20.04.2016

Ruhe bewahren ... auch wenn der Kunde schimpft

Küchen planen und einrichten - das ist die Kernkompetenz eines Küchenspezialisten. Doch manchmal belasten Reklamationen den Alltag. Dann ist guter Rat teuer. Nicht so bei DER KREIS. Die Mitglieder profitieren von einer kostenfreien Rechtsberatung. Dafür zuständig: Rechtsanwalt Stephan Wörwag.

„Eine außergerichtliche Einigung spart Zeit, Geld und Nerven“, sagt Rechtsanwalt Stephan Wörwag, Syndikus von DER KREIS. In dieser Funktion bietet er den Mitgliedern eine kostenfreie Rechtsberatung. Foto: DER KREIS

Alles scheint zu stimmen mit der neuen exklusiven Küche in reinstem Opalweiß Hochglanz. Das Design der Küchenmöbel grifflos gestaltet, die E-Geräte im Block auf einer Linie, das 90 cm breite Induktionskochfeld kombiniert mit einem Kochfeldabzug, die Armatur mit Schlauchauszug farblich abgestimmt auf die Spüle mit XXL-­Becken – und dann holt der Kunde die Lupe heraus und fahndet nach Farbabweichungen auf der Natursteinarbeitsplatte.
Akkurate Geister werden selbstverständlich Flecken und Punkte finden, die „da nicht hingehören“ und den Gesamteindruck der teuren Einbauküche „ruinieren“. Da hilft nur eins: „Die Arbeitsfläche muss ausgetauscht werden.“ Das meint zumindest der Beispiel-Kunde. Aus Händlersicht handelt es sich dabei um eine ausgesprochen exklusive Sicht auf die Dinge – allerdings mit Potenzial für eine ernsthafte Auseinandersetzung. „Reklamationen sind immer ärgerlich, aber halt nicht gänzlich auszuschließen“, weiß auch Stephan Wörwag, Syndikus* bei der Verbundgruppe DER KREIS in Leon­berg. Seit rund zehn Jahren steht der Nachfolger des ehemaligen Syndikus, Dr. ­Georg Kauper, der diese Funktion fast 20 Jahre ausübte, den Mitgliedern in Rechtsfragen zur Seite. Die Mängelgewährleistung zählt dabei zu seinem täglichen Brot. Fragen zum Arbeits- oder Gesellschaftsrecht ebenfalls. Hinzu kommen die Aspekte Existenzgründung und Unternehmensnachfolge. Oder das leidige Thema „Kennzeichnungspflicht mit dem Energielabel“, das vor einigen Jahren die Küchenspezialisten empörte.
Dass die Rechtsberatung von vielen Mitgliedern genutzt wird, belegt die Anzahl der Anfragen: So wurde der DER KREIS Rechtsanwalt alleine im letzten Jahr in rund 350 Fällen konsultiert.

Persönlich und übergreifend
Die Rechtsberatung wurde auf Initiative von Verbundgruppen-Chef  Ernst-Martin Schaible entwickelt und ist für DER KREIS-Mitglieder kostenfrei. Sie reichen von der Erstellung allgemeiner rechtlicher Informationen für den 14-tägig erscheinenden internen Newsletter „KREIS-NEWS“ bis zum konkreten Rechtsbeistand per Telefon, E-Mail, schriftlicher Ausarbeitung oder persönlichem Kontakt. Hinzu kommen Vorträge und Workshops.
Beispiel Energielabel: „Als es in den Jahren 2008 und 2009 zu den ersten Abmahnungen kam, war die Verunsicherung groß und viele Spezialisten waren entsetzt.“ Daran kann sich Stephan Wörwag noch gut erinnern. Betroffene Mitglieder konnten sich mit ihrem konkreten Fall an den Rechtsanwalt wenden und es wurde individuell geprüft: Treffen die Vorwürfe zu? Gibt es Einwände? Sollte die Vertragsstrafe akzeptiert oder doch besser eine einstweilige Verfügung abgewartet werden? „Parallel dazu haben wir von DER KREIS mit der ‚Deutschen Umwelthilfe’ Kontakt aufgenommen und einen inhaltlichen Austausch angeregt“, erzählt Wörwag. Das Ergebnis sei „sehr ernüchternd“ gewesen. Nämlich ein Formblatt-Antwortschreiben, das allein auf die rechtlichen Rahmenbedingungen pochte, ohne aber auf das Angebot eines praxisbezogenen Dia­logs einzugehen. „Inzwischen ist deutlich Ruhe beim Thema Energielabel eingekehrt“, berichtet der Rechtsanwalt. Die rechtliche Pflicht zur Kennzeichnung werde im Handel weitestgehend akzeptiert – und immer häufiger sogar als „Chance für den Beratungseinstieg“ genutzt. Dennoch bleibt das Gesamtthema aktuell. Allein schon wegen der regelmäßigen Label-Neufassungen. Hinzu kommen künftig die einzuhaltenden Bestimmungen rund um die Altgeräteentsorgung. Auch auf diesem Gebiet muss der Küchenspezialist firm sein, um nicht gegen geltendes Recht zu verstoßen.

Viele mögliche Fehlerquellen
Alles andere als ruhig geht es beim Klassiker „Mängelgewährleis­tung“ zu. Reklamationen braucht kein Mensch, weder Händler noch Kunde, doch auszuschließen sind sie nicht. Dafür ist das Gesamtprodukt Einbauküche zu komplex. Ob Planung, Auftragsbearbeitung, Herstellungsprozess oder Montage – Fehlerquellen, die später Probleme verursachen können, gibt es viele, und nicht immer ist „der Schuldige“ eindeutig zu identifizieren. Für viele Kunden sind solche Spitzfindigkeiten ohnehin belanglos: Ist etwas nicht so, wie es seiner Meinung nach zu sein hat, ist automatisch der Händler schuld. „Gerade bei hochwertigen Küchen branden dann die Emotionen auf“, berichtet Stephan Wörwag. Händler wie Käufer sehen sich im Recht, und wenn es dann noch bei der zwischenmenschlichen Chemie kriselt, sind die Fronten schnell derart verhärtet, dass einer der Parteien beschließt: „Der wird mich jetzt mal kennenlernen, das gebe ich meinem Anwalt.“ Wenn der reklamierende Kunde über eine Rechtsschutzversicherung verfügt – und er deshalb frei von Kostendruck agieren kann – wird dies für den Planer und Händler in der Regel besonders kompliziert.

Zeitnah reagieren
Auch wenn der erste Ärger oft groß ist: Stephan Wörwag rät zur Ruhe. Die beste juristische Auseinandersetzung sei nämlich die, die gar nicht vor Gericht ausgefochten wird. Eine außergerichtliche Einigung spart Zeit, Geld und Nerven. In den zehn Jahren seiner Tätigkeit für den KREIS sei es lediglich zu zwei Gerichtsverfahren gekommen. „Das heißt gewiss nicht, stets voreilig klein beizugeben“, sagt der Rechtsanwalt, „aber Ziel sollte immer die günstigste Lösung sein.“ „Die erste Nachbesserung ist dabei häufig die beste“, fährt Wörwag fort und rät eindringlich, nichts aus Unwillen auf die lange Bank zu schieben. Wörwag: „Eine Mängelrüge zeitnah zu bearbeiten, ist leicht verdientes Geld – im Vergleich zu dem, was sich daraus juristisch entwickeln kann.“ Und mit dem Empfehlungsmarketing klappt es so auch besser.

Vorher für Klarheit sorgen
Bei besonders emotional geführten Diskussionen mit hohem Streitwert – wie eingangs am Beispiel der Natursteinarbeitsplatte geschildert – kann dieser Leitgedanke natürlich an seine Grenzen gelangen. Um Missverständnisse zu vermeiden, empfiehlt der Rechtsexperte deshalb, bereits im Vorfeld für größtmögliche Klarheit zu sorgen. Für das Beispiel der Naturstein-Arbeitsfläche können zum Beispiel Naturstein-Zertifikate der Hersteller dienlich sein. Prophylaktisch wirkt auch die direkte Ansprache, was bei Naturprodukten ein optischer Mangel ist – und was eben nicht. Darüber hinaus weist Wörwag stets auf Fachmaterial hin. Dazu zählen KREIS-interne Materialien (u.a. Musterformulare) ebenso wie die AMK-Gebraucherinformationen.

Penibel protokollieren
Ein weiteres wichtiges Instrument, um Reklamationen vorzubeugen bzw. Probleme elegant zu lösen, sei ein „penibel ausgefülltes Abnahme- und Übergabeprotokoll“. Auch dafür stehen bei DER KREIS speziell erstellte Formulare zur Verfügung. Diese Dokumente können im Fall der Fälle eine große Rolle spielen. Bei außergerichtlichen Einigungen ebenso wie beim eventuell angestrebten Gerichtsverfahren. Denn laut Stephan Wörwag gilt die grundsätzliche Faustformel: „Was im Protokoll nicht angesprochen und dokumentiert wird, kann im Nachhinein nicht angemahnt werden.“ Besonders gilt dies für die offensichtlichen optischen Aspekte. Es gibt aber Ausnahmen: Dazu zählen Themen, für die spezielle Fachkenntnisse erforderlich sind.
Die kostengünstigste sowie zeit- und nervenschonendste Art der Reklamationsbearbeitung ist die gütliche Einigung, und zwar bevor sich externe Rechtsanwälte kostspielig mit dem Fall befassen. Dies fordert den Willen zur Kulanz, und jeder Händler muss wählen, „ob er seinem Kunden was Gutes tun oder es drauf ankommen lassen will“. Damit der Händler den jeweiligen Sachverhalt überhaupt in der gesamten Bandbreite beurteilen kann, erstellt Stephan Wörwag eine Art Gutachten. Das zeigt auf, wie weit der Händler in welchen Punkten rechtlich gehen kann. Grundlage ist das Werkvertragsrecht. Und das kann das Bauchgefühl des Händlers schon mal gehörig auf den Kopf stellen. „Nicht immer ist der reklamierende Kunde mit seinen Forderungen auf dem Holzweg“, berichtet Wörwag. Auch dies müsse in manchem Streitfall erst einmal bewusst werden.

Erste Hilfe im Notfall
Ein weiteres wichtiges Fachgebiet in der Arbeit für die Mitglieder von DER KREIS ist für Wörwag der Themenkomplex „Unternehmensführung/Existenzgründung/Unternehmensnachfolge“. Gerade bei inhabergeführten Küchenspezialgeschäften ist der Unternehmenschef häufig für alles verantwortlich, und nicht selten liegen bei ihm viele wichtige Informationen für das operative Geschäft exklusiv verwahrt. Diese Bündelung des Wissens war nie so geplant, aber es hat sich halt so ergeben. Wenn der Chef nun – aus welchen Gründen auch immer – ausfällt, geben sich die Fragezeichen die Klinke in die Hand: Wo sind die Passwörter für die Computersysteme und die Zugangsdaten für die Bankkonten? Wer hat eine Übersicht über die laufenden Projekte? Welche Konditionen gelten für welchen Lieferanten? Die Liste ließe sich um etliche Punkte erweitern. Das hat DER KREIS getan. Verbundjustiziar ­Stephan Wörwag überprüft und aktualisiert permanent den seit langen Jahren bereits existierenden „Notfallkoffer des Unternehmers“, der in Erfa-Gruppen gemeinsam mit den Mitgliedern erarbeitet wurde. Auf rund zwei Seiten formuliert er Grundsätzliches und Konkretes zum Thema „Wenn der Chef mal ausfällt“. Gleichzeitig dient diese Übersicht als praxisnahes Grundgerüst für das noch umfassendere Thema der geregelten Unternehmensnachfolge.
Mit Vorträgen und Workshops vertieft Wörwag diese Themen und sensibilisiert die KREIS-Mitglieder für einen individuellen Zugang – auf Erfa-Tagungen und internen Fortbildungen ebenso wie im Rahmen der jährlichen Kongresse. Aktiv ist er zudem mit Vorträgen bei Bildungseinrichtungen wie zum Beispiel der MöFa (Möbelfachschule).

Europäisches Verbraucherrecht
Gewährleistung, Arbeits- und Gesellschaftsrecht, Unternehmensnachfolge – diese Kern-Themen füllen den Arbeitsalltag von Stephan Wörwag. Hinzu kommen die juristischen Fragestellungen, die den Verbund und seine Gesellschaften betreffen. Schließlich ist DER KREIS eine europaweit tätige Verbundgruppe. An weiterer Beschäftigung wird es ihm gewiss nicht mangeln. „Der Verbraucherschutz erhält ein immer größeres Gewicht“, sagt der Syndikus und führt als Beispiel die weiter fortschreitende Vereinheitlichung des europäischen Verbraucherrechts an. „Küchenspezialisten müssen sich darauf einstellen, dass der Verbraucher immer mehr geschützt wird“, sagt Stephan Wörwag. Das sei grundsätzlich begrüßenswert, sagt er, mahnt aber gleichzeitig an: „Dabei muss Platz für eine auskömmliche Händlermarge bleiben.“

www.derkreis.de

Dirk Biermann


Garantie und Gewährleistung
Die Praxis in Reklamationsfällen zeigt, dass der Unterschied zwischen Garantie und Gewährleistung nicht immer allen Beteiligten bewusst ist. Rechtsanwalt Stephan Wörwag klärt auf: „Garantie ist eine freiwillige Leistung des Anbieters (in der Regel des Herstellers), die auch entsprechend frei gestaltet werden kann. Die Gewährleistung hingegen ist gesetzlich geregelt. Der Verkäufer einer Sache haftet dafür, dass die Sache bei Abnahme oder Übergabe keinen Mangel hat. In Bezug auf die individuell geplante Einbauküche, wie sie der Küchenspezialist plant, liefert und montiert, beträgt der Gewährleistungszeitraum 5 Jahre. Demgegenüber kann der Händler seine Vorlieferanten lediglich 2 Jahre aufgrund der gesetzlichen Gewährleistung für Mängel in Anspruch nehmen.“


* Als Syndikus wird ein Rechtsanwalt bezeichnet, der bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber beschäftigt ist. Also bei einem Unternehmen oder wie im Fall von Stephan ­Wörwag bei einem Verband.