30.06.2015

Abwaschen, Spülen, Schneiden, Zubereiten. Die Tätigkeiten in der Küche sind vielfältig und in vielen Küchen nicht komfortabel und rückenschonend zu erledigen. Der Grund: Die Küchenarbeitsplatten sind selten in der Höhe, in der man ergonomisch sinnvoll arbeiten kann. Elektrisch höhenverstellbare Küchen sorgen nicht nur für mehr Ergonomie, sondern vor allem für mehr Komfort in Küchen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Technischen Universität Darmstadt.

Man hat es bereits geahnt, doch jetzt hat eine Studie der TU Darmstadt wissenschaftlich nachgewiesen: Höhenverstellbare Arbeitsflächen bieten ergonomische Vorteile und erhöhen den Komfort in der Küche erheblich. Foto: Linak

Die Testteilnehmer mussten einen Salat zubereiten. Dabei konnten sie die Küche ganz nach ihren individuellen Wünschen einstellen. Foto: TU Darmstadt

Ideal ist es, wenn die Beugung des Oberkörpers nicht mehr als 6 Grad beträgt, die Oberarme weniger als 45 Grad angewinkelt sind und der Nacken nicht mehr als 15 Grad gebeugt ist. Die persönliche Komfortempfindung kann natürlich von diesen theoretischen Daten abweichen. Grafik: TU Darmstadt

Das Institut für Arbeitswissenschaft unter der Leitung von Prof. Dr. Ralph Bruder untersuchte, wie sich die Möglichkeit der variablen Veränderung der Arbeitshöhen in Küchen auf das Arbeiten auswirkt. Ist eine höhenverstellbare Küche geeignet, um Größenunterschiede der Nutzer auszugleichen? Wie wirkt sich die Verstellung auf den Komfort bei unterschiedlichen Tätigkeiten aus? Diese Fragen standen im Mittelpunkt der Studie, die sich in einen theoretischen und einen praktischen Teil aufteilte. Auftraggeber war das Unternehmen Linak, Hersteller von elektrischen Systemen zur Höhenverstellung zur Anwendung in Arbeits- und Wohnbereichen sowie im Gesundheitswesen.

Küchenalltag mit 3-D-Menschenmodell simuliert
Im theoretischen Teil untersuchten die Wissenschaftler mithilfe einer Simulation basierend auf dem 3-D-Menschenmodell RAMSIS, wie unterschiedliche Arbeitshöhen die unterschiedlichen Größen der Nutzer ausgleichen können. In Küchen gibt es heute nur feste Arbeitshöhen. Wenn die Arbeitshöhe beispielsweise für eine 1,70 Meter große Frau optimal ist, wie bequem, beziehungsweise unbequem ist dann diese Höhe für einen 1,90 Meter großen Mann? Am komfortabelsten ist es, wenn der Oberkörper beim Arbeiten nicht weiter als 6 Grad nach vorne gebeugt werden muss. Die Beugung des Nackens sollte nicht größer als 15 Grad sein. Zum Vergleich der Extreme nahmen die Forscher die Normgröße einer sehr kleinen deutschen Frau und die eines sehr großen deutschen Mannes an. Die berechnete ideale Arbeitshöhe für die Frau liegt bei 950 Millimeter, die des Mannes liegt hingegen bei 1150 Millimeter. Das Ergebnis der Forscher: Durch die flexible Verstellung der Arbeitshöhe um nur 10 Zentimeter lassen sich durchschnittliche Größenunterschiede gut ausgleichen und jeder arbeitet in einer ergonomisch sinnvollen Haltung.

„Enormer Komfortgewinn“
„Wenn es jedoch ein Paar gibt aus einer sehr kleinen deutschen Frau und einem sehr großen deutschen Mann, dann reichen 10 Zentimeter Verstellbereich nicht, um für beide in allen Situationen ideale Bedingungen herzustellen“, erläutert Dr. Michaela Kauer, die Projektleiterin der Forschungsarbeit. Auch wenn eine Verstellung von 10 Zentimetern in diesem extremen Fall keine ergonomisch idealen Bedingungen herstellt, so sei es doch für beide ein enormer Komfortgewinn im Vergleich zu einer festen Arbeitshöhe. Denn im Falle einer starren Höhe sei die Beugung des Oberkörpers für die größere Person eine fast schmerzliche Erfahrung. „10 Zentimeter Verstellbereich sind im Bereich von 900 bis 1000 Millimeter am sinnvollsten platziert, da kleine Personen sich die Arbeitshöhen in den drei typischen Arbeitssituationen Abspülen, Schneiden und Rühren optimal gestalten können“, so Dr. Kauer. Große Personen können sich mit diesem Verstellbereich wesentlich bessere Verhältnisse einrichten, als es derzeit möglich ist, da normalerweise die feste Küchenhöhe an der kleineren Person orientiert ist. Gerade für große Personen bietet die Möglichkeit der Verstellung einen wirklichen Komfortgewinn.

Praxistest mit 59 Probanden
Soweit die Theorie. Aber wie sieht es in der Praxis aus? Welche Erfahrungen machen Nutzer mit einer elektrisch höhenverstellbaren Arbeitsfläche? Wie empfinden sie den theoretisch errechneten Komfortgewinn? Um diese Fragen beantworten zu können, wurden in einer Laborstudie 59 Probanden gebeten, an einer Kochinsel mit einer elektrisch verstellbaren Arbeitsplatte einen Salat zu zubereiten. Sie mussten also schneiden, spülen und waschen. Die Personen mussten zunächst mit einer festvorgegebenen ergonomischen Höhe arbeiten. Danach konnten sie in einem zweiten Durchlauf die Höhe individuell für jede Tätigkeit einstellen. Das Ergebnis ist eindeutig: 76 Prozent der Probanden würden sich eine höhenverstellbare Küche für ihren eigenen Haushalt gerne kaufen. 72 Prozent der Befragten gaben an, dass ihre Küche zu Hause von mindesten zwei Personen genutzt wird. Bei der abschließenden Bewertung lag die elektrisch höhenverstellbare Küche in der Gunst der Probanden ganz klar vorne. 55 von 59 Personen wählten sie auf Platz eins, gefolgt von der ergonomisch richtig eingestellten, aber starren Arbeitshöhe. Die eigene Küchenhöhe daheim lag abgeschlagen auf Platz 3.

Viele Arbeitshöhen passen nicht
„Wir fanden bei der Befragung unserer Probanden heraus, dass nur sehr wenige Arbeitshöhen für die eigene Küche richtig berechnet waren. Scheinbar wird beim Kauf der Küche immer noch zu wenig an das Thema Ergonomie gedacht“, so Dr. Kauer.
Das abschließende Ergebnis der Studie: „Höhenverstellbare Küchen können dazu beitragen, die Körperhaltung bei verschiedenen Tätigkeiten zu verbessern und eine Küche komfortabel nutzbar für mehrere Personen und mehrere Tätigkeiten zu machen.“
Eine Zusammenfassung der Studie wurde auf der Internetseite www.bewegtes-arbeiten.de veröffentlicht.

www.bewegtes-arbeiten.de