21.09.2015

Sie ist 1,60 groß, er 1,85 Meter – und beide kochen gern. In solchen Fällen gelangt selbst eine ergonomisch orientierte Küchenplanung an ihre Grenzen. Sofern sie auf „starre“ Höhen setzt. Höhenverstellbare Arbeitsflächen können dann eine Lösung sein. Und diese Flexibilität ist viel leichter und kostengünstiger zu realisieren, als man vermuten mag. Umsatz-Mehrwert inklusive.

Christoph Messing, Verkaufsleiter „Deskline“ der Linak GmbH in Nidda, präsentiert das erste spezialisierte Küchenprodukt: den „Baselift“. Die Höhenverstellung ist seit rund einem Jahr auf dem Markt. Foto: Biermann

interzum-Neuheit 2015: Der Ansatztisch mit Akku­betrieb soll den Einstieg in die höhenverstellbare Küche vereinfachen. Foto: Biermann

Johnny Petersen, CEO der dänischen Küchenmöbel­manufaktur Sonderborg Küchen, liefert als Impulsgeber inspirierende Ideen zur Entwicklung der Höhenverstellung für Küchenmöbel. Linak arbeitet eng mit ihm zusammen. Foto: Biermann

Eine Spindel dreht sich mithilfe eines Motors, sodass ein Rohr mit Mutter vorwärts und rückwärts auf der Spindel bewegt wird. Dies erzeugt eine lineare Bewegung. Foto: Biermann

Der Geschäftsbereich „Desk­line“ ist wie eine Fabrik in der Fabrik. Hier arbeiten die Abteilungen von der Entwicklung über die Montage bis zur Verwaltung „auf kurzen Wegen“ zusammen. Glaswände unterteilen die Bereiche, die Atmosphäre ist überraschend ruhig. Foto: Biermann

Blick durch die Plexiglas-Sockelabdeckung: So werden die „Baselift“-Module montiert. Jedes dieser mechanischen Bauteile trägt bis zu 150 Kilo. Foto: Biermann

Foto: Biermann

Einer der weltweit führenden Anbieter von Antriebssystemen für höhenverstellbare Arbeitsflächen ist das dänische Unternehmen Linak. Die Küchenbranche kennt das Unternehmen zwar erst seit etwas mehr als zwei Jahren intensiver, doch im Gesundheitswesen, in der Landwirtschaft und der Industrie gilt Linak als einer der tonangebenden Anbieter, wenn es um exakt positionierbare Arbeitshöhen geht. Und natürlich im Büro. Elektronisch gesteuerte Technik für den höhenverstellbaren Schreibtisch – unter Fachleuten heißt es korrekt „Steh-Sitz-Arbeitsplatz“ – zählt zu den Kernkompetenzen des Unternehmens. Rund ein Drittel des Umsatzes von aktuell rund 400 Millionen Euro geht auf das Möbel-Konto, in Deutschland beträgt dieser Umsatzanteil sogar 37%.
Elektronisch gesteuerte Hubsys­teme für Möbel sind im Geschäftsbereich „Deskline“ zusammengefasst. Die Betonung liegt auf dem ersten Wortteil: Desk = englisch = Tisch. Es handelt sich also keineswegs um einen Begriff aus den Tiefen des dänischen Sprachschatzes, sondern um eine reguläre englischsprachige Schreibweise. Was auf die internationale Ausrichtung hinweist.

Freudiges Erlebnis
Die Küchenbranche ist relatives Neuland für die Dänen, aber marktgerechte Lösungen sind bereits im Sortiment. „Zum Marktstart vor vier Jahren haben wir geprüft, wie weit sich unsere bewährten Produkte für die Anwendung in der Küche eignen“, berichtet Christoph Messing, Verkaufsleiter „Deskline“ in Deutschland und Österreich. Als einer der Pioniere setzte Küchenmöbelhersteller team7 ein Hubsystem ein, kurz darauf folgte als weiterer „Pilotpartner“ Sachsenküchen. Der Einsatz der Technik selbst verlief reibungslos und der Komfortgewinn in der Anwendung war ein freudiges Erlebnis für alle, die bislang ihre Last hatten mit nicht ganz optimalen Arbeitshöhen.
Inzwischen umfasst die Liste der Linak-Kunden neben team7 und Sachsenküchen weitere klangvolle Namen wie u.a. Tielsa, Zeyko, kuhlmann, eggersmann, Störmer und die schwedische Nobia-Group. Hinzu kommt rKüchentechnik: Der Zubehörspezialist aus Halver setzte früh auf die Höhenverstellbarkeit mit Technik „Made in ­Denmark“ und kreierte mit „rGonomic“ eine eigene Handelsmarke.
Allerdings fordert die Integration dieser Basis-Bauteile das Know-how der Kunden, denn jeder Küchen­möbelhersteller muss eine eigene Möbellösung konstruieren. Ein Hersteller integrierte die Hubtechnik wie beim Büro-Schreibtisch an den Seiten der Möbel, ein anderer ließ einen fest verschweißten Rahmen fertigen, auf den die Küchenmöbel der Insel bzw. Zeile aufgesetzt werden.
Erstes spezielles Küchenprodukt
Sonderlösungen zu konzipieren und umzusetzen, ist für einen Küchenmöbelhersteller Tagesgeschäft und damit machbar. Besonders für mittelständische Hersteller. Doch für den standardisierten Einsatz in der taktgebundenen Volumenproduktion stellt es ein gewisses Hemmnis dar. „Zusammen mit unseren Entwicklungspartnern aus dem Handel und der Industrie haben wir schnell gemerkt, dass wir mit der Technik im Sockel am besten aufgehoben sind“, erläutert Christoph Messing. Denn in Deutschland montieren die Küchenmöbelhersteller fast immer Sockelfüße unter die Schränke der Unterzeile, sodass der notwendige Raum für die Hubtechnik dort ohnehin zur Verfügung steht. Und noch ein Aspekt habe sich beim fachlichen Austausch gezeigt, ergänzt Christian Renner, der bei der Linak GmbH für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist: „Ein Verstellweg von 10 cm reicht aus, um die meisten Höhenprobleme in der Küche zu entschärfen und den Komfort deutlich zu erhöhen.“ Produkt gewordenes Ergebnis dieser Überlegungen ist der „Baselift“, das erste Linak-Produkt, „das speziell für den Einsatz in der Küche konstruiert wurde“, wie Christoph Messing sagt. Vorgestellt wurde der „Baselift“ auf der ZOW 2014, seit Sommer vergangenen Jahres ist er auf dem Markt.

Einfach unter das Möbel schrauben
Jeder „Baselift“ hat eine Tragkraft von 150 Kilo und wird bei der Küchenmontage anstelle der Sockelfüße unter die Schränke montiert. Bis zu vier dieser mechanischen Bauteile lassen sich mit einer elektronischen Steuerung verbinden und ebenfalls vier dieser Steuerungen hintereinander schalten. Das ergibt eine maximale Tragkraft von weit über zwei Tonnen. „Großzügige Sicherheitsreserven inklusive“, betont der Hersteller. Denn wenn sich bei einer Feier Partygäste in Sektlaune auf die Arbeitsfläche setzen und sich elektrisch hoch- und niederfahren lassen wollen, sollte die Technik auch dies mitmachen. Bei der Montage hilfreich: Die Initialisierung der Elektronik erfolgt per „Plug & Play“ auf Knopfdruck und dauert gerade mal fünf Sekunden. Bedient wird die Höhenverstellung über ein Steuerbauteil an oder in der Arbeitsfläche - oder per Fernbedienung.
Integrieren lässt sich der „Baselift“ aber nicht nur im Sockel. Je nachdem was elektrisch bewegt werden soll, sind weitere Positionierungen denkbar, z.B. auch unterhalb der Arbeitsfläche, wenn ein Regalmodul aus der Platte gefahren oder ganze Schränke in unterschiedliche Höhen gebracht werden sollen. Hersteller eggersmann zeigte auf der LivingKitchen 2015 Ideen dazu.

Auch über den Zubehörgroßhandel
Eingesetzt werden kann die „Baselift“-Technik in der Fertigung beim Küchenmöbelhersteller. Aber auch vom planenden Fachhandel: Neben rKüchentechnik hat künftig auch Naber den „Baselift“ im Vertriebsprogramm. Ab der area30 im September 2015 geht es los. Für weitere Vertriebswege in Industrie und Großhandel ist Linak offen, schließlich handele es sich um ein standardisiertes Industrieprodukt, für das es keinen Exklusivitätsanspruch geben könne, wie Christoph Messing erläutert.
Parallel wird die herkömmliche Hubtechnik weiter angeboten. Ihre Stärken spielt diese Umsetzung immer dann aus, wenn Verstellwege von mehr als 10 cm oder Sonderlösungen realisiert werden sollen. Aber auch, wenn noch höhere Gewichte bewegt werden müssen.

„Einstiegsdroge“ für die Industrie
Ganz neu im Programm ist seit der interzum 2015 ein höhenverstellbarer Beistelltisch, der über einen Akku betrieben wird. Höhenverstellbare Tische sind zwar seit Jahrzehnten bekannt in der Küche, doch konnten sie sich in der Breite nie wirklich durchsetzen. Gründe dafür mag es unterschiedliche geben, ein ganz praktischer sind die Kabel für die Stromversorgung, die sich nicht immer ganz verbergen lassen. „Dieses Problem löst der Akkubetrieb nun auf ganzer Linie“, unterstreicht Christian Renner den Vorteil dieser Neuheit und nennt das Produkt augenzwinkernd „eine Einstiegsdroge für die Industrie“. Sprich: Der unkompliziert einzusetzende Beistelltisch soll Lust auf die Höhenverstellbarkeit machen, woraus sich in einem nächsten „Stadium“ per „Baselift“ bewegte Zeilen und Inseln ent­wickeln können.

Komfort mit Mehrwert
„Mainstream“ wird die Höhenverstellbarkeit in der Küche kurzfristig wohl eher nicht, aber in definierten Marktsegmenten hat sie allemal Wachstumspotenzial. Wobei Linak das Thema ausdrücklich nicht in der Premium-Ecke angesiedelt sehen will. Eher in der „gehobenen Standardküche ab ca. 8000 Euro“. Der Einsatz von vier Baselift-Modulen kos­tet für den Endkunden etwa 1500 Euro. Bei separaten Funktionsbereichen oder
kleinen Küchenblöcken genügen
auch schon drei Module, was die Kosten weiter reduziert und laut ­Christoph Messing unter die 1000-Euro-Schwelle bringen kann. „Mit dem ‚Baselift’ haben wir die Preise halbiert und sparen den vollen Stauraum“, nennt er ein wohlformuliertes Argument, das sich in vielen Vertriebsgesprächen etabliert haben dürfte. Ebenso wie der Aspekt der zusätzlichen Umsatzgenerierung, der insbesondere dem Handel gefallen dürfte. Denn das Thema der Höhenverstellbarkeit poliert nicht nur das Bera­tungsimage auf – es führt auch zu konkretem Umsatz.
Von Dirk Biermann

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Erleichterung für den besten Freund
Linak hat seinen Sitz im süddänischen Nordborg, rund 50 Autokilometer von der Grenze zu Deutschland entfernt. Die Wurzeln des Unternehmens reichen bis ins Jahr 1907. Damals gründete der Großvater des heutigen Eigentümers die „Christian Jensen Maskinfabrik“. Zu dieser Zeit zählte Nordborg übrigens noch zum deutschen Hoheitsgebiet. Dynamisch entwickelt hat sich das Unternehmen jedoch erst ab 1976 mit dem Eintritt von Bent Jensen, dem aktuellen CEO und Eigentümer. Bis in die Mitte der 1970er-Jahre beschäftigte sich der Familienbetrieb mit der Produktion von Riemenscheiben und Mahlanlagen für die Landwirtschaft. Sieben Mitarbeiter standen in Brot und Lohn. Der studierte Maschinenbau-Ingenieur Bent Jensen soll nur geringe Ambitionen verspürt haben, den elterlichen Betrieb zu übernehmen. Er wollte im Ausland arbeiten und seine eigene Karriere machen.
Eine ganz besondere Situation ließ ihn umdenken. Einer seiner besten Schulfreunde, Hanspeter Clausen aus der Familie des benachbarten Heiztechnik-Konzerns Danfoss, war infolge eines Autounfalls an den Rollstuhl gefesselt. Um dem Freund seinen Alltag ein wenig zu erleichtern, konzipierte Jensen eine elektrische Aufstehhilfe für dessen Rollstuhl. Dieser elektrische Linearantrieb ist in weiterentwickelter Form die Basis des heutigen Geschäfts und Garant für die weltweite Entwicklung des Unternehmens. Der erste Linearantrieb wurde 1979 auf dem Markt eingeführt.

Präzise Abstimmung
Sechs Jahre später wurde das Unternehmen in „LINAK“ umbenannte. Der Firmenname setzt sich aus den Anfangsbuchstaben des Produkts zusammen: „Linearer Aktuator“. Wobei Linak nur ausgewählte Komponenten selber produziert. Im Kern stehen die Entwicklung sowie eine hochmodern ausgerüstete Montage.
Zwei Kernkompetenzen bleiben jedoch in eigener Hand und umfassen auch die eigene Fertigung. Das sind die elektronischen Steuerungen sowie die Stahlspindeln, die die elektrischen Impulse in ein präzise definiertes Verhältnis von Kraft und Geschwindigkeit umsetzen. Die Fertigung der elektronischen Steuerungen wird erst an einen Lieferanten gegeben, wenn die Technik restlos „eingefahren“ ist, also lange Zeit absolut störungsfrei arbeitet.

Zahlreiche Tests
Um diese Prozesssicherheit zu gewährleisten, hat Linak in den gesam­ten Produktions- und Montageprozess zahlreiche Teststationen integriert. Ziel sei es, die Toleranzen so gering wie möglich zu halten. Für ein Maximum an Stabilität und Steifigkeit werden zum Beispiel die Gewinde der Spindelstangen nicht aus der Rohware herausgeschnitten, sondern nach innen in das Material hineingedrückt. Dank des eigenen Maschinenbaus sei man in der Lage, individuellste Kundenwünsche rund um die Höhenverstellung umzusetzen. Wobei es stets darum geht, Geschwindigkeit und Kraft in Einklang zu bringen – je nach gewünschter Anwendung.
Eigenen Angaben zufolge ist Linak der einzige Hersteller von elektrischen linearen Antriebssystemen, der Entwicklung, Produktion zentraler Bauteile sowie Montage so intensiv verzahnt und Mechanik und Elektronik aus einer Hand anbietet. Allein für den Möbel-Geschäftsbereich „Desk­line“ arbeiten 40 Fachleute in der Entwicklung. Sie konzipieren mechanische Komponenten sowie die Elektronik und die Software.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das Design. Hier versteht sich Linak als Schnittstelle zwischen Designern und Herstellern. Immer mehr OEM-Kunden „schätzen und nutzen diesen Ideenpool für neue Produkte“, berichtet Nina Ramberg von Linak-Marketing. Und sie ergänzt: „Wir wollen Produkte herstellen, die in jedes Design passen.“

Rasant gewachsen
Heute beschäftigt das Unternehmen 1900 Mitarbeiter an vier Produktionsstandorten in Dänemark, USA, China und der Slowakei und verfügt über 30 Niederlassungen weltweit. Die deutsche Niederlassung mit 65 Mitarbeitern ist in Nidda nahe Frankfurt angesiedelt, Geschäftsführer ist ­Sören Rasmussen. Innerhalb von 10 Jahren hat sich der Umsatz in der Linak-Gruppe nahezu verdoppelt. Allein im vergangenen Geschäftsjahr stieg dieser von 327 Mio. Euro auf jetzt fast 400 Mio. Euro. (dib)

www.linak.de