20.04.2016

Mancher kann den Begriff schon nicht mehr hören, bevor er ihn inhaltlich überhaupt in Gänze erfasst hat: Achtsamkeit. Dabei birgt das Thema Potenzial. Denn der planlose Konsum zur Förderung des Wohlbefindens verliert in Zeiten der Achtsamkeit nachhaltig an Reiz.

Dirk Biermann, Chefredakteur

Bitte legen Sie Ihr Smartphone aus der einen und das halbe Käsebrötchen aus der anderen Hand, schließen Sie das Mail-Programm und lesen Sie diesen Text aufmerksam durch. Womit wir bereits mitten drin sind in dieser Dynamik namens Achtsamkeit, die uns in immer mehr Lebensbereichen begegnet. Achtsam gehen, achtsam kochen, achtsam essen, achtsam telefonieren... achtsam dieses, achtsam jenes. Und jetzt auch noch achtsam lesen. Worum geht es hier eigentlich? Im Grunde ganz simpel: ums Jetzt.
Das Prinzip der Achtsamkeit wurzelt in der buddhistischen Art der Lebensführung, kann aber frei von weltanschaulichem Drumherum praktiziert werden. Dahinter verbirgt sich die Erfahrung, dass sich das Leben leichter und gesünder leben lässt, wenn man sich „im Jetzt“ immer häufiger bewusst ist, was man gerade tut, denkt und fühlt – anstatt alles gleichzeitig stattfinden zu lassen und sich dabei gedanklich in Erlebnissen verstrickt oder in Plänen verliert. Was so viel heißt wie: Wer achtsam Auto fährt, kriegt mit, dass er Auto fährt und woher, statt wie in Trance eine Strecke zurückzulegen und an roten Ampeln zu halten und dabei an alle möglichen Erledigungen zu denken oder den morgendlichen Streit mit dem pubertierenden Sprössling weiter auszufechten. Für das Gehen, Kochen, Essen, Telefonieren und Lesen gilt das auch.
Achtsamkeit ist also: weniger Automatismus, mehr Bewusstheit. Das soll manche Vorteile für den Einzelnen haben, sagen die Experten, unter anderem spare man Energie, wenn man sich nicht länger an Dingen aufreibt, die kurzfristig ohnehin nicht zu ändern sind – inklusive des Verhaltens einiger Mitmenschen. Und das wiederum verschaffe die Kraft, die wirklich wichtigen und machbaren Dinge anzugehen. Akzeptanz und Bewertungsfreiheit spielen bei der Achtsamkeit zentrale Rollen. Was aber nicht mit Gleichgültigkeit zu verwechseln sei. Und schon gar nicht mit allumfassender Gelassenheit auf Knopfdruck.
Wer Achtsamkeit allein mit Entschleunigung und Gelassenheit übersetzt, ist nur halb informiert. Die Chance, dass diese Effekte entstehen, ist bei entsprechender Übung zwar gegeben, doch bis zur Tiefenentspannung ist es bei der achtsamen Lebensführung unter Umständen ein weiter Weg. Die Welt, sich selbst, seine Mitmenschen und Kunden wertfrei zu betrachten und dies auch noch zu akzeptieren, braucht erst mal starke Nerven. Es fordert eine große Portion Abenteuergeist, Übungswille und Disziplin, und es scheint verlockender, an den liebgewonnenen Ansichten, Vorurteilen und Gewohnheiten festzuhalten. Doch genau die eingefahrenen Gewohnheiten führen in unserer eng getakteten Multitasking-Welt immer häufiger vom Zynismus in die Erschöpfung, und immer mehr von uns fragen sich, wo das alles hinführen soll, was sie noch alles zeitgleich machen sollen – und überhaupt: „Wo bleibt hier überhaupt der Sinn?“
Sollten die Trendforscher recht behalten, und das tun sie gewöhnlich, haben wir es bei der mehr als 2.500 Jahre alten Idee der Achtsamkeit auch in unserer westlichen Kultur mit etwas Gro­ßem zu tun. Kein kurzfristiger Hype, sondern eine veränderte Sicht des Menschen auf sich, sein Tun und das Leben generell. Diese Ideen erreichen selbstverständlich nicht auf Anhieb jeden, aber immer mehr Menschen weltweit üben sich darin. Darunter wohl auch der ein oder andere Küchenkäufer.
Doch woran erkennt man einen achtsamen Kunden, wenn er durch die Ladentür spaziert? An seiner ruhigen Ausstrahlung? An seinem souveränen Auftreten? Daran, dass er auf den platten Trick mit der Aktivierung des ominösen „Habenwollen-Gens“ nicht hereinfällt? Der achtsame Kunde ist in erster Linie ein bewusster Kunde, der ein X von einem U unterscheiden kann und sich lieber dort seine Küche planen lässt, wo ihm Menschlichkeit und Authentizität begegnen.

Der Begriff „Achtsamkeit“ kommt derzeit inflationär zum Einsatz und droht deshalb an Schärfe zu verlieren – doch wenn man an die bedürfnisorientierte Küchenplanung denkt, ist man im Grunde ganz nah dran. Der Kunde weiß, was er will, und der Küchenspezialist weiß, was er gut kann und wie sich die Wünsche des Kunden im Rahmen des Budgets umsetzen lassen. Ohne Tricks und doppelten Boden, dafür mit dem Willen zu einer partnerschaftlichen Kommunikation, die verstanden hat, dass Geschäfte nur dann gut sind, wenn alle Beteiligten damit zufrieden sind.
Wenn alles gut geht, schwärmt der Kunde von seiner neuen Küche, lobt den angenehmen und erlebnisreichen Planungs- und Kaufprozess – und empfiehlt „seinen“ Küchenspezialisten gerne weiter.
In der Theorie hört sich das mit der Achtsamkeit also schon mal ganz gut an. Die praktische Übung und Umsetzung könnte lohnen, meint

 
Dirk Biermann, Chefredakteur

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