28.04.2015

Immer weniger Aussteller, immer weniger Besucher – die ZOW ringt um ihre Zukunft und tritt dabei auf der Stelle. Dabei sind sich alle einig: Format, Ort und Termin passen perfekt. Nun will Veranstalter Clarion Dinge besser machen, die gar nicht erst hätten schlecht laufen dürfen. Und das mit neuem Personal. Von Dirk Biermann

Foto mit Symbolcharakter: Die einstige Vorzeigemesse ZOW muss sich neu am Markt positionieren. Foto: Biermann

Horst Rudolph gibt die Verantwortung für die ZOW ab und verlässt die im Laufe des Jahres 2015 Geschäftsleitung von Clarion Events. Foto: Biermann

Frank Haubold, ehemals Koelnmesse, hat am 1. April Verantwortung bei Clarion Events Deutschland übernommen. Vorerst als Portfolio-Manager, im Lauf des Jahres dann als Geschäftsführer. Foto: Biermann

Ausgerechnet am Würstchenstand offenbart sich die Misere der ZOW. Keine lange Schlangen, keine Wartezeit – da knurrt der Magen zur Mittagszeit vor lauter Vorfreude glatt eine Nuance tiefer. Entsprechend wohlgestimmt begutachtet der Messebesucher die Auslage.
„Haben Sie die Bockwürstchen gar nicht mehr?“, fragt der etwa 45-Jährige Anzugträger die Frau hinter dem Tresen und rückt den weißen Leinenbeutel über der Schulter zurecht.
„Neee“, knallt es von der anderen Seite der Glasauslage zurück.
„Ach!“, entgegnet der Interessent und lächelt unbeirrt weiter, „da macht man uns erst viele Jahre abhängig von dem fettigen Stoff, und dann werden die Würstel einfach aus dem Programm genommen.“
Der offensichtlich witzig gemeinte Unterton scheint irgendwo zwischen Sender und Empfängerin verloren gegangen zu sein. „Die haben wir schon seit Jahren nicht mehr“, blafft die Enddreißigerin.
Was der Messegast so nicht stehen lassen will, es scheint sich um einen Kenner des kulinarischen ZOW-Angebots zu handeln. „Aber ...“, setzt er an, stutzt dann einen Moment und besinnt sich offenbar eines Strategiewechsels: „Egal, was haben Sie denn sonst noch im Angebot?“
„Asiatische Gemüsepfanne.“
„Das hört sich gut an, die nehme ich.“
„Kostet 5,90 Euro.“
Ich habe hier Wertgutscheine von einem Aussteller bekommen.“
„Die gelten nicht für die Gemüsepfanne.“
„Wofür denn?“
„Für die Snacks und die Getränke. Der Rest kostet.“
...

An dieser Stelle verlassen wir das verbale Geplänkel. Für die momentane Schwäche der Zuliefermesse im lippischen Bad Salzuflen sind natürlich weder schlecht informierte und genervt agierende Dienstleister verantwortlich noch allzu themenfeste Messebesucher. Diese Anekdote verdeutlicht jedoch die angekratzte Stimmung auf dem Areal zwischen Ostwestfalenstraße und B 239. Die Zahl der besuchenswerten Aussteller ist eine Sache, die Qualität der Messegespräche eine andere, aber wenn das bislang „immer“ kostenfreie Catering eingestampft wird, dann schlagen die Wellen hoch. So tickt der Mensch. Das mag ungerecht sein, doch sollte von Veranstaltungsmanagern einkalkuliert werden. Zumal Mieter und Besucher der ZOW in diesem Punkt gemeinsame Sache machen. „Es ist ein Unding, dass ich meine Kunden mit Wertcoupons fürs Mittagessen ausstatten muss“, moniert einer der Aussteller. Ein anderer winkt ab und grinst gequält: „Das sagt doch alles.“

Keine guten Zahlen
Doch was sagt es genau? Wohl zuerst, dass es um die Finanzen schlecht bestellt sein muss. Bei 204 Ausstellern keine allzu verwegene Vermutung. Gerade mal zwei Hallen füllte die einst bärenstarke Veranstaltung im Messezentrum Bad Salzuflen in diesem Jahr. Etliche Quadratmeter wurden sogar noch für großzügig bemessene Sonderthemen abgesperrt. Die optische Reduktion sticht ins Auge. Deshalb spricht Horst Rudolph, zum Zeitpunkt der Messe noch Geschäftsführer des ZOW-Veranstalters Clarion Events Deutschland, in diesem Punkt Klartext. „Wir werden keine schwarzen Zahlen schreiben in diesem Jahr“, sagt er im Rahmen einer Pressekonferenz. 500.000 Euro habe man investiert. Ob die auch der konkrete Verlust ist, bleibt offen. Weitere Details wird Rudolph dazu kaum mehr berichten. Wie das Unternehmen eine Woche nach Messeschluss mitteilte, werde Rudolph seinen Schreibtisch in der Geschäftsleitung im Laufe des Jahres räumen und Platz für einen Nachfolger machen. Einnehmen wird diesen Frank Haubold, in der Branche bestens bekannt und hoch geschätzt als ehemaliger Manager der Branchenmessen interzum und LivingKitchen. Rudolph selbst bleibe als Berater für die Clarion-Gruppe aktiv. Seine Themen: Expansion und Erschließung neuer Märkte.

„Nahezu“ 7000 Besucher
Im Rahmen der ZOW-Pressekonferenz berichtet Rudolph noch über die ZOW-Belange. Dass er als Veranstalter mit den 204 Ausstellern nicht zufrieden sei (was verständlich ist), dass er mit bis zu 7.500 Fachbesuchern rechne (am Ende waren es „nahezu“ 7.000) und dass das Unternehmen, bei dem er beschäftigt ist, zum Jahreswechsel verkauft worden sei.
Wie bitte? „Das ist vielleicht noch nicht bei allen von ihnen angekommen“, konkretisiert er den letzten genannten Punkt. Das ist richtig. Eine offizielle Mitteilung an den großen Verteiler hat es dazu nie gegeben. Das lässt die anwesenden Fachjournalisten tuscheln. Doch Horst Rudolph wiegelt ab. Bereits seit zwei Jahren sei der Eigentümerwechsel in Vorbereitung gewesen. Jetzt hat die US-amerikanische Investmentgesellschaft „Providence Equity Partners“ die Verantwortung übernommen. Es ist das erste Messeengagement im Portfolio des Risiko-Kapitalgebers, dessen weltweiter Kapitaleinsatz 21 Milliarden US-Dollar betragen soll. Bei mehr als 100 Beteiligungen. Einen dreistelligen Millionenbetrag in Pfund wolle die neue Eigentümergesellschafterin nun in die Gesamtgruppe Clarion investieren. „Um das internationale Wachstum weiter voranzutreiben“, heißt es. Von den Millionen soll auch die ZOW profitieren. Das Tagesgeschäft von Clarion Events Deutschland, so Rudolph im Februar 2015, bleibe vom Eigentümerwechsel aber unberührt. Eine Personalmeldung später hatte man als Beobachter einen anderen Eindruck.

Bemerkenswerte Sätze
Ein grundsätzlich ausbaufähiges Thema im Hause Clarion scheint die Kommunikation zu sein. Im Verhältnis zu den Medien, insbesondere aber im Kontakt zu potenziellen Kunden. Das lässt die jüngste Entwicklung vermuten. So reduzierte sich die Zahl der Aussteller von 671 (2013) über 485 (2014) auf jetzt 204. Diesen massiven Rückgang allein auf die Entscheidung marktführender Beschlägehersteller zurückzuführen, ihre Neuheiten in den ungeraden Kalenderjahren grundsätzlich auf der Kölner interzum zu präsentieren und darüber hinaus lieber in regionale Messeauftritte in den Exportmärkten zu investieren, statt Standfläche auf der ZOW zu buchen, greift als Erklärung zu kurz. Auch wenn der Zugpferdcharakter der Blums, Hettichs, Grass’, Vatuh-Sagels und Kesseböhmers beachtlich ist. Aber schon 2013 räumte Horst Rudolph ein, dass seine Gesellschaft „den Markt nicht genug beobachtet hat“, nun folgte die selbstkritische Erkenntnis, dass „wir zu spät im Jahr mit dem neuen Konzept im Markt waren“. „Wir werden künftig besser mit unseren Kunden kommunizieren“, verspricht der Messechef nun, und man fragt sich, wie es zu einer schlechten Kommunikation überhaupt kommen konnte. Beide Aussagen sind bemerkenswert, handelt es sich bei der Marktbeobachtung und der Kundenkommunikation doch um die unabdingbaren Kernkompetenzen eines Messeveranstalters. Wie sonst will man seinen Kunden den aktuell besten Service bieten? Menge ist bestimmt nicht alles und Qualität sollte vor Quantität gehen, aber eine Messe muss sich immer auch an den reinen Zahlen messen lassen. Schließlich verlangen die Aussteller möglichst viele Kontakte für ihre erheblichen Investitionen. Innerhalb der letzten beiden Jahre hat die ZOW mehr als 10.000 Besucher verloren. 2013 zählte Clarion 17.500 Fachbesucher, 2014 sollen es 11.800 gewesen sein. In diesem Jahr „nahezu“ 7.000, wie der Veranstalter meldet. Wobei der Zusatz „nahezu“ in diesem Zusammenhang seltsam klingt.

Zu spät am Markt
Und die Ungereimtheiten setzen sich fort. „Wir mussten abwarten, ob wir die Pläne zur Neuausrichtung der ZOW umsetzen konnten“, erklärt Rudolph weiter. Das sei erst im 2014 Sommer schriftreif gewesen – „und für machen zu spät“. Dabei hatte er persönlich bereits im Februar 2014 den Fachjournalisten detailliert von den Ideen zur Neuausrichtung der Zuliefermesse berichtet. Das hörte sich vor Jahresfrist alles sehr konkret und stimmig an. Dass begleitende Foren-Themen wie „Individualisierung der Serienfertigung“ oder „Globale Designtrends“ nicht von heute auf morgen etabliert sind und postwendend nach Bekanntgabe der Pläne Massen an Aussteller und Besucher ins Lippische ziehen, versteht sich von selbst. Aber um dieses mittelfristig angelegte Beiwerk ging es im Kern nie. Im Fokus stand vielmehr, dass sich die ZOW als Produktplattform „auf alles konzentrieren will“, so Rudolph vor 12 Monaten wörtlich, „was die Industrie im Möbelbau im täglichen Geschäft unmittelbar braucht.“ Und auf alles, was die ständig wechselnde Mode benötigt, um aktuell zu sein. Zierbeschläge, Oberflächen, Dekore und Licht sind die dazugehörigen Stichwörter. Für die Ansprache dieser Kunden braucht man sicher keinen Masterplan, diese Adressen dürften in der Kundeliste gespeichert sein.

Mehr als E-Mail und Newsletter
2016 soll nun alles besser werden. 500 Aussteller wolle man auf der nächsten ZOW präsentieren, kündigt Rudolph an. Wie weit er sich damit aus dem Fenster gelehnt hat, wird nun sein Nachfolger erfahren. Unabhängig von der Person Rudolph sollen Vertrieb und das Projektmanagement personell verstärkt werden. „Wir werden uns mit jedem potenziellen Aussteller persönlich auseinandersetzen“, erläutert der Geschäftsführer und sagt einen weiteren dieser bemerkenswerten Sätze: „Nur über E-Mail und Newsletter mit den Kunden zu kommunizieren, genügt nicht.“
Inhaltlich soll die im vergangenen Jahr initiierte Drei-Säulen-Strategie fortgeführt werden. Diese basiert auf den Themen Produktpräsentation, Trend & Design sowie Wissenstransfer. Insbesondere vom Thema „Individualisierung der Serienfertigung“ verspricht sich Clarion viel. Hier will man sich als Kompetenzplattform etablieren. Ob auch die Designschau „trend_works“, die unter Federführung der renommierten Expertin Lidewij Edelkoort 2015 Premiere feierte, fortgeführt wird, bleibt hingegen abzuwarten. Die Präsentation wurde von Veranstalterseite zwar überschwänglich gelobt, auf Publikumsresonanz stießen die abgehoben wirkenden Präsentationen aber kaum (siehe Bericht im Anschluss). Und das Büro Edelkoort wird sicher einen ordentlichen Honorarsatz haben.

Irgendwer macht es
Auch im kommenden Jahr wird es wohl wieder eine ZOW in Bad Salzuflen geben. Allein weil der Mietvertrag für die Messehallen noch bis 2016 läuft, führt daran wirtschaftlich kaum ein Weg vorbei. Zudem macht die interzum in Köln Pause, das dürfte manchen Namen mehr auf die Ausstellerliste bringen. Wie es dann weitergeht? Das ist Spekulation. Ein Wechsel zum „Zwei-Jahres-Rhythmus“ alternierend zur interzum in Köln war für Horst Rudolph in den Vorjahren nie ein Thema. Jetzt sagt er: „Heute schließe ich es erst mal aus.“ Das klingt nach Umdenken. Allerdings betont Rudolph auch: „Termin, Ort und Format der ZOW sind richtig, wenn wir als Clarion diese Messe nicht machen, dann macht es ein anderer.“ So oder so: Rote Zahlen wird sich eine Investmentgesellschaft vom Format einer „Providence Equity Partners“ sicher nicht lange ansehen. Herzblut für den so oft beschworenen Möbelcluster OWL dürfte bei den Verantwortlichen am Hauptsitz im fernen Providence im Bundesstatt Rhode Island ebenfalls kaum fließen. So läuft es wohl darauf hinaus: Die Messegesellschaft muss kurzfristig ihre Baustellen im Vertrieb und in der Kommunikation in den Griff bekommen. Für alle anderen gilt: Wer eine ZOW im Februar des Jahres will, muss hingehen. Als Besucher, als Aussteller. Auch wenn Würstchen für lau offenbar Geschichte sind.

www.zow.de

Dieser Beitrag ist erschienen in KÜCHENPLANER, Ausgabe 3/4 2015.
Die gesamte Ausgabe gibt es auch als ePaper auf www.pressekatalog.de, Stichwortsuche Küchenplaner.