12.12.2018

In Gesprächen mit Architekten, Gestaltern und Planern stellen wir Ideen für eine kreative und zeitgemäße Studioplanung vor. Den Auftakt macht Andrea Tormin aus Bad Salzuflen, Freelancer Architektur, Innenarchitektur und Produktdesign. Sie setzt unter anderem auf das Prinzip „Ausstellung als Erlebnis“.

Ausgesuchte Dekorationselemente sorgen für Leben und Atmosphäre in der Ausstellungsküche. Foto: „Made by Tormin“

„Do it with an ­architect“ lautet das Credo von ­Andrea ­Tormin von „Made by ­Tormin“. Dann könnten Fehlplanungen vermieden und Kosten gespart werden. Foto: „Made by Tormin“

In dieser Ausstellung kommt es nicht auf die Präsentation von möglichst vielen Fronten an, sondern darauf, die Küche als Erlebnisraum darzustellen. Umgesetzt wurde es von ­Bauformat Küchen zusammen mit Andrea Tormin. Foto: „Made by Tormin“

Auch Kühl- und Vorratsschränke werden komplett dekoriert. So fühlt sich der Ausstellungsbesucher fast wie zu Hause. Foto: „Made by Tormin“

Muster- und Beratungsecken sucht man in den von Andrea Tormin gestalteten Ausstellungen vergeblich. Stattdessen werden Muster in einem hellen Gesprächsbereich gezeigt. Das soll zum Experimentieren anregen. Foto: „Made by Tormin“

Haptik beginnt bei den Füßen
Andrea Tormin hat einen ganz klaren Standpunkt zum Thema Ausstellungen: Kojen, die nur Produkte abfeiern und möglichst viele Blöcke und Maße präsentieren, sind das Geschäft der Großfläche und präsentieren ein Denken, das in den 1990er-Jahren stehengeblieben ist. Denn bei einer Ausstellung geht es nicht nur um die Präsentation von vielen Produkten. Es geht um unterschwellige Wahrnehmung und viel Psychologie. Das fängt bereits beim Betreten des Raumes an. Zum einen muss es einen Ein- und einen sichtbaren Ausgang geben, um ein Befangenheitsgefühl zu vermeiden. Zum anderen muss bereits beim Hereinkommen die Haptik stimmen – und zwar tatsächlich auch an den Füßen. Und die wollen nicht über harte Fliesen, sondern über weichen Teppichboden gehen. Wenn die Angst vor Verschmutzung zu groß ist, dann kann hier z.B. eine große Schmutzfangmatte diese Funktion übernehmen.

Nicht zu viel, nicht zu wenig
Auch Gerüche und die Temperatur sind wichtig. Wenn schlechte Luft herrscht, es nach Klebstoff riecht, der Raum zu kalt oder das Licht unangenehm ist, fühlt sich der Ausstellungsbesucher unwohl und wird die Räume wahrscheinlich schnell verlassen. Die Sinne müssen auf angenehme Art angesprochen werden. Ein absolutes No-Go ist eine reine Aneinanderreihung von Küchenfronten. „Damit ist der Kunde total überfordert und wird emotional nicht mitgenommen“, sagt ­Andrea Tormin. Im Idealfall, so die Planerin, sei die Ausstellungstour ein Erlebnis, bei dem nicht zu viel und nicht zu wenig geboten und der Besucher nicht überreizt wird.

Lieber hell und freundlich
Auch die klassischen Beratungs- und Musterecken sind ein Horror für Andrea Tormin. „Mal ehrlich, wer will denn in der Ecke stehen oder sitzen?“ Für die Gestaltung von Beratungsflächen könne man sich ein Beispiel an den Duty-Free-Shops in den internationalen Flughäfen nehmen. Um zum Gate zu gelangen, muss man durch Duty-Free-Shop. Auf eine Küchenausstellung bezogen steht am Anfang ein heller, freundlicher Beratungsbereich, in dem Muster und Dekore präsentiert werden und der signalisiert: „Hier kann ich mir zum Schluss noch einmal alle Informationen abholen.“

Tablett voller Kaffeebohnen
Die Ausstellung muss ein räumliches und sinnliches Erlebnis sein und dem Kunden sollten unterschiedliche Szenarien geboten werden. Dabei spielt Licht eine wichtige Rolle. So sollte nicht die komplette Ausstellung mit Licht geflutet werden. Andrea Tormin schaltet in einer Ausstellung gerne einmal das komplette Licht ab, um dann Stück für Stück die Beleuchtung wieder anzuschalten: Zunächst die Nischenbeleuchtung, dann die Arbeitsflächen etc. So entsteht ein Spiel mit Licht und Schatten und die Küche gewinnt an Atmosphäre. Zudem ist die Dekoration ein wichtiger Teil der Planungsarbeit von Andrea Tormin. „Mit Deko kann man einer Küche ein ganz anderes Gesicht geben und eine Landhaus-Küche in eine moderne, sachliche oder Sylt-Küche verwandeln.“ Mit der Dekoration wird die Ausstellung aber auch lebendig, denn jede Schublade wird dekoriert, jeder Kühl- und Vorratsschrank ist befüllt. Der Kunde soll sich wie zu Hause fühlen, daher findet man auch schon mal eine dekorativ umgekippte Mehltüte.
Neben Farben, Tapeten, Pflanzen oder Geschirr legt die Planerin großen Wert auf olfaktorische Dekoration. So wurden in Ausstellungen schon Tabletts voller Kaffeebohnen oder ganze Schokoladen-Berge verteilt. Plötzlich steigen dem Besucher der Duft von Kaffee oder Schokoladenaroma in die Nase. So wird der Gang durch die Ausstellung zur Sinneserfahrung und setzt positive Marker beim Kunden. Das wiederum erhöht den Kaufanreiz. „Ich bin überzeugt, dass dieses Konzept Ausstellungsküchen einzigartig macht und man die einzelne Küche auf diese Weise viel besser in Erinnerung behält.“

Zeigen, was die Geräte können
Küchengeräte sollten erst eingeplant werden, wenn der Entwurf steht. In der Ausstellung muss der Technikbereich ebenfalls ein Erlebnislabor sein, in dem gezeigt wird, was die Geräte können. So geht es beim Herd um die Art des Kochens und die Größe der Kochfläche. Dazu kommt die Wasseraufbereitung, die Kühlung mit unterschiedlichsten Kühlgeräten sowie Back­öfen oder Dampfgarer. Nicht zuletzt geht es heute auch um die Integration von Unterhaltungselektronik und Medien in die Küche.
Bei so vielen unterschiedlichen Ansprüchen ist natürlich auch im Technikbereich Beratung das A und O. Dem Kunden sollte zum einen klar gemacht werden, welche Technik er in seiner eigenen Küche bedienen will. Und hier – wie bei der kompletten Kücheneinrichtung – muss zwischen Wunsch und Wirklichkeit abgewogen werden. Wer sich in ein New Yorker Loft mit offener Küche verliebt hat, ist nach der Realisierung im 150 Quadratmeter großen Eigenheim vielleicht todunglücklich und das Küchenstudio, das für die Umsetzung verantwortlich ist, nicht weiterempfehlen.

Blick über den Tellerrand
Bei ihrer Arbeit bezieht sich Andrea Tormin nicht nur auf die Küchenbranche und deren Produkte. Um ganzheitlich und dem Zeitgeist entsprechend planen zu können, informiert sie sich auf Messen wie der Orgatec, der IMM oder der Ambiente. Auch die Autoindustrie, die in Sachen Farben und Designtendenzen ein Vorreiter ist, wird be­ob­ach­tet. Die sozialen Medien sind ein weiterer wichtiger Faktor.

Damit sich der Kunde wohlfühlt
Gute Lösungen können für jede Raumgegebenheit gefunden werden. „Probleme betrachte ich immer als Herausforderungen“, sagt Andrea Tormin. Für jedes Küchenstudio könne man die optimale Lösung finden. Oberster Grundsatz müsse dabei die Gestaltung sein, nicht der persönliche Geschmack. In einer optimal und durchdacht gestalteten Ausstellung hält sich der Kunde gerne und auch gerne länger auf. Dieser Wohlfühleffekt wiederum führt zur Erhöhung des Kaufanreizes.
Die Planungen des Teams aus Bad Salzuflen umfassen daher nicht nur die reine Ausstellungsfläche. Auch das Rundherum wird organisiert, vom Backoffice bis hin zum Nachtlicht. Alles muss seinen festen Platz haben: Das fängt bei der Ablage an und geht bis zur Dekoration. Auch diese ist festgelegt und darf nicht einfach ersetzt oder weggenommen werden, denn dadurch würde das durchkomponierte Gesamtkonzept gestört. Eine regelmäßige Kontrolle durch die Planerin und ihr Team garantiert die Einhaltung der Konzeptvorgaben. Diese werden den Mitarbeitern bei der Übergabe der neuen Ausstellung mit einem Coaching nahe gebracht. Das mag auf den ersten Blick zwar sehr streng erscheinen, man darf aber nicht vergessen, dass die Ausstellung fester Bestandteil der Identität und Corporate Identity des Küchenstudios ist. Außerdem fotografiert das Team Tormin die Ausstellung und stellt die Fotos für die studioeigenen Websites zur Verfügung.

Eine Frage des Budgets?
Die Kosten für eine Ausstellungsplanung amortisieren sich schnell, meint Andrea Tormin. Denn ein Planungsbüro ist nicht nur für die Gestaltung zuständig, sondern übernimmt die Organisation der Gewerke sowie die Bauaufsicht und kontrolliert das Budget. Das vermeidet unnötige Geldausgaben durch Fehlplanungen und entlastet den Studioinhaber nicht nur finanziell, sondern auch gedanklich ungemein.

Sybille Hilgert

www.made-by-tormin.de