23.09.2016

Definitiv zu früh abgeschrieben

Es pulsiert in Enger. Englische Geschäftskunden werden durch den Showroom geführt, gleichzeitig ein Audit vorgenommen. Und die Produktion läuft auf Hochtouren. Wer den Küchenmöbelhersteller RWK & Kuhlmann vor zwei Jahren abgeschrieben hat, hat dies zu früh getan. Definitiv.

Eine der kuhlmann-Neuheiten, die zur Haus­messe 2016 in der neu gestalteten Ausstellung zu sehen sein wird: „FINN Perolegno“. Foto: kuhlmann

Zwei weitere Neuheiten: „TEMA Keramik TAG“ und „TEMA Keramik NACHT“. Eine der Besonderheiten ist die verfahrbare Arbeitsplatte. Foto: kuhlmann

„Die Krise ist längst überwunden, 2017 werden wir mit neuer Stärke im Markt präsent sein.“ Ralf Marohn, Geschäftsführer RWK & Kuhlmann Küchen GmbH. Foto: Plaßhenrich

„MILA Seidengrau“ steht ebenfalls auf der Liste „Dekorneuheiten“. Foto: kuhlmann

Die Insolvenz Ende Juli 2014 war der absolute Tiefpunkt. „Danach konnte es nur besser werden“, sagt Geschäftsführer Ralf Marohn. Dennoch sei es ein hartes Stück Arbeit gewesen, um das Unternehmen für die neue Strategie fit zu machen. „Es war ein Aufräumen und Ordnen an allen Fronten, auf Kunden- und Lieferantenseite genauso wie auf Mitarbeiterseite und in der Produktion“, erklärt Marohn. Der Geschäftsführer war auf allen Ebenen gefordert. „Wir mussten Vertrauen zurückgewinnen oder neu aufbauen. Das war das Wichtigste. Und wir mussten den Kunden und Partnern erklären, dass hier jetzt keine Chinesen sitzen, sondern Deutsche.“ Der Investor Boloni Home Decor Co. Ltd. aus Peking mit der Inhaberfamilie Cai hatte den Küchenmöbelhersteller nach der Insolvenz übernommen.

Eher italienisch als chinesisch
Für das Boloni-Engagement in Deutschland sprechen Image- und Qualitätsgründe. Ralf Marohn beschreibt dies so: Der chinesische Küchenmarkt kann in drei grobe Segmente unterteilt werden. Das ist zum einen der Billigmarkt mit sehr minderer Qualität, dann das mittlere Segment von lokal gefertigten Küchenherstellern mit guter Qualität und häufig auch mit ausländischem Image. In diesem Umfeld bewegt sich auch Boloni, dessen Name eher italienisch als chinesisch anmutet. Auf diesen Effekt setzt das Unternehmen bewusst: italienisches Design kombiniert mit deutscher Küchentechnik. Als dritter Marktbaustein – und hier kommt RWK & Kuhlmann ins Spiel – kommen die hochwertigen importierten Küchen hinzu. Boloni wollte dieses Feld aber keinem Fremdunternehmen überlassen und hat deswegen selbst in den deutschen Küchenmöbelhersteller investiert.

Exportanteil liegt bei 65 Prozent
Es sei eine Win-win-Situation: Das Engeraner Unternehmen profitiert vom Netzwerk Bolonis, den Showrooms – derzeit sind es drei in China –, vom Außendienst und dem Know-how, das in dem anders tickenden Markt erforderlich ist. RWK & Kuhlmann soll sich als ausländische Marke in China weiter etablieren. Um dieses Ziel zu erreichen, müsse „kuhlmann“ – so lautet der Name der Küchenprodukte – aber in Europa als starke Marke wahrgenommen werden. „Das verlangt von uns, dass wir ein breites europäisches und deutsches Geschäft haben“, sagt Marohn. Der Exportanteil liegt aktuell bei 65 Prozent. So wie vor der Insolvenz. Die Hauptmärkte außerhalb Deutschlands sind die Niederlande und Großbritannien. Der chinesische Anteil liegt bei 15 Prozent. Dabei konzentriert sich das Unternehmen hauptsächlich auf Objektgeschäfte.
China ist hinzugekommen, dafür hat die Schweiz während der Insolvenz stark eingebüßt. „Da wollen wir unbedingt wieder zulegen. Das war ein guter Markt für uns, auch weil wir Schweizer Maß produzieren. Deswegen haben wir jetzt auch einen Showroom in Basel eröffnet“, erläutert der Geschäftsführer. Händler, Neukunden oder Immobilienentwickler können den nutzen. Und er sagte auch: „Wir werden unsere Aktivitäten noch verstärken.“

Großes Vertrauen von der Inhaberfamilie
Rückblende: Es war ein herausfordernder Job, den Ralf Marohn Mitte 2014 nach der Insolvenz übernahm. Sein Antrieb dazu resultierte aus seiner jahrelangen engen Beziehung zur Firma Boloni. Seit 17 Jahren kennt er die Unternehmerfamilie Cai und hat bisher alles koordiniert, was diese in Deutschland geschäftlich unternommen hat. „Boloni bringt mir großes Vertrauen entgegen. Das war auch sehr wichtig, als ich die Aufgabe hier übernahm. Denn dadurch hatte ich gewisse Freiheiten und konnte mich auf die wesentlichen Sachen kontrollieren, anstatt immer wieder Diskussionen mit den Inhabern führen zu müssen.“ Zudem war ihm das Unternehmen nicht gänzlich fremd. „Ich hatte zwar nicht die Innensicht, aber ich kannte das Betriebsgelände, die Produktion – auch aus Kundensicht gesehen die Stärken und Schwächen“, erklärt Ralf ­Marohn, fügt aber hinzu: „Als ich hier anfing, habe ich dann aber schnell feststellen müssen, dass die Insolvenz Schleifspuren hinterlassen hat.“

„Wir mussten uns beweisen“
Etliche Probleme konnten mit Geld gelöst werden. Viel schwieriger sei es aber gewesen, dass Vertrauen zurückzugewinnen. „Wir mussten uns beweisen“, bringt es Marohn auf den Punkt, räumt aber auch ein, dass in dieser Phase Kunden verloren gingen. Darauf sei man aber vorbereitet gewesen. „Sie wussten schließlich nicht, wie es mit dem Unternehmen weitergeht, und wir konnten es ihnen nicht verdenken, sich einen neuen Lieferanten zu suchen, der uns ersetzt“, erklärt der Geschäftsführer.
Was Ralf Marohn enorm wichtig ist: Auch die Mitarbeiter haben nach seiner Einschätzung wieder Vertrauen in ihren Arbeitgeber gefasst. Im Zuge der Insolvenz schrumpfte das Unternehmen von 135 auf 90 Mitarbeiter. „Es mussten leider auch Mitarbeiter gehen, die wir gerne behalten hätten.“ Es sei eine große Herausforderung gewesen, ein neues Team zu formen. „Aber es war klasse, wie unsere Mitarbeiter mitgezogen und ihre Ideen eingebracht haben“, schwärmt er.

„Die Krise ist längst überwunden“
Inzwischen wurde die Produktion weiter modernisiert und ergänzt. Im ersten Jahr wurden zwischen 500.000 und 1 Mio. Euro investiert. Maschinen, die vorher gemietet waren, wurden übernommen. Aber auch neue Maschinen wurden angeschafft und die Produktionshallen renoviert. „Nach einer Übernahme sind die Erwartungen immer sehr hoch. Wir wollten mit Kleinigkeiten zeigen, dass es hier vorangeht.“
Die Mitarbeiterzahl ist inzwischen wieder auf 105 gestiegen, davon 76 in der Produktion. Es wird im Ein-Schicht-System gearbeitet. „Das kann sich aber auch bald ändern“, sagt der Geschäftsführer. Mit Blickrichtung Wachstum. Denn Ziel sei es, den Umsatz auf das Niveau vor der Insolvenz zunächst zurückzuführen und dann zu steigern. Vorher lag dieser bei 20 Mio. Euro, Ende 2016 werden es „zwischen 14 und 16 Mio.“ sein. ­Marohns Zuversicht ist groß und speist sich auch aus dem bereits Erreichten. „2015 war von Altlasten geprägt, 2016 von Umsatzsteigerung und Neuausrichtung des Unternehmens. Das ist aber schon jetzt erreicht und nun geht es darum die weißen Flecken auf unserer Vertriebskarte zu beseitigen.“ Und er verspricht: „2017 werden wir mit neuer Stärke im Markt präsent sein.“

www.kuhlmannkueche.de

Astrid Plaßhenrich


Beton, Edelstahl, Bewegung
Der chinesische Investor ­Boloni zählt zu Chinas führenden Küchen- und Wohnmöbelanbietern. Mit RWK & Kuhl­mann hat das Unternehmen nun eine eigene Marke „Made in Germany“ im Programm. Der Vertrieb in China erfolgt über Boloni, der Vertrieb in Europa weiterhin vom Firmensitz in Enger aus. Für die anstehende Hausmesse wird das Unternehmen seine Ausstellung komplett erneuern. Dazu gehören auch eine Küche aus Beton und Elemente aus Edelstahl. Zudem wird es Küchen mit verfahrbaren Arbeitsflächen geben.