weist. Man muss es nur verstehen.

Von Wilfried Wadsack & Cornelia Hackenbruch


Die Autoren
Über das Autorenteam Wilfried Wadsack und Cornelia Hackenbruch informiert die Seite www.msww.de. Wilfried Wadsack gründete die MSWW PR-Agentur 1972 und war 16 Jahre Pressesprecher des BVDM. Cornelia Hackenbruch gehört seit 1988 als Redaktionsleiterin zum Team. Auf der Referenzliste der in Freiburg im Breisgau ansässigen Agentur stehen aus der Küchenbranche die Namen Poggenpohl, ­SieMatic, MEK, De Dietrich, Blanco, Hettich, Resopal, MHK und Garant Küchen Areal. Die freie journalistische Tätigkeit für Fachzeitschriften im Handel und Handwerk sowie für den Agentur-Blog www.pr-mixer.de ergänzt die Öffentlichkeitsarbeit für die Auftraggeber der Agentur.