26.07.2017

Ursprünglich sollte als Editorial der Ausgabe KÜCHENPLANER 7/8 2017 ein flammendes Plädoyer über die Chancen der offensiven Haubenplanung erscheinen. Doch dann kam Alno und die Insolvenz. Das änderte alles.

Um es vorweg zu sagen: Wenn jemand weiß, was genau beim Küchenmöbelhersteller Alno läuft und was nicht – ich gehöre nicht dazu. Natürlich höre ich seit vielen Jahren genau hin, wenn Vorstandsvorsitzende mit wechselnden Namensschildern ihre Pläne schildern, wie sie die Traditionsmarke flott bekommen wollen. Und doch kann ich gar nicht genau sagen, wann sich zum ersten Mal der Gedanke meldete: „Komisch, irgendwie geht es bei Alno immer nur um Sanierung.“

Seit 1995 an der Börse
Der Blick zurück hilft. Im Sommer 1995 brachte die Eigentümerfamilie Nothdurft Alno an die Börse und in Pfullendorf übernahmen externe Manager das Ruder. Die mussten nun die Auskunftspflicht eines aktiennotierten Unternehmens erfüllen. Während sich die inhabergeführten ostwestfälischen Wettbewerber entspannt zurücklehnen und viel über Umsatz reden aber in Sachen Ergebnis vom Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch machen konnten, hatten die Manager bei Alno konkrete Zahlen auf den Tisch zu legen. So ist es kein Geheimnis, dass diese seit dem Börsengang Mitte der 1990er-Jahre unbefriedigend sind und teils massiv rot blinken. Beim Stöbern in den Protokollen vergangener Bilanzpressekonferenzen stößt man auf diverse Erklärungsversuche fürs anhaltend maue Geschäft. Angeführt werden meist externe Gründe wie Kostendruck im Beschaffungswesen, eine ungünstige Konjunktur und ein undankbarer Küchenmarkt allgemein. Restrukturierung wurde zum gängigen Begriff im Konzernalltag.

Vor 15 Jahren schon einmal insolvent
2002 rutschte Alno schon einmal in die Insolvenz. Der damalige Vorstandsvorsitzende Dr. Frank Gebert suchte sein Heil in der Größe und übernahm die ebenfalls schwächelnde Wellmann-Gruppe (Casawell). Er präsentierte den Rettungsplan „Futura“ und das Unternehmen bekam frisches Geld. Von den Banken und von Investoren wie Whirlpool und später der Münchner Küchenholding.
Parallel schrumpfte die Belegschaft, und die Vorstandsvorsitzenden gaben sich die Klinke in die Hand. Im Mai 2007 übernahm Georg Kellinghusen den von Dr. Gebert zwangsgeräumten Chefsessel, 2009 folgt Jörg Deisel. Der offenbarte in seiner ihm eigenen direkten Art die interne Achillesferse des Unternehmens. Nämlich dass der Küchenmöbelkonzern Alno ein Problem mit Überkapazitäten hat: „Vier Standorte mit einer Auslastung von durchschnittlich kaum 60 % sind nicht tragbar“, sagte er einst bei einer Pressekonferenz und meinte damals die Markenstandorte von Alno (Pfullendorf), Well­mann (Hiddenhausen), Pino (Coswig) und Impuls (Brilon). Daran konnte auch Max Müller, nach Deisel von 2011 bis Ende Mai 2017 als Minderheitseigentümer und Kreditgeber in Vorstandsverantwortung, substanziell nichts ändern. Zwar veräußerte Müller einen Standort komplett, als er vor gut zwei Jahren Impuls Küchen an die Steinhoff-Gruppe verkaufte, allerdings kamen mit Forster Stahlküchen und Piatti schon 2014 zwei Marken und zwei Standorte neu hinzu. Was als Befreiungsschlag zur deutlichen Erhöhung des Exportanteils gedacht war, wollte bislang nicht zünden.
Inzwischen hat Christian Brenner als Vertreter des 2016 bei Alno eingestiegenen und seit 2017 zum Hauptaktionär aufgestiegenen Investors Tahoe die operative Verantwortung in Pfullendorf übernommen. Rund sechs Wochen nach seiner Amtsübernahme hat dieser nun das Unternehmen in die Insolvenz in Eigenverantwortung geführt. Beziehungsweise führen müssen.

Vertrackte Situation

Die Situation ist wirklich vertrackt. Zu hohe Kosten hier, zu geringe und beständig sinkende Umsätze dort. Teils veraltete Produktionsanlagen wie man hört, schlecht ausgelastete Fabriken, erhebliche Verbindlichkeiten mit hohen Zinslasten und eine heftig diskutierte und in Handelskreisen oft kritisierte Markenpolitik, die Alno halbherzig als Premiumware positioniert und die einst ehrwürdige Marke Wellmann zwischenzeitlich auf die Rolls-raus-Schiene schoben. „Ach, Alno“, seufzen viele im Fachhandel schon seit Jahren, und die Anteilseigner bekommen das Grausen bei einem Aktienkurs, der von rund 30 Euro Ausgabewert im Jahr 1995 bei 19 Cent Mitte Juli 2017 gelandet ist.

Wie es nun mit dem Konzern weitergeht? Wer weiß das schon. Ein Insolvenzverfahren hat seine eigenen Gesetze. Dass die Mitarbeiter an vielen Stellen einen beherzten Job gemacht haben und den Konzern mit immer neuen Zugeständnissen in all den Jahren am Leben gehalten haben, wird wohl bald nicht mehr zählen. Und das ist das wahre Dilemma.

Dirk Biermann, Chefredakteur KÜCHENPLANER

Dieser Text erscheint als Editorial der Ausgabe KÜCHENPLANER 7/8 2017. Empfänger des Newsletter erhalten den Link zum E-Paper in dieser Woche. Die Printausgabe wird ab Freitag ausgeliefert.
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